Stiller Skandal in der Pflege: Fixierung statt Zuwendung?

12.5.2017, 11:10 Uhr
Eine bessere Bezahlung und mehr Wertschätzung in der Gesellschaft würden Pflegeberufe attraktiver machen.

© colourbox.com Eine bessere Bezahlung und mehr Wertschätzung in der Gesellschaft würden Pflegeberufe attraktiver machen.

Jeder vierte Demenzkranke in Deutschland bekommt Medikamente aus der Wirkstoffklasse der Neuroleptika, die oft schläfrig und dämmrig machen. Das geht aus Daten des wissenschaftlichen Instituts der AOK hervor. Nach eingehender medizinischer Untersuchung und wenn Angstzustände, Halluzinationen und Wahnvorstellungen für die Betroffenen selbst zur Qual werden, mag das gerechtfertigt sein.

Doch allzu oft würden diese Psychopharmaka aus Zeitmangel eingesetzt, weil schlichtweg Personal fehle, heißt es von Pflegekräften. Auch Neurologe Gunter Carl von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns bestätigt: In der Pflege kämen weniger Beruhigungsmittel zum Einsatz, wenn es mehr Personal gäbe. Stellen wir uns so unseren Lebensabend und ein Altern in Würde vor? Ruhig gestellt in einer Pflegeeinrichtung und womöglich noch ans Bett fixiert, weil niemand Zeit hat, sich um einen aufgewühlten Demenzkranken zu kümmern? Wohl kaum.

Es wird deshalb Zeit, dass der gesetzlich festgeschriebene Personalschlüssel in Pflegeeinrichtungen deutlich erhöht wird. Damit allein ist es freilich nicht getan. Es braucht gut qualifizierte Kräfte, die ihre Arbeit gerne tun und nicht wie aktuell ein Drittel aller Pflegekräfte ihren Beruf in keiner Weise weiterempfehlen würden, wie eine Umfrage im Auftrag des Deutschen Pflegerates kürzlich ergeben hat.

Da sind wir bei den gebetsmühlenartig wiederholten schlechten Rahmenbedingungen in der Pflege: Eine bessere Bezahlung und mehr Wertschätzung in der Gesellschaft würden den Beruf attraktiver machen. Dazu braucht es freilich mehr Geld. Die derzeit reichlich sprudelnden Steuereinnahmen wären hier gut angelegt. Mut machen die leider noch zu wenigen Beispiele von hervorragenden Heimen und sehr engagierten Pflegekräften, die den alten Menschen, das geben, was sie so dringend brauchen: Zeit und Zuwendung.

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