Transgender-Abgeordnete aus Franken: Jetzt spricht Ganserer
5.6.2019, 15:34 UhrDie Landtagsabgeordnete der Grünen sitzt im leichten Sommerkleid und blonder Perücke im Presseclub und macht deutlich, dass sie ihr persönliches Thema auch zum politischen macht. Sie will gegen die "Alltagsdiskriminierungen transidenter Menschen kämpfen".
Landtagspräsidentin Ilse Aigner hatte es vorgemacht: Tessa Ganserer sei unabhängig vom rechtlichen Status als Frau zu behandeln, sagte die CSU-Politikerin. Ähnlich positiv, so Ganserer, verhielten sich die Verkehrsbetriebe (vgn). Sie bekam einen neuen Ausweis, auf dem der männliche Vorname Markus durch Tessa ersetzt wurde.
Moderatorin nähert sich dem Thema behutsam
Aber Menschen, "die nach der Geburt aus biologistischen Gründen dem falschen Geschlecht zugeordnet wurden", so Ganserer, haben es nicht leicht, einfach den Vornamen zu wechseln. Das Gesetz sieht Fristen und Gutachten und einen richterlichen Beschluss vor. Bis auf den Scheckkarten und dem Personalausweis Tessa statt Markus steht, dauert es also noch gut ein Jahr. Das ärgert die Politikerin.
Presseclub-Moderatorin Kerstin Dornbach näherte sich dem Thema ganz behutsam. So ging es nicht um sexuelle Orientierung, sondern allein um die Frage, wer sich wegen äußerer Merkmale dem falschen Geschlecht zugeordnet fühlt und welcher Leidensweg damit verbunden sein kann. Für Ganserer gab es keinen anderen Schritt mehr, als sich zum Frausein zu bekennen: "Ich war am Ende meiner Kräfte und habe meinen ganzen Mut zusammengenommen." 40 Prozent der Menschen in einer ähnlichen Situation haben Suizidversuche hinter sich, berichtet sie. Das sei ihr zum Glück erspart geblieben.
"Wie sag ich es Eltern, Freunden, dem Arbeitgeber?"
Sandra Wißgott (57) kennt viele dieser Leidensgeschichten. Die Rektorin einer Mittelschule ist wie Ganserer Familienvater, vor gut zehn Jahren wurde ihr Frausein offiziell anerkannt. Mittlerweile engagiert sie sich in etlichen Selbsthilfegruppen und gibt Fortbildungen für Pädagogen, wie sie angemessen mit dem Thema umgehen können. Denn Wißgott und Ganserer sind keine Einzelfälle. Und das Outing passiert immer früher. So seien einige Lehrer mit dem Wunsch von Jugendlichen konfrontiert, den Identitätswechsel zu akzeptieren.
Wißgott hatte lange ein Doppelleben geführt, bis sie ihre männliche Identität ablegte, erzählt sie.“Wie sag ich es meinen Eltern, Freunden, dem Arbeitgeber?“ Noch bis vor wenigen Jahren war der Identitätswechsel zwangsweise mit medizinischen Auflagen verbunden. Hormonbehandlungen, Geschlechtsanpassung, Epilation der Barthaare.
Wißgott und Ganserer berichten auch von guten Erfahrungen. Bei beiden stehen die Partnerinnen und Kinder zu den Veränderungen. Ganserers Vater habe mit 83 Jahren akzeptiert, dass der mutmaßliche Sohn jetzt seine Tochter ist. Wißgott, seit Jahrzehnten als Rettungsschwimmerin bei der Wasserwacht aktiv, spielt humorvoll mit Klischees. Bügeln und Putzen interessiere sie auch nach dem Identitätswechsel wenig, sie sei immer noch für Reparaturen zuständig.
Ganserer will kämpfen
Ganserer steht noch unter dem Eindruck ihres Outings. Der Ärger über Hasstiraden in sozialen Netzwerken, Beschimpfungen auf offener Straße, alltägliche Aggressivität gegen transidente Menschen – daraus zieht sie den politischen Auftrag, für die "Menschenrechte und ein liberaleres Transsexuellengesetz zu kämpfen“, das weniger bürokratische Hürden in den Weg lege. Was ihre ganz persönlichen Dinge anbelangt, so mag Ganserer nicht gefragt werden. Nur so viel sagt sie: "Die schönsten Jahre als Frau habe ich verpasst."
Sandra Wißgott geht mit ihrer Geschlechtsangleichung offen um. Das sei etwa als Rettungsschwimmerin einfach praktischer gewesen, sie müsse nichts verstecken. 90 Prozent der Betroffenen würden sich noch immer für medizinische Korrekturen entscheiden, obwohl sie seit 2011 für die Änderung des Personenstands nicht mehr nötig sind.
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