Migrationspolitik

Mehrheit für Unions-Migrationsverschärfungen auf der Kippe

28.01.2025, 05:17 Uhr
Das BSW hat sich umentschieden - jetzt wackelt die Mehrheit für die Unionsanträge. (Archivbild)

© Michael Kappeler/dpa Das BSW hat sich umentschieden - jetzt wackelt die Mehrheit für die Unionsanträge. (Archivbild)

Im Streit über eine verschärfte Migrationspolitik wackelt eine Bundestags-Mehrheit für die Anträge der Union - trotz der angekündigten Zustimmung der AfD. Die FDP und das Bündnis Sahra Wagenknecht wollen nun doch nur noch einen Teil der Vorschläge mittragen. Damit könnte bei der für Mittwoch vorgesehenen Abstimmung viel am Votum mehrerer fraktionsloser Abgeordneter hängen. Das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz der Unionsfraktion, über das am Freitag abgestimmt werden soll, wollen hingegen AfD, FDP und BSW mittragen. 

Seitdem ein ausreisepflichtiger Afghane mit möglicherweise psychischer Beeinträchtigung vergangenen Mittwoch ein Kleinkind und einen Mann erstochen hat, dreht sich der Bundestagswahlkampf vor allem um das Thema Migration. Der Tat ging eine Reihe anderer Attacken voraus, bei denen ebenfalls Ausländer unter Tatverdacht stehen. Daraufhin kündigte Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) Pläne für härtere Migrationsregeln an. "Kompromisse sind zu diesen Themen nicht mehr möglich", betonte der Fraktionschef von CDU/CSU.

Abstimmungen am Mittwoch und Freitag

Am Mittwoch soll der Bundestag über zwei Unionsanträge abstimmen, in denen unter anderem eine direkte Zurückweisung von Migranten an den deutschen Grenzen und dauerhafte Grenzkontrollen gefordert werden. SPD, Grüne und Linke wollen nicht zustimmen. Die Union bräuchte deshalb neben den Stimmen der FDP, die den Vorstoß teilweise unterstützt, die Stimmen der AfD und weiterer Abgeordneter. 

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) will nur einen Teil der Unionspläne zur Begrenzung der Migration mittragen. Man werde für das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz stimmen, sagte Parteichefin Sahra Wagenknecht in Berlin. Beim Fünf-Punkte-Plan gegen irreguläre Migration würde sie nach aktuellem Stand "nicht von einer Zustimmung ausgehen" - dies sei aber noch offen, ergänzte eine Parteisprecherin. Ein weiterer Antrag der Union mit 27 Punkten zur inneren Sicherheit ist nach Wagenknechts Worten "für uns auf keinen Fall zustimmungsfähig". 

Auch die FDP steht nicht hinter allen Unions-Vorschlägen. Zustimmen wollen die Liberalen dem "Zustrombegrenzungsgesetz" und auch dem Fünf-Punkte-Plan für eine Wende in der Migrationspolitik, wie die Fraktion nach dpa-Informationen beschloss. Dem Antrag für einen "Politikwechsel bei der Inneren Sicherheit" lehnen die Liberalen ab. "Eine Ausweitung der Überwachungsbefugnisse auf unbescholtene Bürger wird es mit uns nicht geben", schrieb Fraktionschef Christian Dürr dazu bereits zuvor mit Blick auf mehrere tödliche Angriffe von Zuwanderern in den vergangenen Monaten. 

BSW hält Überwachung aller Grenzen für unmöglich

Wagenknecht sprach von einer massiven Ausweitung der Rechte des Verfassungsschutzes, die mit den Unionsanträgen verbunden sei. Zudem sei die Überwachung aller deutschen Grenzen gar nicht möglich, ebenso wenig wie die Inhaftierung von 50.000 Menschen, die abgeschoben werden sollten.

Dem sogenannten Zustrombegrenzungsgesetz der Unionsfraktion wollen AfD, die FDP und das BSW zustimmen - zur Abstimmung soll dieses aber erst am Freitag stehen. Die Neuregelung soll unter anderem den Familiennachzug zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus beenden. Die Bundespolizei soll, wenn sie in ihrem Zuständigkeitsbereich Ausreisepflichtige antrifft, aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchführen dürfen. 

SPD und Grüne: Merz nicht kanzlerfähig

SPD und Grüne warnten erneut vor den Plänen und zweifelten Merz‘ Fähigkeit zur Kanzlerschaft an. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte: "Friedrich Merz hat aus meiner Sicht bislang in dieser Woche gezeigt, was dafür spricht, dass er nicht Kanzler der Bundesrepublik Deutschland wird." SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte über Merz: "Er hat die AFD regelrecht eingeladen, bei Überlegungen, die weder europarechtskonform noch verfassungsrechtlich möglich sind, die Hand zu heben."

Merz: Zeit für Arbeitskreise vorbei

Merz verteidigte die geplanten Abstimmungen über härtere Migrationsregeln im Bundestag. "Die Zeit für Gespräche, für Arbeitskreise und für Diskussionsgruppen ist jetzt vorbei. Das ist jetzt die Zeit für Entscheidungen", sagte der Fraktionschef. Er wisse "dabei die ganz große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland in dieser Frage hinter uns, hinter mir und hinter der Union".

Die Union habe den Fraktionen von SPD, Grünen und FDP am Wochenende die entsprechenden Anträge zur Verfügung gestellt, "der AfD natürlich nicht", wie Merz betonte. "Mit denen diskutieren wir über solche Themen nicht." Die FDP habe mitgeteilt, dass sie sich den Anträgen anschließen werde, die Grünen hätten der Union heute eine Absage erteilt. "Von der SPD gibt es keine Antwort. Keine Antwort ist auch eine Antwort", sagte er. 

Die AfD ist im Boot

Die AfD-Bundestagsfraktion beschloss bei einer Fraktionssitzung, den geplanten Vorhaben der Union zustimmen - trotz darin enthaltener AfD-kritischer Passagen. Fraktions- und Parteichef Tino Chrupalla sagte, man werde "auf solche Scharmützel nicht hereinfallen" und trotzdem zustimmen. Er begründete das mit den Inhalten der Anträge. Das seien Forderungen, die die AfD seit Jahren stelle.

Grünen-Fraktionschefin Dröge geht auf Konfrontationskurs zu Merz.

Grünen-Fraktionschefin Dröge geht auf Konfrontationskurs zu Merz. © Kay Nietfeld/dpa

Der Streit über schärfere Migrationsregeln dauert an. (Archivbild)

Der Streit über schärfere Migrationsregeln dauert an. (Archivbild) © Bernd Weißbrod/dpa

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer mahnt die Union.s

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer mahnt die Union.s © Boris Roessler/dpa

Wie hier an einem deutsch-polnischen Grenzübergang soll es nach dem Willen mancher Politiker mehr Grenzkontrollen geben.

Wie hier an einem deutsch-polnischen Grenzübergang soll es nach dem Willen mancher Politiker mehr Grenzkontrollen geben. © Patrick Pleul/dpa

Mehr Abschiebungen fordert die Union, hier ein startender Flug (Foto: Archiv).

Mehr Abschiebungen fordert die Union, hier ein startender Flug (Foto: Archiv). © Julian Stratenschulte/dpa