Präsenzlehre - aber wie?
Wieder Präsenz in der Uni: Das Schlafanzug-Studium ist Geschichte
3.9.2021, 16:57 UhrDie Zeiten, in denen sich Studierende kurzfristig im Schlafanzug in Vorlesungen einklinken konnten, sind größtenteils vorbei. Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) verkündete am Freitag in München für die Universitäten und Hochschulen die Rückkehr in die Präsenzlehre. Für das kommende Wintersemester, das an den Hochschulen am 4. und an den Universitäten am 18. Oktober beginnt, sei "Präsenzlehre das absolute Muss", so der Minister.
Auch an den Hochschulen gilt ab sofort "3G". Teilnehmer an Vorlesungen und anderen Veranstaltungen müssen entweder geimpft, genesen oder (negativ) getestet sein. So ganz ist noch nicht geklärt, wie man diese Vorgaben besonders an den großen Hochschulen und Unis abwickeln will. Im vergangenen Semestern hätten viele Bildungseinrichtungen schon digitale technische Lösungen mit QR-Codes installiert, sagte der Vizepräsident der Hochschule München Klaus Kreulich. Es müsse aber noch einiges organisiert werden, um "das Vertrauen herzustellen". Kleinere Hochschulen engagierten Security-Personal, berichtete Sibler. Von der "3G"-Regel werde aus rechtlichen Gründen nur bei Prüfungen eine Ausnahme gemacht.
Auch wenn es jetzt für auswärtige Studierende heißt, "Anreise planen, Zimmer mieten" - so der Vizepräsident der Technischen Universität München Gerhard Müller - , so freuten sie sich doch auf die physische Rückkehr auf den Campus, versicherte der Sprecher der bayerischen Landesstudierendenvertretung Paul Thieme. In den drei zurückliegenden von der Corona-Pandemie und digitalen Lehrformen gekennzeichneten Semestern sei viel Alltägliches und Selbstverständliches verloren gegangen, so der Studentenvertreter. Jetzt müsse man sich um diejenigen kümmern, die ihre Hochschule noch kaum von innen gesehen hätten.
"Digitale Inhalte werden fortgeführt"
Dafür soll die Initiative "restart - willkommen zurück" sorgen, die - so Sibler - die Vernetzung, das unmittelbare Miteinander und den persönlichen Austausch aller Hochschulbeteiligten stärken soll. Die mit den Studierenden entwickelten Programme tragen Bezeichnungen wie "HoMecoming", "Campus Live" oder "Welcome Back on Campus". Darunter sind Kennenlern- und Begegnungsveranstaltungen, Vorkurse, zusätzliche Vertiefungs- und Brückenkurse und Übungen sowie zusätzliche Mentonring-, Buddy- und Tutorenprogramme zu verstehen. Dafür stellt der Freistaat für alle Universitäten eine halbe Million Euro zur Verfügung. Das sei ein Beispiel dafür, dass man auch mit relativ wenig Mitteln viel bewegen könne, sagte Sibler.
In der Pandemie sei deutlich geworden, dass Studieren mehr als Lernen und Prüfen ist, sagte Kreulich. Fern-Hochschulen, die zum Beginn der Pandemie als dauerhafte Alternative gepriesen wurden, seien es in Wirklichkeit doch nicht. Dennoch wollen Unis und Hochschulen die digitale Lehre nicht aufgeben und zum nicht digitalisierten vor-Corona-Betrieb zurückkehren. "Digitale Inhalte werden fortgeführt", betonte TUM-Vize Müller. Die Zeiten der "rein digitalen Semester" seien jedoch vorbei, sagte Minister Sibler: Es wird wieder Leben auf dem Campus einkehren."
"Noch viele Unsicherheiten"
Einen Monat vor Start des Wintersemesters an den bayerischen Hochschulen bestehen nach Ansicht der hochschulpolitischen Sprecherin der Landtags-Grünen Verena Osgyan noch viele Unsicherheiten. Das Wintersemester 2021/2022 werde nicht nahtlos an den Vor-Corona-Zustand anknüpfen können, erklärte Osgyan. Es sei unklar, wie es mit den Corona bedingten Nachteilsausgleichen für Studierende weitergehe. Eine ganze Generation von Studierenden nach mittlerweile drei digitalen Semestern könne nicht plötzlich wieder Regel-Studienzeiten unterworfen werden kann, die früher schon sehr eng bemessen waren. Zudem müssten noch zahlreiche geschobene Prüfungen nachgeholt werden, ebenso Praktika und Kurse.
Wie die Grünen begrüßte auch die SPD-Landtagsfraktion den Wiedereinstieg in die Präsenzlehre der Hochschulen. "Damit der Neustart nicht zum Fehlstart wird, muss die Staatsregierung jetzt endlich Verantwortung für die Hochschulen übernehmen und Investitionen in die Präsenzlehre umsetzen", forderte deren wissenschaftspolitischer Sprecher Christian Flisek. Die von Sibler angekündigte Summe von einer halben Million Euro für alle bayerischen Hochschulen mache deutlich, dass die Staatsregierung den Hochschulen in der Corona-Krise keinerlei Priorität einräume. Die aufwändigen Bemühungen der Hochschulen für die Digitalisierung der Lehrangebote und die bevorstehenden Aufgaben bei der Kontrolle der 3G-Regelung müssten weiterhin allein von den Hochschulen finanziert werden. Die SPD-Landtagsfraktion habe in den vergangenen Haushaltsberatungen ein Sofortprogramm für die Digitalisierung an den Hochschulen über 20 Millionen Euro gefordert, das von der Regierungsfraktionen abgelehnt worden sei.
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