"Unteilbar": Großdemo gegen Rechtsruck in Berlin
13.10.2018, 19:01 UhrVom Clubmusiker bis zum Kirchenvertreter: Mehr als 242.000 Menschen haben nach Veranstalterangaben am Samstag in Berlin gegen einen Rechtsruck und für die Einhaltung der Menschenrechte in Deutschland demonstriert. Zu der Großdemonstration aufgerufen hatte das Bündnis "Unteilbar". Zahlreiche Parteien, Organisationen, Gewerkschaften, Initiativen, die Evangelische Kirche, Sozial- und Flüchtlingsverbände sowie Kulturschaffende unterstützten die Aktion. Das Motto lautete "Für eine offene und freie Gesellschaft - Solidarität statt Ausgrenzung".
Nach Angaben der Bündnisses "Unteilbar" wurden mehr als 242.000 Teilnehmer aus ganz Deutschland gezählt. Das war ein deutlich stärkerer Zulauf als von den Veranstalter erwartet. Ursprünglich wurde die Demonstration mit rund 40.000 Menschen angemeldet. Ein Polizeisprecher sagte auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd), eine sechsstellige Teilnehmerzahl werde "für realistisch" gehalten. Die Großdemonstration sei zunächst störungsfrei verlaufen und habe "eher einen Happening-Charakter". Im Einsatz waren rund 900 Sicherheitskräfte.
Im Demonstrationsaufruf des Bündnisses hieß es: "Es findet eine dramatische politische Verschiebung statt: Rassismus und Menschenverachtung werden gesellschaftsfähig." Humanität und Menschenrechte, Religionsfreiheit und Rechtsstaat würden offen angegriffen. Gegen eine Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte gelte es sich zu wehren.
"Eine Bereicherung, keine Bedrohung"
Unter anderen Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) unterstützte die Demonstration für ein weltoffenes und tolerantes Deutschland. "Eine Vielfalt der Herkünfte, Hautfarben, Religionen und Lebensstile ist für uns eine Bereicherung, keine Bedrohung", twitterte Maas. Gesellschaftlicher Zusammenhalt werde nicht durch Abgrenzung und Homogenität, sondern durch gleiche Freiheit für alle gesichert.
Der Generalsekretär der deutschen Sektion von Amnesty International, Markus Beeko, verwies auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die vor fast 70 Jahren verabschiedet wurde. Diese garantiere "jedem Menschen auf dieser Erde universelle und unteilbare Rechte", betonte Beeko und fügte hinzu: "Das Recht, zu denken und zu sagen, was man möchte; zu glauben, an wen man möchte; geschützt zu sein, vor Folter oder Verfolgung; zu heiraten, wen man liebt - was für eine große Idee!" Es komme aber darauf an, täglich deutlich zu machen, "dass Menschenrechte und Menschenwürde die Grundlage unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts sind".
Die Berliner Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein betonte, dass Hass dem gesellschaftlichen Zusammenleben schade. Sie verwies auf die friedlichen Demonstrationen in Ostdeutschland im Herbst 1989. Der gemeinsame und erfolgreiche Ruf sei damals "Keine Gewalt" gewesen. "Das soll uns auch heute verbinden! Keine Gewalt!", sagte Trautwein. Sie verurteilte, dass Hass, Rassismus und Antisemitismus offensichtlich wieder salonfähig gemacht werden sollen. Trautwein betonte, die Menschen in Europa seien "unteilbar": "Wir respektieren einander, wir brauchen einander, wir gehören zusammen."
"Gefühlskälte und rassistische Hetze"
Die Geschäftsführerin der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF), Jutta Weduwen, sagte: "Wir blicken heute mit großer Sorge auf die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland." Rechtspopulismus wirke bis in die Mitte der Gesellschaft. Die jüngsten politischen Debatten über die Abweisung von Geflüchteten an den Grenzen seien "von Entsolidarisierung, von Gefühlskälte und rassistischer Hetze" geprägt gewesen. Sozialstaat, Flucht und Migration dürften aber nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Zum Abschluss der Großdemonstration war ein Konzert an der Berliner Siegessäule geplant. Dort wollten unter anderen die Musiker Herbert Grönemeyer, Konstantin Wecker, Dirk von Lowtzow von der Band Tocotronic sowie Joy Denalane und weitere Künstler auftreten.
In Leipzig wurde unterdessen in der Nacht zum Samstag offenbar ein Brandanschlag auf das Auto des Bundestagsabgeordneten Sören Pellmann (Linke) verübt. Wie das Büro des Politikers mitteilte, wurde das Fahrzeug in Brand gesteckt. Es sei mit Materialien gepackt gewesen und sollte am Samstag zur "Unteilbar"-Demonstration nach Berlin fahren.
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