Urteil des VGH

„Sorge und Unverständnis“ - Nürnberg muss Allianz gegen Rechtsextremismus nach AfD-Klage verlassen

Stefan Besner

Online-Redaktion

E-Mail zur Autorenseite

18.11.2024, 16:00 Uhr
Die Stadt Nürnberg darf nicht länger Teil der Allianz gegen Rechtsextremismus sein.

© IMAGO/IMAGO/Moritz Schlenk Die Stadt Nürnberg darf nicht länger Teil der Allianz gegen Rechtsextremismus sein.

Nach Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs muss die Stadt Nürnberg aus der "Allianz gegen Rechtsextremismus" in der Region austreten - falls das entsprechende Urteil rechtskräftig wird. Der Verein habe sich immer wieder öffentlich speziell gegen die AfD positioniert, teilte das Gericht in München mit. Die Stadt Nürnberg als Gründungsmitglied habe damit gegen ihre gesetzliche Pflicht verstoßen, sich bei Parteipolitik neutral zu verhalten.

Die Allianz gegen Rechtsextremismus sieht hingegen die Demokratie selbst angegriffen und durch ein solches Urteil in ihrer Wehrhaftigkeit beschnitten, handelt es sich bei der AfD schließlich um eine in Teilen gesichert rechtsextreme Partei. Man reagiert mit Sorge und Unverständnis auf das Urteil und sieht nun die Stadt Nürnberg als "Stadt des Friedens und der Menschenrechte" in der Pflicht.

AfD-Kreisverband hatte geklagt

Ein AfD-Kreisverband hatte gegen die Mitgliedschaft der Stadt in dem Verein geklagt, nachdem der Nürnberger Stadtrat mehrheitlich gegen einen Austritt gestimmt hatte. Beim Verwaltungsgericht Ansbach hatte die Klage keinen Erfolg, in der höheren Instanz nun aber schon. Allerdings hat die Stadt die Möglichkeit, gegen das neue Urteil vor das Bundesverwaltungsgericht zu ziehen: Der Verwaltungsgerichtshof ließ die Möglichkeit einer Revision offen. Das Urteil ist damit bisher nicht rechtskräftig.

Das Gericht hatte in der mündlichen Verhandlung zudem schon angedeutet, dass sich der Fall schon vor einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erledigen könnte: Die Stadt könne möglicherweise Mitglied des Vereins bleiben, wenn die "Allianz gegen Rechtsextremismus" künftig öffentlich nicht mehr speziell die AfD anprangere.

Allianz hat 500 Mitglieder

Hintergrund des Streits ist die Mitgliedschaft der Stadt Nürnberg in der Allianz, die sich dem Kampf gegen Menschenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus verschrieben hat. Derzeit gehören dem Netzwerk nach eigenen Angaben insgesamt 165 Städte, Gemeinden und Landkreise sowie 322 zivilgesellschaftliche Organisationen und Institutionen an.

Sorge und Unverständnis bei Allianz gegen Rechtsextremismus

Die Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg nimmt das Urteil zur Kenntnis und reagiert mit Sorge und Unverständnis: "Als Allianz gegen Rechtsextremismus verstehen wir unsere Aufgabe seit unserer Gründung im Jahr 2009 darin ‚allen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, insbesondere Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Islamfeindlichkeit sowie Menschenverachtung und Demokratiefeindlichkeit entschieden entgegenzutreten‘", zitiert Stephan Doll, Vorsitzender der Allianz gegen Rechtsextremismus, in einer Pressemitteilung aus der Präambel ihrer Satzung.

"Gebot der Stunde für die Zukunft unseres Landes"

"Damit leben und verteidigen wir die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres politischen Systems, und damit unser Grundgesetz, das dieses Jahr 75-jähriges Bestehen feiert", erläutert Doll weiter und verweist auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Juni 2022, wonach das Neutralitätsgebot für den Staat nichts daran ändere, dass staatliche Stellen "nicht gehindert, sondern sogar verpflichtet" sind, "für die Grundsätze und Werte der Verfassung einzutreten".

"In Zeiten von tagtäglichen Angriffen auf die Demokratie und die Menschenrechte sehen wir als Allianz das Engagement für die freiheitlich-demokratische Grundordnung als ein Gebot der Stunde für die Zukunft unseres Landes. Gerade die Stadt Nürnberg hat aus ihrer Geschichte gelernt und zeigt als Stadt des Friedens und der Menschenrechte klare Haltung."

Zu diesen Werten und Grundsätzen gehören demnach die Unantastbarkeit der Menschenwürde, die Möglichkeit, bestimmte Grundrechte zu verwirken, wenn diese zum Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung missbraucht werden, die Feststellung, dass Deutschland eine Demokratie ist sowie die Ewigkeitsklausel von Artikel 1 und 20 GG (Demokratieprinzip, Sozialstaatsprinzip und das Rechtsstaatsprinzip).

Stadt muss nun entscheiden

"Diese Rechtsgrundlage macht unsere Demokratie wehrhaft, wie das Bundesverfassungsgericht mehrfach geäußert hat. Für die Allianz stellt sich die Frage, wie wehrhaft unsere Demokratie ist, wenn eine Kommune nicht für diese demokratischen Werte eintreten könnte und in einem Bündnis mit fast 500 Mitgliedern, das demokratiefeindliche Organisationen auch benennt, Mitglied sein kann. Unser Bündnis steht für jene Werte ein, die die demokratischen Parteien bei allen sonstigen inhaltlichen Unterschieden einen", konstatiert Doll in der Pressemitteilung.

Nun müsse die Stadt Nürnberg entscheiden, ob sie Revision einlegen will. Die Allianz gegen Rechtsextremismus fordert deshalb "die demokratischen Fraktionen im Nürnberger Stadtrat auch auf, gemeinsam diesen Weg zu gehen." Somit würde der Fall vor dem Bundesverwaltungsgericht landen. Aufgrund der grundsätzlichen und bundesweiten Bedeutung könnte demnach sogar zusätzlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden.