Von wegen Adieu Zeitumstellung: Ein Ende scheint nicht in Sicht

26.10.2019, 06:00 Uhr
Am kommenden Sonntag werden die Uhren zurückgestellt.

© Sebastian Willnow/dpa Am kommenden Sonntag werden die Uhren zurückgestellt.

Es wird wieder einmal Zeit für eine neue Zeit. Am frühen Sonntagmorgen werden die Uhren um drei Uhr auf zwei Uhr zurückgestellt. Ein Ende dieser Praxis scheint nicht in Sicht. Viele Bürger in der Bundesrepublik und in der EU erinnern sich noch, dass die Gemeinschaft eigentlich die zweimal jährliche Fummelei an den Zeitmessern abschaffen wollte, damit nicht länger das passiert, worüber bei einer aktuellen Umfrage der DAK-Gesundheit viele Deutsche klagten: Demnach gab fast jeder dritte Befragte an, in den Tagen nach der Umstellung auf die Winterzeit Probleme zu haben.

77 Prozent der Betroffenen nannten Gefühle von Müdigkeit und Schlappheit. 41 Prozent gaben an, sich schwerer konzentrieren zu können. Jede Achte leidet sogar an Depressionen. Von daher lag es für die Brüsseler EU-Kommission nahe, das Thema aufzugreifen – zumal Änderungen der Uhrzeit in Europa nur gemeinsam beschlossen werden können. Was dann folgte, hatte brexithafte Züge: Bei einer öffentlichen Konsultation im Sommer 2018 war die Mehrheit der Meinung, man solle die Uhrenumstellung endlich abschaffen. Doch bei der viel wichtigeren Frage, ob die Staaten dann die Sommerzeit oder die im Winter übliche Normalzeit dauerhaft einführen sollten, verfuhr man sich.


Kommentar: Lass doch alles, wie es ist


Die Mitgliedstaaten waren und sind sich einig, dass es nicht zu einem Flickwerk kommen dürfe, bei dem jedes Land seine eigene Tageszeit hat. Mehr als die drei heutigen Zeitzonen soll es in der EU nicht geben. Also verschoben die Minister der Mitgliedstaaten das Aus für die Uhrenumstellung erst mal ins Jahr 2021. Das ist der aktuelle Stand – immer noch.

Auch die Bundesregierung weiß nach Angaben des Wirtschaftsministeriums bisher nicht, in welche Richtung sie sich festlegen soll. Im Dezember kommen die Verkehrsminister der Gemeinschaft wieder zusammen, denn sie sind zuständig. Unklar ist, welche Position dann die neue EU-Kommission unter ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen einnehmen wird. Das Kollegium könnte den bisherigen Vorstoß weiterverfolgen, ändern oder sogar zurücknehmen – was übrigens einer wachsenden Zahl von Regierungen am liebsten wäre.

Immense Probleme

Denn die Probleme bei einer Umstellung wären immens. Nur eines von vielen Beispielen: Hätte die dauerhafte Sommerzeit 2019 in Deutschland gegolten, wäre die Sonne am 1. Januar in Frankfurt/Main erst um 9.24 Uhr auf-, aber schon gegen 17.30 Uhr untergegangen. Wenn eine dauerhafte Winterzeit eingeführt worden wäre, hätte das umgekehrt Folgen für die Sommerabende: Am 1. Juli 2019 wäre die Sonne in Frankfurt statt gegen 21.30 Uhr schon gegen 20.30 Uhr untergegangen, aber bereits um 4.20 Uhr wieder da gewesen.

So würde sich die Zeitumstellung auswirken.

So würde sich die Zeitumstellung auswirken.

EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc heizte die Diskussion noch dadurch an, dass sie auf eine Parlamentsanfrage hin schrieb, in der (möglicherweise längeren) dunklen Zeit im Winter seien Radfahrer und Fußgänger besonders gefährdet und man solle deshalb nach der Abschaffung der Uhrenumstellung über veränderte Schulzeiten nachdenken.

Außerdem häufen sich inzwischen medizinische Studien von Ärzten und Schlafforschern, die vor den Folgen eines unnatürlichen Lebensrhythmus für Mensch und Tier warnen. Denn es gebe so etwas wie eine innere Uhr, so dass wir zum Beispiel den Mittag dann empfinden, wenn die Sonne im Zenit stehe – völlig unabhängig von der geltenden Uhrzeit.

Bisher ist nicht absehbar, welches Land sich am Ende offiziell für welche Zeitzone entscheidet. Erst danach stehen die Gespräche an, bei denen man sich untereinander abstimmen müsste. Bis dahin liegen alle parlamentarischen und gesetzgeberischen Initiativen auf Eis. In Brüssel ahnt man, dass die Frage sehr viel Streit bringen könnte. So ist es dann eigentlich kein Wunder, dass inzwischen mehr und mehr Stimmen laut werden, die die gegenwärtige Lösung – trotz aller belastender Begleiterscheinungen – doch für den besten Weg halten – oder zumindest für den am wenigsten schlechten. Für die Bürger heißt dies jetzt erst einmal: Am kommenden Sonntag werden die Uhren zurückgestellt, am 29. März 2020 wieder nach vorn. Was dann kommt, ist offen.

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