Vogelgrippe: Das Virus gibt weiter Rätsel auf
26.06.2007, 00:00 Uhr
Gegen halb vier Uhr früh waren zuvor neun tote Wasservögel aus Nürnberg auf die Insel gebracht worden. Bis zum Abend, nach der genauen Analyse der Gewebeproben, steht das Ergebnis fest: Sechs der Tiere, fünf Höckerschwäne und eine Kanadagans, sind an dem Vogelgrippe-Virus H5N1 verendet.
Nach rund zehn Monaten ist die Tierseuche erneut in Deutschland, und wieder rückt das FLI auf dem 21 Hektar großen Eiland, das nur über einen 600 Meter langen, schmalen Damm mit dem Festland verbunden ist, in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Nur hier, im «Nationalen Referenzlabor für aviäre Influenza», lässt sich mit standardisierten Tests zweifelsfrei und endgültig der genaue Virustyp feststellen.
Gelassene Reaktionen
Von hier kam auch am Valentinstag 2006 die Nachricht, dass die Vogelgrippe Deutschland erstmals erreicht hatte. Begann damals mit dieser Diagnose der Ausnahmezustand auf der Insel, weil rund um die Uhr Hunderte Vögel untersucht werden mussten und laut Harder «der öffentliche Druck bisweilen enorm war», herrscht jetzt eher Gelassenheit. Einerseits, weil der erste Ausbruch gezeigt hat, dass das Zusammenspiel der Wissenschaftler und einzelnen Institute im Ernstfall gut klappt. Zum anderen mag H5N1 in den letzten Monaten aus den Köpfen der Bevölkerung verschwunden gewesen sein. In dem bereits 1910 vom Greifswalder Wissenschaftler Friedrich Loeffler gegründeten, streng abgeschotteten Institut hatte aber niemand Zweifel daran, dass der Erreger wiederkehrt.
«Das Virus war weiterhin in der Wildvogelpopulation präsent, das hat uns auch der Fall in einem Truthahnbestand in Böhmen letzte Woche gezeigt», sagt Institutspräsident Thomas Mettenleiter. Von hier könnte das Virus auch seinen Weg nach Nürnberg gefunden haben. Genaueres werden aber erst die epidemiologischen Untersuchungen vor Ort und ein genetischer Fingerabdruck zeigen. «Und bis wir den haben, dauert es noch ein bisschen.» Ebenso wenig überrascht ist Mettenleiter über den Zeitpunkt des Ausbruchs. «Es gibt keine jahreszeitliche Kappungsgrenze.» Es wird zwar angenommen, dass sich das Virus im Winter besser verbreiten kann, weil sich die Wasservögel dann oft eng zusammengedrängt auf eisfreien Flächen sammeln. Die Aktivität des Erregers hänge aber grundsätzlich nicht von der Jahreszeit ab. «Es lässt sich weder zeitlich noch räumlich vorhersagen, wo H5N1 auftritt.»
Erstmals wurde der Erregertyp 1997 in Hongkong beobachtet. 2003 begann der Seuchenzug des ersten hochgradig tödlichen Virus, das bei Wildvögeln aufgetaucht ist und sich mit ihnen seither über riesige geographische Räume verbreitet, um weltweit immer wieder die Nutzgeflügelbestände zu bedrohen. Ob H5N1 überhaupt einmal in den Griff zu bekommen ist, kann niemand abschätzen.
Kein Grund zur Panik
Einen Grund zur Panik sieht Mettenleiter aber auf keinen Fall. Der neuerliche Ausbruch in Nürnberg sei bislang «ein lokal begrenztes Geschehen». Dementsprechend gebe es auch keinen Grund für eine erhöhte Risikowarnung. Und: «Es handelt sich hier in erster Linie um eine Tierseuche», unterstreicht Mettenleiter. Nur bei sehr engem Kontakt mit infiziertem Geflügel sei überhaupt eine Ansteckung des Menschen möglich.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt bislang rund 300 solcher Fälle - innerhalb der letzten zehn Jahre. Meldungen des WHO-Referenzlabors für Vogelgrippe in Padua und der University of Maryland, wonach es Anzeichen dafür gebe, dass das Virus mutieren und so künftig leichter den Sprung über die Speziesbarrieren hinweg schaffen könnte, will Mettenleiter nicht kommentieren.
Weil sich Influenza-Viren in unglaublicher Geschwindigkeit vermehren, «gehört die ständige Veränderung dazu». Daraus ließe sich aber noch lange keine direkte Gefahr für den Menschen ableiten. Neben der Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs gegen die Vogelgrippe sieht Mettenleiter in diesem Bereich aber einen Schwerpunkt künftiger Forschungsarbeit am FLI.
Wie wichtig diese Themen für die Zukunft sind, hat auch der Bund erkannt. Millionen wurden bereitgestellt, und im September sollen auf der Insel die Bauarbeiten für neue Labors beginnen, die das FLI zu einem weltweit führenden Zentrum der Tierseuchenforschung machen sollen.