Kommentar
Warum Donald Trump leider genau der Präsident ist, den die USA (und die Welt) verdient haben
6.11.2024, 14:04 Uhr"Ich könnte mitten auf der Fifth Avenue stehen und jemanden erschießen, und ich würde keine Wähler verlieren." Erinnern Sie sich noch, was Sie gedacht haben, als Donald Trump diesen Satz in seinem ersten Wahlkampf um das Amt des US-Präsidenten 2016 sagte? Vermutlich machten Sie denselben Fehler wie viele Menschen und relativierten diese Aussage als das großspurige Gerede eines chronischen Egomanen ist, der halt einfach ein bisschen den Kontakt zur Realität verloren hat.
Nun wird Donald Trump - auch wenn es eigentlich nicht zu glauben ist - tatsächlich der 47. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und es zeigt sich: Dieser maßlos arrogante (und, mit Verlaub, komplett hirnverbrannte) Spruch damals war keine Übertreibung, herausgerutscht in der Hitze des Wahlkampfs. Donald Trump ist ein verurteilter Straftäter, der sich in der Zeit seines politischen Wirkens so viele Ausrutscher, Skandale und andere Unerträglichkeiten geleistet hat, dass deren Aufzählung den Rahmen jedes Artikels sprengen würden - und doch wurde er erneut zum Präsidenten gewählt. Und wahrscheinlich wäre das auch passiert, wenn er wirklich jemanden erschossen hätte. Denn Trump wurde nicht Präsident, obwohl er Trump ist, sondern weil.
Natürlich sind die USA ein Land, in dem das Extreme irgendwie schon immer normaler war als in der restlichen Welt: So wurde beispielsweise die Tatsache, dass Trump sein eigenes Soziales Netzwerk "Truth Social" und die dort in die Welt gesetzten Postings "Truths" (also Wahrheiten) genannt hat, obwohl er nachgewiesenermaßen ein pathologischer Lügner ist, fast beiläufig zur Kenntnis genommen. Der ganz normale Wahnsinn eben. George Orwell muss bei der Gelegenheit in seinem Grab rotiert sein.
Gleichzeitig hat Trump aber nichts davon alleine geschafft. Getragen wurde er von einer republikanischen Partei, die sich über Jahre hinweg von der "Grand Old Party" in einen Haufen kreischender Verschwörungsgläubiger und religiöser Fanatiker verwandelt hat, in der gemäßigte Stimmen schon lange keinen Platz mehr haben und kaltgestellt werden. Letztes prominentes Opfer dieser Unterjochungskampagne Trumps und seiner Verbündeter war Liz Cheney, Tochter des ehemaligen Vizepräsidenten Dick Cheney - und eine der lautesten Kritikerinnen von Donald Trump.
Auch der Einfluss der Sozialen Medien war in dem Zusammenhang nicht zu unterschätzen. Und das bezieht sich nicht einmal auf Russlands Dauerpräsidenten Wladimir Putin und seine zahllosen Online-Trolle, die schon seit langer Zeit die Netzwerke mit Desinformation fluten, sondern auch auf Twitter. So dürfte Trump durchaus in die Hände gespielt haben, dass Neu-Besitzer Elon Musk den ehemals beliebten Kurznachrichtendienst innerhalb kürzester Zeit in eine durch rechten Hass und Verschwörungsblödsinn überschwemmte Online-Hölle verwandelt hat, indem er beispielsweise die Accounts ehemals gesperrter Rechtsextremisten wieder freischaltete und die Moderation problematischer Inhalte quasi abschaffte. "Meinungsfreiheit" nennt Musk das - aber letztlich ist das auch nicht verrückter, als Lügen als "Truths" zu bezeichnen.
Trump passt in den globalen Zeitgeist
Abgesehen von all dem, was Trump alles möglicherweise in die Hände gespielt hat, darf man aber eine Sache nicht vergessen: 244 Millionen Menschen waren bei dieser Wahl in den USA wahlberechtigt. Und wie es aussieht, hat gut die Hälfte dieser Menschen (das amerikanische Wahlmänner-System bildet die Verhältnisse der abgegebenen Stimmen ja nicht exakt ab) einem verurteilten Kriminellen ihre Stimme gegeben. Über 100 Millionen Menschen haben sich bewusst dafür entschieden, einen cholerischen, unberechenbaren Egomanen in das (noch!) höchste und wichtigste Amt der Welt zu hieven - und das in einer Zeit, in der es ohnehin schon an allen Ecken und Enden auf dem Planeten brennt. Nicht nur metaphorisch gesprochen, sondern auch ganz real.
Letztlich passt das aber wunderbar zum Zeitgeist, denn die globale Politik kippt immer weiter nach rechts oder sogar ins Irrationale. Demokratien bröckeln, werden von innen heraus ausgehöhlt und in Autokratien verwandelt. Selbst in Deutschland greift eine von mehr und mehr Rechtsextremisten durchsetzte Partei nach der Macht - absurderweise gewählt von den Menschen, die am meisten unter der angestrebten Politik leiden würden.
Insofern ist es falsch, einfach nur auf die USA zu blicken und mit dem Kopf zu schütteln. Es scheint viel mehr so, als habe die Menschheit an sich, konfrontiert mit den zahlreichen Krisen der aktuellen Zeit (bis hin zu einer existenziellen Katastrophe wie dem Klimawandel) beschlossen, sich Stück für Stück des rationalen Denkens zu entledigen. Und angesichts dieser Tatsache bleibt nur zu sagen: Die USA haben leider genau den Präsidenten bekommen, den sie verdient haben. Und die ganze Welt mit ihnen.