Nahost
UN: Unter Toten im Gazastreifen viele Kinder unter 14
8.11.2024, 05:49 UhrIm Gazastreifen hat es nach einer Auswertung der verifizierten Todesfälle nach Altersgruppen die meisten Opfer unter fünf- bis neunjährigen Kindern gegeben. Das geht aus einem Bericht des UN-Menschenrechtsbüros hervor.
Israel beteuert immer, dass der Kampf Kämpfern der Terrororganisation Hamas gilt und Zivilisten so weit wie möglich verschont werden.
Das Büro hat für den Zeitraum November 2023 bis Ende August rund 10.000 Todesfälle verifiziert, sagte der Leiter des UN-Menschenrechtsbüros für die besetzten palästinensischen Gebiete, Ajith Sunghay. Rund 80 Prozent seien in zivilen Häusern umgekommen. 70 Prozent seien Frauen und Minderjährige gewesen. Am zweithöchsten unter allen Altersgruppen war die Zahl der Todesfälle unter Zehn- bis 14-Jährigen, gefolgt von Kindern von Geburt bis zu vier Jahren.
Die wahre Zahl der Todesopfer dürfte deutlich höher liegen. Viele Todesfälle ließen sich bislang nicht verifizieren, und Tausende Menschen werden bis heute unter Häusertrümmern vermutet. Sunghay konnte nicht sagen, ob die Auswertung repräsentativ für alle Opfer ist. Nach unabhängig nicht überprüfbaren Angaben der Hamas-Behörden wurden inzwischen mehr als 40.000 Menschen im Gazastreifen getötet.
Am 7. Oktober 2023 hatten die im Gazastreifen regierende Terrororganisation Hamas und andere Terrorgruppen bei einem Überfall auf Israel mehr als 1.200 Menschen getötet und weitere 250 in den Gazastreifen verschleppt. Rund 100 sind immer noch dort. Israel reagierte mit massiven Angriffen, die bis heute anhalten. Das Militär will damit die Hamas zerstören.
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Das UN-Menschenrechtsbüro bekräftigt einmal mehr, dass Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen worden sein könnten. Es könne sich auch um Völkermord handeln, wenn Bevölkerungsgruppen zum Beispiel aufgrund von Ethnie, Religion oder Nationalität ganz oder teilweise ausgelöscht werden sollten.
Solche Verstöße können schlussendlich nur internationale Gerichte feststellen. Menschenrechtsexperten liefern mit ihren Untersuchungen die Grundlage für gerichtliche Einschätzungen und Urteile.
Vergehen auf beiden Seiten
Der Bericht verweist etwa auf Aussagen israelischer Politiker, die zur Zerstörung des Gazastreifens und der Vertreibung der Palästinenser aufgerufen haben. Die Abriegelung des Gazastreifens, die Verhinderung von humanitären Hilfsleistungen und die Zerstörung von Häusern und wiederholte Vertreibung von Hunderttausenden habe zu unzähligen Todesfällen, Verletzungen und Krankheiten geführt.
Auch die Hamas und andere bewaffnete Gruppen hätten bei den Überfällen vom 7. Oktober mit der Tötung von Zivilisten, sexueller Gewalt, Zerstörung von Häusern und der Geiselnahme massive Rechtsverstöße begangen, so der Bericht. Auch dabei könne es sich um Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit handeln.
Nach mehr als einem Jahr Krieg der israelischen Armee gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen ist die Notlage der Zivilbevölkerung in dem weitgehend zerstörten Küstengebiet verheerend. Mitte Oktober forderte die US-Regierung Israel dazu auf, die humanitäre Situation innerhalb von 30 Tagen spürbar zu verbessern. Andernfalls drohe ein Verstoß gegen US-Gesetze zur militärischen Unterstützung – was auch die amerikanische Militärhilfe für Israel gefährden könnte. US-Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin hatten in einem Schreiben "tiefe Besorgnis" über die humanitäre Lage in Gaza geäußert und "dringende und nachhaltige Maßnahmen" seitens der israelischen Regierung gefordert.
US-Regierung will Zeit vor Trumps Amtsantritt nutzen
Nach dem Wahlsieg des Republikaners Donald Trump ist allerdings unklar, wie viel Druck der scheidende US-Präsident Joe Biden noch auf Israel ausüben kann. Außenamtssprecher Miller sagte, die US-Regierung werde in der verbleibenden Zeit bis zu Trumps Amtsantritt im Januar daran arbeiten, die Kriege im Gazastreifen und gegen die Hisbollah im Libanon zu beenden, die Freilassung der Geiseln aus der Gewalt der Hamas zu ermöglichen und die humanitäre Hilfe zu verbessern.
Wegen der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen steht die israelische Regierung massiv in der Kritik. Bislang wurden nach unabhängig nicht zu überprüfenden Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde 43.000 Menschen getötet und mehr als 101.000 Menschen verletzt. Die meisten Krankenhäuser sind zerstört, zudem fehlt es an Lebensmitteln, Medikamenten und anderen Dingen des täglichen Bedarfs.
Tumulte bei Vereidigung von Israels Verteidigungsminister Katz
Eine zentrale Rolle bei Israels Militäroffensive im Gazastreifen fiel dem bisherigen Verteidigungsminister Joav Galant zu. Nach dessen umstrittener Entlassung kam es bei der Vereidigung seines Nachfolgers Israel Katz im Parlament zu Tumulten. Abgeordnete der Regierungskoalition und der Opposition beschimpften sich vor der Abstimmung in der Knesset, wie die Zeitung "The Times of Israel" berichtete. Schließlich verließen die oppositionellen Abgeordneten aus Protest gegen die Entlassung Galants geschlossen den Plenarsaal. Der neue Verteidigungsminister Katz wurde dennoch mit den Stimmen der Regierungskoalition im Amt bestätigt.
Zuvor hatte Katz - ein enger Vertraute von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu - das Außenministerium geführt. Der Regierungschef begründete die Entlassung seines bisherigen Verteidigungsministers mit einem zerrütteten Vertrauensverhältnis. Nach Galants Entlassung gingen Tausende Menschen in Israel gegen die Regierung auf die Straße.
Hamas ruft weltweit zu Protesten auf
Als Reaktion auf Israels andauernde Angriffe im nördlichen Gazastreifen rief die Hamas zu weltweiten Protesten auf. Aus Solidarität mit den Palästinensern sollten Menschen am Freitag, Samstag und Sonntag auf die Straße gehen und dabei auch die Unterstützung des Westens für die israelischen Angriffe verurteilen, fordert die Terrororganisation.
Auslöser des Gaza-Kriegs war das Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und etwa 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden.
Die Islamistenorganisation warf Israel in ihrem nun über soziale Medien verbreiteten Protestaufruf unter anderem Völkermord und Massaker an Zivilisten im Norden des umkämpften Gazastreifens vor. Das israelische Militär hat seine Einsätze gegen die Hamas dort zuletzt ausgeweitet. Es forderte Zivilisten dazu auf, die Kampfzone zu verlassen. Tausende sollen sich aber noch in dem Gebiet aufhalten.