Wenn der (Amts)Kirche die Liebe fehlt: Vatikan entfremdet sich von den Menschen
2.4.2021, 11:10 UhrEs gab einmal den Begriff der „Volkskirche“: Eine lange überwältigend große, längst aber schrumpfende Mehrheit gehört(e) einer der großen Kirchen an.
Diese Zeiten sind vorbei. Die Gesellschaft wird weltlicher, individueller. Alle großen Organisationen haben Probleme. In der Pandemie tun sich die Kirchen besonders schwer, weil die für sie so elementare Nähe zu den Menschen physisch nicht möglich ist.
Abschied von der Volkskirche beschleunigt sich
Aktuell jedoch beschleunigt sich der Abschied von der Volkskirche in atemberaubendem Tempo. Und das liegt nicht an den Menschen. Es liegt an der Kirche. Vor allem an der katholischen Amtskirche.
Sie forcierte zuletzt gerade in Deutschland die Entfremdung zwischen Kirchenleitung und Basis drastisch. Wie das Erzbistum Köln und vor allem Kardinal Woelki mit dem Missbrauchs-Skandal umgingen und noch umgehen, empört viele zu Recht.
Seelenfolter statt Seelsorge
„Brüder im Nebel“ hieß die Akte, in der Woelkis Vorgänger Meisner Übergrifflichkeiten festhielt. Brüder im Nebel: eine zynische Verharmlosung von Verbrechen an jenen Seelen, die Kirche eigentlich umsorgen soll. Zu lange betrieben zu viele Seelenfolter statt Seelsorge.
Als die schleppende Aufarbeitung dieses Skandals beleuchtet wurde, kam dann diese Meldung aus Rom: Die Glaubenskongregation des Vatikan verbietet ganz offiziell die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Das offizielle Dokument begründet das „Nein“ sehr ausführlich mit den „Plänen Gottes“ – und zu denen zählen homosexuelle Verbindungen nicht; Gott könne Sünde nicht segnen.
Woher kennt der Vatikan Gottes Pläne?
Darf man fragen, woher die Glaubenskongregation – und auch Papst Franziskus, der dieses für die meisten Menschen entsetzlich kalt wirkende, vor Dogmatismus erstarrende Dokument billigte – ihre felsenfeste Gewissheit nimmt, Gottes Pläne zu kennen?
Darf man darauf verweisen, dass der Kern der christlichen Botschaft doch die unbedingte, bedingungslose Liebe ist, die Jesus vor allem Minderheiten und Geächteten entgegenbrachte?
Unerschütterliche Weltfremdheit
Man darf nicht nur, man muss. Und blickt dann erstaunt bis empört auf solche Entscheidungen einer Kirche, die sich durch ihre selbst gewählte Entfremdung von der Welt um sie herum zusehends isoliert. Viele Gläubige erleben die Amtskirche aktuell als zusehends abgehoben – und als Institution, die keine Liebe ausstrahlt, sondern eine unerschütterliche Weltfremdheit.
Denn selbst die Wucht der Empörung sehr vieler Theologen, Bischöfe und Priester, die auf Distanz zum Vatikan gehen, scheint diesen gar nicht zu erreichen. So erleben wir eine Art innere Erosion, vielleicht Emanzipation der katholischen Kirche in Deutschland.
Alle Menschen gleich behandeln
Ostern ist das Fest der Hoffnung: Möglich, dass sich Pfarrer und Gemeinden Rom widersetzen und tun, was selbstverständlich ist: alle Menschen gleich zu behandeln. Was, wenn genau dies Gottes Plan wäre?
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