Neuer Koalitionsvertrag

Von Cannabis bis Heizungsgesetz: Diese Ampel-Gesetze will die neue Regierung wieder abschaffen

Erik Thieme

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12.04.2025, 05:00 Uhr
Söder und Merz sparten während ihrer Zeit in der Opposition nicht mir Kritik an Projekten der Ampel-Regierung.

© IMAGO / Funke Foto Services / Emmanuele Contini Söder und Merz sparten während ihrer Zeit in der Opposition nicht mir Kritik an Projekten der Ampel-Regierung.

Von 2005 bis Ende 2021 war die Union nicht nur durchgehend Teil der deutschen Bundesregierung, sie stellte mit Angela Merkel 16 Jahre lang auch die Kanzlerin. Ab 2021 fanden sich Söder, Merz und Co. jedoch in der ungewohnten Rolle der Opposition wieder. In dieser Zeit übten sich die Politiker in Kritik an vielen Vorhaben und Plänen der Ampel-Regierung.

Tatsächlich stießen SPD, Grüne und FDP in knapp dreieinhalb Jahren Ampel-Regierung zahlreiche Änderungen an, von der Teil-Legalisierung von Cannabis bis hin zur neuen Bürgergeld-Regelung. Im Wahlkampf kündigten CDU und CSU dementsprechend an, zahlreiche dieser Neuerungen wieder umkehren zu wollen, Ministerpräsident Markus Söder sprach sich gar für eine Rückkehr zur Atomkraft aus. Doch nicht alle dieser Forderungen finden sich auch im Koalitionsvertrag der neuen Regierung aus Union und SPD wieder.

Heizungsgesetz

Das Heizungsgesetz wird in erster Linie mit dem ehemaligen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Verbindung gebracht und ist vielen Ampel-Gegnern schon seit Jahren ein Dorn im Auge. Auch die Union arbeitete sich immer wieder am Gebäudeenergiegesetz (GEG), wie es eigentlich heißt, ab. "Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen", heißt es deshalb wenig überraschend im Koalitionsvertrag der neuen Regierung.

Damit ist aber nur der von Grünen, FDP und SPD hinzugefügte Teil gemeint. Das Gebäudeenergiegesetz wurde nämlich bereits unter Merkel beschlossen und später lediglich verschärft. Die neue Regelung soll demnach "technologieoffener, flexibler und einfacher" werden.

Atomkraft

Der Ausbau von erneuerbaren Energien war eines der zentralen Elemente der Regierung unter Olaf Scholz (SPD). Markus Söder hingegen brachte 2023 eine Rückkehr zur Atomkraft ins Spiel, sollte seine Partei an der Regierungsbildung beteiligt sein - 2011 hatte er noch mit einem Rücktritt gedroht, sollte sich der Atomausstieg bis nach 2022 ziehen. Von all dem findet sich nichts im Koalitionsvertrag von SPD und Union.

Stattdessen wollen die Parteien die Fusionsforschung stärker fördern und in Deutschland den ersten Fusionsreaktor der Welt bauen. Während bei der Kernspaltung Energie durch Spaltung schwerer Atome wie Uran gewonnen wird, werden bei der Kernfusion leichte Atome zu schwererem Helium verschmolzen. Bislang gibt es einen solchen Reaktor noch nicht, auch nicht außerhalb der Bundesrepublik. Markus Söder hat seine Forderungen inzwischen öffentlich wieder einkassiert.

Bürgergeld

Das Bürgergeld soll es in seiner jetzigen Form nicht mehr geben, darauf haben sich Union und SPD geeinigt. Stattdessen soll das System zu einer Art "Grundsicherung für Arbeitssuchende" umgebaut werden. Im Klartext bedeutet das, dass Arbeitslosen vermehrt Jobs vermittelt werden sollen, statt ihnen Aus- oder Weiterbildungen anzubieten. Außerdem sollen finanzielle Leistungen "schneller, einfacher und unbürokratischer" gestrichen werden. Dabei soll die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019 beachtet werden. Damals entschieden die Karlsruher Richter, dass das Arbeitslosengeld nicht um mehr als 30 Prozent gekürzt werden dürfe.

Vermögende Personen, die arbeitslos werden, sollen darüber hinaus grundsätzlich erst ihre eigenen Rücklagen aufbrauchen, bevor Leistungen gezahlt werden. Die besondere Situation von psychisch Kranken soll besonders berücksichtigt werden. Obendrein sollen geflüchtete Ukrainer keinen Anspruch mehr auf Bürgergeld haben, sondern nur noch auf Leistungen für Asylbewerber, die niedriger ausfallen.

Cannabis-Legalisierung

Gerade die Teil-Legalisierung von Cannabis war für die Union ein großes Thema im Wahlkampf, sowohl Merz als auch Söder sprachen sich dagegen aus und wollten die Regelung rückgängig machen. Doch auch davon findet sich im Koalitionsvertrag nur wenig. In dem Papier ist lediglich festgehalten, dass Union und SPD im Herbst 2025 eine "ergebnisoffene Evaluierung" des Gesetzes planen. Eine solche Evaluierung ist in dem bestehenden Gesetz aber ohnehin vorgesehen.

Lieferkettengesetz

Das Lieferkettengesetz soll die Einhaltung von Menschenrechten bei der Produktion von Produkten gewährleisten - vom ersten bis zum letzten Schritt. Eingeführt hatten es Union und SPD 2021 noch gemeinsam, damals sprach CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller von einem "zentralen Baustein auf dem Weg zu einer gerechteren Globalisierung".

Diesen Baustein wollen die zwei Parteien nun wieder loswerden, im Koalitionsvertrag ist die Abschaffung der nationalen Lieferkettensorgfaltspflicht, wie das Gesetz eigentlich heißt, festgeschrieben. Die europäische Lieferkettenrichtlinie hingegen bleibt bestehen und soll über ein neues "Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung" in Deutschland "bürokratiearm und vollzugsfreundlich" umgesetzt werden.

Änderungen bei Bonpflicht, Einbürgerung und Wahlrecht

Ebenfalls abschaffen will das Bündnis aus SPD und Union die Bonpflicht, die noch unter Merkel eingeführt worden ist. Auch beim Wahlrecht streben die Politiker Veränderung an. Die Ampel begrenzte den Bundestag in seiner Größe und schaffte Überhangs- sowie Ausgleichsmandate ab. Doch obwohl die Auswirkungen sehr gering ausfielen, soll die Reform dem Papier zufolge noch in diesem Jahr wieder rückgängig gemacht werden. Außerdem solle geprüft werden, ob sich das Wahlalter auf 16 Jahre senken lässt.

Grüne, SPD und FDP beschlossen im Sommer 2023, dass besonders gut integrierte Ausländer bereits nach drei statt wie bisher acht Jahren eingebürgert werden können. Union und SPD wollen diese Zeit auf fünf Jahre erhöhen, unabhängig von Sprachkenntnissen oder Leistungen im Beruf.

Genau wie die Teil-Legalisierung von Cannabis soll auch das von der bisherigen Regierung auf den Weg gebrachte Selbstbestimmungsgesetz noch einmal evaluiert werden. Das soll bis spätestens Juli 2026 geschehen. Das seit November 2024 gültige Gesetz soll es trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen vereinfachen, ihren Vornamen sowie ihren Geschlechtseintrag zu ändern. Die künftige Bundesregierung will in der Evaluation vor allem die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, die Fristsetzungen zum Wechsel des Geschlechtseintrags und den wirksamen Schutz von Frauen in den Fokus stellen. Die Rechte von trans- und intersexuellen Personen sollen aber weiterhin bewahrt werden.

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