Währungsreform 1948: Fürs Geld gab’s endlich etwas

12.06.2008, 00:00 Uhr
Währungsreform 1948: Fürs Geld gab’s endlich etwas

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Schwarzmarkt blühte

Drei Jahre nach Kriegsende lag das in vier Besatzungszonen aufgeteilte Deutschland noch immer weitgehend in den Trümmern, die Hitlers Krieg aufgetürmt hatte. Die Wirtschaft kam nicht recht in die Gänge. Außer der Schattenwirtschaft: Der Schwarzmarkt blühte. Zentren waren die Großstädte. Doch auch im Raum Nürnberg wurde kräftig gehortet, gehamstert, verschoben und gehandelt. Die alte Reichsmark war längst nichts mehr wert. Es gab Ersatz-Währungen: Zigaretten, Kaffee, Alkohol - alles, was rar und begehrt war, ließ sich eintauschen gegen Lebensmittel oder andere Dinge, die es in den Läden mit ihren meist leeren Schaufenstern schon lange nicht mehr gab.

«Es fehlt an allem«

«Es fehlt an allem, so dass die Verelendung der Bevölkerung weiter fortschreitet«, schrieb der Fürther Landrat Friedrich Hörndlein. Im Januar 1948 gab es Warnstreiks der Gewerkschaften gegen die dramatischen Versorgungs-Engpässe. Am 28. Mai riefen besorgte Mütter in Ansbach am Rande einer Tagung hochrangiger Kommunalpolitiker zum Protest auf: «Bringt euere hungernden Kinder mit«, hieß es auf dem Flugblatt.

Der Volkszorn wuchs auch deshalb, weil die Wirtschaft in der «Bizone« - der Vereinigung der britischen und der amerikanischen Besatzungszone - im Frühjahr 1948 zwar wuchs. Doch an den meisten Menschen ging dieser Aufschwung vorüber.

Ohne Erhard

Die Währungsreform sollte den Wendepunkt markieren - so hatten es sich deren Architekten gedacht, die wochenlang in einer Kaserne in Rothwesten nördlich von Kassel die Details ausarbeiteten. US-Experten, Briten und einige Deutsche saßen dort in Klausur. Ludwig Erhard, damals Chef der Bizonen-Wirtschaftsverwaltung, war nicht dabei - und die Grundidee einer kompletten Währungs-Umstellung stammt auch nicht von ihm, sonden aus den USA.

Dort trieb man die Aktion «Bird Dog« - so der Geheimname der Reform - voran. Die ersten D-Mark-Noten, die eher wie Dollars aussahen, wurden im Frühjahr gedruckt und in 23.000 Stahlkisten heimlich nach Frankfurt/Main gebracht. Gerüchte über das, was da bevorstand, machten schon vor dem Stichtag die Runde. Am 9. Juni reimten die Fürther Nachrichten: «Was bewegt uns heut enorm? Tag und Nacht?! - Währungsreform! Kommt sie heute, kommt sie morgen? Jeder macht sich seine Sorgen. Manchem Mann ist davor bange, manchem währt es viel zu lange.«

Zunächst 40 D-Mark

Am Morgen des 16. Juni fuhren dann schwere Lastwagen vor - an der Fürther Zweigstelle der Reichsbank zum Beispiel. Schnell sprach es sich herum: das neue Geld ist da. Und viele machten sich dran, die Reichsmark-Bestände auszugeben. Am 18. Juni, einem Freitag, wurden die Details der Umstellung bekanntgegeben: Jeder Bewohner der West-Zonen erhält am 20.Juni 40 D-Mark, einen Monat später weitere 20, im Umtausch gegen 40 Reichsmark. Das restliche Altgeld musste bis 26. Juni deklariert und abgegeben werden - es wurde «im Verhältnis von zehn zu eins gegen neue Deutsche Mark getauscht«.

Ein harter Schnitt - vor allem für die kleinen Leute. Denn ihr Erspartes wurde drastisch entwertet, für Ältere zum zweiten Mal nach der Inflation 1922/23. Besonders hart traf die Reform die vielen Vertriebenen und Flüchtlinge, die keinerlei Geldreserven hatten. Das Eigentum an Immobilien, Produktionsmitteln und Waren blieb dagegen verschont.

War die Währungsreform mit dem Stichtag 20. Juni 1948 der Beginn des Wirtschaftswunders? Noch nicht. Zwar füllten sich über Nacht die Schaufenster - am Morgen des 21. Juni, einem verregneten Montag, gab es all das wieder, was vorher unerschwinglich oder gehortet worden war. Doch die 40 D-Mark waren schnell ausgegeben. Und rasch explodierten die Preise - die Löhne konnten da nicht mithalten.

Clevere Firmen-Gründer wie Max Grundig, dessen rasanter Aufstieg sich beschleunigte, profitierten; die Wirtschaft kam in Fahrt. Doch die Volksseele kochte erneut - weil sie nichts spürte vom Aufschwung. «Wenn hier nicht in absehbarer Zeit eine Änderung in der Form Platz greift, dass entweder eine rapide Senkung der Preise oder entsprechende große Lohnerhöhungen folgen, ist der soziale Friede auf das ernsthafteste bedroht«, schrieb Ansbachs OB Körner.

Zugleich stieg nämlich die Arbeitslosigkeit kräftig - in Fürth von 6 Prozent im Januar 1949 auf 13 im September. Erhard war alles andere als populär: Weil er den freien Warenverkehr durchgedrückt hatte samt seiner Härten, wurde er heftig attackiert. Der Fürther selbst sprach vom zweiten Halbjahr 1948 als «einem der dramatischsten in der deutschen Wirtschaftsgeschichte«, notiert der Historiker Hans Woller in seiner exzellenten Studie über «Gesellschaft und Politik in der amerikanischen Besatzungszone: Die Region Ansbach und Fürth 1945-1949«.

Boom durch den Korea-Krieg

Als die Preise galoppierten, mehrte sich die Kritik an Erhard. Höhepunkt der wieder aufkeimenden Proteste, bei denen es erneut zu Tumulten auf Wochenmärkten kam, war ein eintägiger Generalstreik «gegen die Anarchie auf den Warenmärkten und gegen das weitere Auseinanderklaffen von Löhnen und Preisen« am 12. November. Erhards Position festigte sich erst ab 1950 durch den Boom im Gefolge des Korea-Kriegs der USA. Da wurde aus einem sehr zähen Aufschwung das zunächst alles andere als sichere «Wirtschaftswunder«.