Studie zu Parteipräferenzen

Unterwegs in Neukölln - Zuwanderer tendieren eher nach links

24.1.2025, 11:21 Uhr
Wenn Hakan Demir, Bundestagsabgeordneter der SPD, in seinem Wahlkreis Berlin-Neukölln unterwegs ist, wird er häufig auf der Straße angesprochen. Manchmal geht es in den Gesprächen um Fragen des Asylrechts oder um faire Löhne.

© Fabian Sommer/dpa Wenn Hakan Demir, Bundestagsabgeordneter der SPD, in seinem Wahlkreis Berlin-Neukölln unterwegs ist, wird er häufig auf der Straße angesprochen. Manchmal geht es in den Gesprächen um Fragen des Asylrechts oder um faire Löhne.

Ein Großteil der deutschen Wählerinnen und Wähler mit Migrationshintergrund vertraut eher Parteien aus dem Spektrum Mitte-Links. Lediglich bei Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion und ihren Nachkommen haben CDU und CSU einen relativ guten Stand, wie eine aktuelle Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (Dezim) in Berlin zeigt.

Schwache Konjunktur und Preisanstieg sind größte Sorge

Was die Forscher außerdem herausgefunden haben: Die Sorgen der Wahlberechtigten mit und ohne Einwanderungsgeschichte ähneln sich. Die schwächelnde deutsche Wirtschaft und die Inflation ist für alle Deutschen derzeit das Problemfeld Nummer eins.

Die Daten zeigen zudem, dass Menschen mit Migrationshintergrund besonders häufig befürchten, Opfer einer Straftat zu werden. Dabei spielen nach Einschätzung der Autoren auch die materiellen Lebensumstände eine Rolle: "Prekäre wirtschaftliche Umgebungen und mangelnder Wohnraum sind oft mit einer höheren Kriminalitätsrate verbunden", heißt es in der Studie.

Wahlplakate, wie hier in Magdeburg, sollen nicht nur die Kandidaten und Kandidatinnen bekannter machen, sondern idealerweise auch Themen ansprechen, die die Wähler besonders bewegen. Aktuell ist das vor allem das Problemfeld Wirtschaft und Inflation.

Wahlplakate, wie hier in Magdeburg, sollen nicht nur die Kandidaten und Kandidatinnen bekannter machen, sondern idealerweise auch Themen ansprechen, die die Wähler besonders bewegen. Aktuell ist das vor allem das Problemfeld Wirtschaft und Inflation. © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Die Forscher hatten für ihre Untersuchung nicht gefragt, wen die Teilnehmer der Umfrage wählen würden, wenn schon am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, sondern, welche Partei sie für wählbar halten. Demnach hat die SPD mit 74 Prozent insgesamt das größte Wählerpotenzial, gefolgt von CDU und CSU, Grünen und FDP.

Schaut man allerdings auf die verschiedenen Gruppen, zeigen sich Unterschiede. Beispielsweise gibt es bei Wählern, die Wurzeln in Nicht-EU-Staaten haben, weniger Zustimmung für die Grünen als unter Menschen ohne Migrationshintergrund.

Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) haben in allen von den Wissenschaftlern betrachteten Gruppen mit ausländischer Herkunft mehr Wählerpotenzial als unter Wählerinnen und Wählern ohne Einwanderungsgeschichte. Mit einer Ausnahme: Menschen mit Wurzeln in Russland oder anderen Gebieten der Ex-Sowjetunion haben etwas weniger Vertrauen in die Partei Die Linke.

Als Mensch mit Migrationshintergrund im Sinne der Studie gelten Menschen, die einen Elternteil haben, der ohne deutsche Staatsangehörigkeit geboren wurde.

Nahostkonflikt beschäftigt zugewanderte Wähler stärker

Zu den Themen, die Menschen mit Migrationsgeschichte zuletzt große Sorgen bereitet haben, zählt auch der Nahostkonflikt. Dieser Konflikt wird vor allem von Menschen aus der Türkei und der arabischen Welt oft aus einem anderen Blickwinkel betrachtet als von Deutschen ohne ausländische Vorfahren. 42,7 Prozent der befragten Menschen mit Wurzeln im Ausland bereitet er große Sorgen. Bei den Menschen ohne Migrationshintergrund sind es 34,8 Prozent.

Das stellt auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Hakan Demir aus Berlin-Neukölln fest, wenn er in seinem Wahlkreis unterwegs ist. Es ist ein Wahlkampf, in dem viele Anti-AfD-Aufkleber auf den Wohnungstüren kleben.

Mohammed al-Zoubi ist vor sieben Monaten Deutscher geworden. Der Altenpfleger aus Syrien freut sich, erstmals an einer Bundestagswahl teilzunehmen. Er bittet den SPD-Direktkandidaten für Berlin-Neukölln, Hakan Demir, in seine Wohnung, um mit ihm über Politik zu diskutieren.

Mohammed al-Zoubi ist vor sieben Monaten Deutscher geworden. Der Altenpfleger aus Syrien freut sich, erstmals an einer Bundestagswahl teilzunehmen. Er bittet den SPD-Direktkandidaten für Berlin-Neukölln, Hakan Demir, in seine Wohnung, um mit ihm über Politik zu diskutieren. © Fabian Sommer/dpa

"Hohe Mieten, der Müll, der auf der Straße herumliegt, hohe Lebensmittelpreise: Das sind die Themen, auf die ich am meisten angesprochen werde", sagt Demir. Gerade Menschen mit Migrationshintergrund hätten ihn zuletzt jedoch auch nach der Position seiner Partei zum Krieg im Gaza-Streifen gefragt. Er sagt dann, die SPD sei für eine Zwei-Staaten-Lösung, also für einen palästinensischen Staat, der in friedlicher Nachbarschaft mit Israel lebt.

Mohammed al-Zoubi, den der 40-jährige Abgeordnete bei seinem Tür-zu-Tür-Wahlkampf trifft, reicht das nicht. Er sagt: "Ich sehe kritisch, dass wir Waffen liefern an Israel." Dann fügt der 34-Jährige hinzu: "Vor Olaf Scholz war ich für die SPD, aber er hat verkackt." Bei der Wahl im Februar wolle er die Linke wählen, sagt er. Einen Kaffee bietet der Altenpfleger aus Syrien, der noch müde ist von seiner Nachtschicht, dem SPD-Kandidaten trotzdem an.

Demir will in Neukölln an 20.000 Türen klopfen

Unfreundliche oder gar feindselige Kommentare erntet Demir im Haustür-Wahlkampf kaum, sagt er. Sein Ziel sind 20.000 Wohnungen, an 5.000 Türen hat er nach eigener Aussage schon geklopft. Manche Bewohner seines Viertels sagen knapp: "Kein Interesse."

Der Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Demir geht vor der Bundestagswahl im Bezirk Neukölln von Tür zu Tür, um Stimmen zu gewinnen. In seinem Wahlkreis leben relativ viele Ausländer, die nicht wahlberechtigt sind, sowie Deutsche mit Migrationshintergrund.

Der Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Demir geht vor der Bundestagswahl im Bezirk Neukölln von Tür zu Tür, um Stimmen zu gewinnen. In seinem Wahlkreis leben relativ viele Ausländer, die nicht wahlberechtigt sind, sowie Deutsche mit Migrationshintergrund. © Fabian Sommer/dpa

"Die SPD macht viel für Ausländer", lobt ein junger Mann, der mit starkem Akzent Deutsch spricht. "Meine Frau erklärt mir, wie das hier in Deutschland mit der Politik läuft", sagt er und nimmt bereitwillig den Flyer des SPD-Kandidaten entgegen.

Für ihn sei früher immer wichtig gewesen, "welche Partei nimmt mich wahr und akzeptiert mich", sagt Yunus Ulusoy vom Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI) in Essen. Für die Enkel der Eingewanderten seien inzwischen aber auch andere Fragen wichtig, wenn es darum geht, welcher Partei sie ihre Stimme geben.