Bayern gegen Berlin
„Stillos“ oder „peinlich: Gegenseitige Vorwürfe nach Gewalttat in Aschaffenburg gehen weiter
27.01.2025, 16:06 Uhr
Nach der Gewalttat in Aschaffenburg mit zwei Toten gehen die wechselseitigen Schuldzuweisungen und Vorwürfe zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der bayerischen Staatsregierung weiter. "Das Vorgehen der bayerischen Staatsregierung ist peinlich und der Sache nicht angemessen", hatte Scholz am Sonntagabend in der ARD gesagt. Dies sei auch "wirklich nicht in Ordnung im Hinblick auf die Opfer, die das Ergebnis von Behördenversagen sind". Der Täter hätte nicht mehr in Bayern herumlaufen dürfen. Das müsse aufgeklärt werden.
Zuvor hatten Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) die Hauptschuld an der Tatsache, dass der Messerangreifer von Aschaffenburg nicht rechtzeitig außer Landes gebracht werden konnte, beim Bund gesehen. Scholz sieht dies anders.
Söder sagte heute im Münchner Presseclub, ohne jedoch speziell auf den Auftritt des Kanzlers einzugehen, es sei "unangemessen und stillos", wenn versucht werde, über Schuldzuweisungen ein Thema zu lösen.
Wo sind Fehler passiert?
Bei dem Messerangriff in Aschaffenburg waren am 22. Januar ein zweijähriger Junge und ein Mann getötet sowie zwei weitere Menschen schwer verletzt worden. Als Täter wurde ein 28-jähriger ausreisepflichtiger Afghane festgenommen. Die Tat hat bundesweit eine neue Debatte über die Migrationspolitik und die Sicherheit in Deutschland ausgelöst. Gleichzeitig begannen schnell wechselseitige Schuldzuweisungen zwischen der bayerischen Staatsregierung und der Bundesregierung, in welchen Behörden und damit in welchem Verantwortungsbereich möglicherweise Fehler passiert sind.
Nach bisherigen Erkenntnissen war es im Zusammenspiel zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) als Bundesbehörde und den Ausländerbehörden im bayerischen Aschaffenburg zu Verzögerungen gekommen, als der spätere Messerangreifer 2023 im Zuge des sogenannten Dublin-Verfahrens nach Bulgarien überstellt werden sollte. Das Bamf hatte Aschaffenburg zwar sechs Wochen vor Fristablauf informiert. Ein rechtskräftiger Bescheid blieb dann aber liegen und erreichte die bayerische Behörde erst sieben Tage vor Ablauf der sechsmonatigen Dublin-Frist.
Insgesamt haben die deutschen Behörden große Probleme mit dem Dublin-Verfahren. In den Jahren 2023 und 2024 blieben Zehntausende Asylbewerber in Deutschland, deren Verfahren den Regelungen zufolge eigentlich in einem anderen Land abgewickelt werden müssten. Grund sind unter anderem Verzögerungen bei deutschen Behörden. Aber auch Tricks in anderen Ländern, die zwar formell der Überstellung zustimmen, dann aber praktische Hürden aufbauen, spielen eine Rolle.
Söder verteidigt Merz
Söder verteidigte auch das Vorgehen von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, im Bundestag Forderungen nach einem grundlegenden Kurswechsel in der Migrationspolitik zur Abstimmung zu stellen. Unter anderem will die Union dauerhafte Grenzkontrollen zu allen Nachbarländern sowie ein Einreiseverbot für alle Menschen ohne gültige Einreisedokumente durchsetzen, auch wenn diese ein Schutzgesuch äußern. Weil Merz erklärt hat, die Union wolle über die Anträge abstimmen lassen - egal ob etwa auch die AfD zustimme oder nicht -zweifeln SPD und Grüne daran, dass der CDU-Chef die "Brandmauer" zur AfD aufrechterhält.
"Brandmauer heißt, keine Koalition zu machen, keine gemeinsame Absprache, also keine politisch gestaltende Mehrheit", sagte Söder. Er fügte aber hinzu: "Wir können doch nicht das, was wir für richtig halten, für falsch erklären, nur weil die Falschen es auch für richtig halten." Da habe Merz einen Punkt. Wenn die AfD sage, zwei und zwei sei vier, dann könne man nicht sagen, das seien Schurken, deshalb lehne man die Mathematik ab, machte er deutlich.
"Persönliches Bollwerk" gegen AfD
Söder bekräftigte aber, mit der AfD werde es keine Zusammenarbeit geben. Er selbst stehe als "persönliches Bollwerk" gegen die AfD. Zugleich glaube er nicht, dass die AfD im Bundestag einem Antrag zustimmen werde, in dem die Partei als Problem ausgemacht werde.
Im Übrigen wolle auch die Mehrzahl der SPD-Anhänger Veränderungen in der Migrationspolitik. Das werde zwar mit einem Kanzler Olaf Scholz nicht gehen. Doch der werde nun ohnehin in Pension gehen. Und damit werde eine absolute Mehrheit mit der SPD möglich – anders als mit den Grünen. "Schwarz-Grün ist tot – und die anderen müssen sich nach uns richten", sagte Söder.