Das Vorpreschen Thüringens bei der Aufhebung von Lockerungen in der Corona-Krise ist in der CDU-Spitze kritisiert worden. In einer Videokonferenz des CDU-Präsidiums am Montag war von einem "verheerenden" Signal die Rede, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) aus Teilnehmerkreisen erfuhr. Man sei von den Plänen von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) überrascht worden. Kritik kam demnach etwa vom saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans und von NRW-Regierungschef Armin Laschet.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kritisierte in einem Interview mit der Bild-Zeitung: "Es darf in keinem Fall der Eindruck entstehen, die Pandemie wäre schon vorbei." Zwar gebe es Regionen, in denen tagelang keine Neuinfektionen gemeldet würden. Andererseits gebe es lokale und regionale Ausbrüche, die schnelles Eingreifen erforderlich machten. Die Verantwortung dafür liege bei den Ländern.
Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner hat Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow ebenfalls kritisiert. Es gebe noch viele Menschen, die besonders gefährdet seien. "Da ist so eine Alles-geht-Botschaft, auch wenn wir alle eine Rückkehr zur Normalität wollen, verkehrt und zu leichtsinnig", sagte er am Montag in der Sendung "n-tv Frühstart".
Es gebe weder eine Therapie noch ein Medikament oder einen Impfstoff gegen Covid-19. "Deswegen sollten auch gerade Personen in Spitzenpositionen, wie ein Ministerpräsident, eher bremsen als den Beschleuniger geben", mahnte Kellner weiter.
Auch Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) warnte vor zu forschen Corona-Lockerungen. "Der Lockdown verlangt uns allen viel ab", schrieb sie auf Twitter. "Wir müssen aber aufpassen, dass wir angesichts des erfolgreichen Pandemiemanagements nicht leichtsinnig werden und überdrehen." Sie sprach sich dafür aus, zunächst Kindergärten und Schulen voll zu öffnen und dann in Abstimmung mit den anderen Ländern weitere Schritte abzustimmen. "Das ist der Weg", betonte die Ministerin.
"Die bayerische Staatsregierung ist entsetzt"
Mit scharfer Kritik hat Bayerns Staatsregierung bereits am Sonntag auf die Pläne Thüringens reagiert. "Die bayerische Staatsregierung ist entsetzt, dass elementare Schutzmaßnahmen nun aufgegeben werden sollen", sagte Florian Herrmann, Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, der dpa. Was Thüringen plane, sei ein hochgefährliches Experiment für alle Menschen im Lande.
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Thüringen will mit regionalen Maßnahmen reagieren
Ramelow will vom 6. Juni an auf allgemeine, landesweit gültige Corona-Schutzvorschriften verzichten. Damit könnten die bisherigen Regeln zu Mindestabständen, dem Tragen von Mund-Nasen-Schutz sowie Kontaktbeschränkungen der Vergangenheit angehören.
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Statt der bisherigen landesweiten Regelungen soll es in Thüringen künftig regionale Maßnahmen abhängig vom Infektionsgeschehen vor Ort geben. Dafür ist ein Grenzwert von 35 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche im Gespräch. Über die Details soll am Dienstag in einer Kabinettssitzung beraten werden.
Hier finden Sie täglich aktualisiert die Zahl der Corona-Infizierten in der Region. Die weltweiten Fallzahlen können Sie an dieser Stelle abrufen. Über aktuelle Entwicklungen in der Corona-Krise berichten wir auch im Liveticker.
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