Humboldt-Universität
Studie: Ungeimpfte sollen an acht von zehn Corona-Infektionen beteiligt sein
2.12.2021, 15:04 UhrBei einer neuen Infektion kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob sie auf einen Kontakt zwischen Geimpften oder Ungeimpften zurückgeht. Eine Orientierungshilfe haben nun Forscherinnen und Forscher der Humboldt-Universität Berlin geschaffen. Um eine Einschätzung zu bekommen, haben die Forschenden mathematische Ansteckungsmodelle entwickelt und die Ausbreitung des Coronavirus in der deutschen Bevölkerung in den Tagen zwischen 11. Oktober und 7. November 2021 simuliert. Basis für die Modellierung waren Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) zu geimpften und ungeimpften symtomatischen Fällen. Im Zentrum dabei stand unter anderem die Frage: Wie viel trägt die ungeimpfte Bevölkerung zur Infektionsdynamik bei, obwohl sie in der Minderheit ist?
Die Forschenden berechneten, wie oft die vier folgenden Infektionswege vorkamen: Ungeimpfte stecken Ungeimpfte an, Ungeimpfte stecken Geimpfte an, Geimpfte stecken Geimpfte an und Geimpfte stecken Ungeimpfte an. Die Häufigkeiten wurden für zwei Szenarien berechnet. Einmal wurde angenommen, dass die Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe bei 92 Prozent (unter 18-Jährige) und 72 Prozent (alle Personen ab 18 Jahren) liegt. Beim zweiten Modell wurde konservativer mit niedrigeren Zahlen aus einer britischen Studie gerechnet. Hier wurde für 12- bis 60-Jährige mit einer Wirksamkeit von 60 Prozent und für Menschen über 60 Jahren mit einer Wirksamkeit von 50 Prozent gerechnet. Einbezogen wurde auch, wie viele Menschen in jeder Altersgruppe geimpft sind und wie viele Kontakte sie haben.
Ergebnisse Szenario eins: höhere Impfwirksamkeit
Bei mehr als der Hälfte (51 Prozent) aller Corona-Infektionen steckten Ungeimpfte andere Ungeimpfte an. Bei 25 Prozent aller Covid-19-Fälle haben Ungeimpfte Geimpfte infiziert. Mit 76 Prozent sind bei der deutlichen Mehrheit der Infektionen Ungeimpfte beteiligt. In 15 Prozent der Fälle infizierten Geimpfte Ungeimpfte und bei 9 Prozent lag der Anteil der Virusübertragung unter Geimpften.
Ergebnisse Szenario zwei: niedrigere Impfeffektivität
Auch nach der konservativeren Berechnung verursachen Ungeimpfte mit 67 Prozent den Großteil der Infektionen: In 38 Prozent der Fälle steckten sich Ungeimpfte untereinander an und bei 29 Prozent der Ansteckungen infizierte ein Ungeimpfter einen Geimpften. Der Anteil bei dem Geimpfte Ungeimpfte infizierten lag bei 17 Prozent. In acht von zehn Fällen war mindestens ein ungeimpfter Mensch an der Neuinfektion beteiligt. In 16 Prozent der Fälle fand eine Ansteckung ausschließlich unter Geimpften statt.
Limitationen
Die Anzahl der Tests spielt eine Rolle. Wie viele und wie oft sich Geimpfte im Verhältnis zu Ungeimpften testen lassen, ist unklar und stark personenabhängig. Die Dunkelziffer bei den Ansteckungen unter Geimpften könnte höher als bei Ungeimpften sein. Nicht gegen das Virus immunisierte Menschen könnten häufiger Symptome zeigen und deshalb wahrscheinlicher erfasst werden.
So definiert das RKI seine Fälle
Covid-19-Fälle gelten beim RKI als vollständig geimpft, wenn für sie in den übermittelten Daten mindestens zwei Impfdosen eines COVID-19-Impfstoffes beziehungsweise mindestens eine Dosis des Janssen-Impfstoffes (Johnson & Johnson) angegeben waren und das Datum der Gabe der letzten Impfdosis mindestens 14 Tage vor Erkrankungsbeginn (bzw. Diagnosedatum oder Meldedatum) lag. Fälle gelten beim RKI als ungeimpft, wenn für sie übermittelt wurde, dass sie nicht geimpft waren. Fälle, für die Angaben zum Impfstatus unvollständig ist oder für die eine unvollständige Impfung angegeben wurde, wurden ausgeschlossen.
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