Neue Details der Polizei
Nach mutmaßlich islamistischem Anschlag in München: 39 Verletzte und Haftbefehl gegen Täter
16.02.2025, 10:36 Uhr
Nach dem mutmaßlichen Anschlag in München sind weiter viele Fragen vor allem zu den Hintergründen und zum Motiv des Tatverdächtigen offen. Die Polizei gab im Laufe des Wochenendes weitere Details bekannt:
Verletzte: Insgesamt wurden 39 Personen verletzt (Stand: 14. Februar). Eine Zweijährige ist ihren schweren Verletzungen erlegen, teilt das bayerische Landeskriminalamt am Samstag mit. Auch ihre 37 Jahre alte Mutter ist im Laufe des Tages gestorben. Am Nachmittag kam Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Anschlagort und legte eine weiße Rose an einem improvisierten Gedenkort nieder.
Am TUM Klinikum rechts der Isar waren fünf Menschen behandelt worden. Am LMU Klinikum wurden an den beiden Standorten Großhadern und Innenstadt insgesamt 14 Verletzte behandelt. Einige Patienten waren schwer verletzt, vier mussten den Angaben zufolge umgehend operiert werden.
Sechs Personen waren in Notfallzentren der München Klinik in Schwabing und Bogenhausen gebracht worden. Die Verletzungen reichten von leicht bis schwer, sagte ein Sprecher. Drei weitere Verletzte wurden laut einer Sprecherin am Klinikum Dritter Orden behandelt, vier am Rotkreuzklinikum München.
Haftbefehl erlassen: Der Beschuldigte wurde am Freitag um 16 Uhr dem Ermittlungsrichter am Amtsgericht München vorgeführt. Dieser erließ auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft München Haftbefehl gegen den 24-jährigen Afghanen und ordnete die Untersuchungshaft an.
Die Generalstaatsanwaltschaft München wirft dem 24-jährigen Afghanen versuchten Mord in 39 Fällen vor. Sie geht von den Mordmerkmalen der Heimtücke, der niedrigen Beweggründe und gemeingefährlichen Mittel aus.
Polizei äußert sich in Pressekonferenz zu Hintergründen
Hier können Sie die Pressekonferenz der Polizei vom Freitag einsehen:
Gemeinsame Pressekonferenz zum Anschlag vom 13.02.2025 https://t.co/ck2xRzkLyB
— Polizei München (@PolizeiMuenchen) February 14, 2025
Tatverdächtiger: Der 24 Jahre alte Afghane war am Donnerstag festgenommen worden, nachdem er mit einem Auto in eine Gruppe von Demonstranten gefahren war. Dabei hatte die Polizei auch auf seinen Wagen geschossen.
Der 24-Jährige habe keine Vorstrafen, sagte die Leitende Oberstaatsanwältin Gabriele Tilmann in München. Es habe nur einmal in Bayern ein Verfahren wegen Arbeitsamtsbetrugs gegeben. Er habe sich arbeitslos gemeldet, dann eine Tätigkeit begonnen und sich nicht rechtzeitig wieder abgemeldet, sagte Tilmann. Das Verfahren sei gegen eine Geldauflage eingestellt worden, weil es nur ein sehr kurzer Zeitraum gewesen sei. Dies sei das einzige Ermittlungsverfahren in Bayern gewesen, das es gab.
"Der Täter kam 2016 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland", erklärt Gabriele Tilmann. Wie aus einem Gerichtsurteil gegen die Ablehnung seines Asylantrags aus dem Oktober 2020 hervorgeht, soll er über seine Fluchtgeschichte gelogen haben. Im April 2021 erließ die Stadt München jedoch einen Duldungsbescheid und im Oktober 2021 eine Aufenthaltserlaubnis für den 24-Jährigen. Der 24-Jährige hatte zudem eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, so war er zuletzt als Ladendetektiv beschäftigt und lebte in einer Mietwohnung in München.
Verdächtiger äußert sich in Vernehmung
Motiv: Die Ermittler gehen von einem islamistischen Motiv des Autofahrers aus. Das sagte die Leitende Oberstaatsanwältin der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) der Generalstaatsanwaltschaft München, Gabriele Tilmann. Es gebe aber bisher keine Hinweise darauf, dass der 24 Jahre alte Afghane in ein Netzwerk wie den IS eingebunden gewesen sei.
Als Anhaltspunkte für eine islamistische Motivation nannte Tilmann unter anderem die Aussage von Polizisten, der Fahrer habe nach der Tat "Allahu Akbar" gerufen.
Genauere Details zum Motiv und warum der Verdächtige genau die Verdi-Demo für seine Tat ausgesucht hatte, seien bislang aber noch unklar. "Wir sind gerade dabei, die elektronischen Medien auszuwerten und die Aktivitäten auf Social Media zu prüfen", so Tilmann. In den Sozialen Netzwerken habe sich der 24-Jährige als Athlet und Fitness-Model bezeichnet, postete verschiedene Beiträge auch mit religiösem Bezug. "Es gibt auch WhatsApp-Chats in denen sich der Täter religiös äußerte", so Tilmann weiter.
Hinweise auf eine psychische Erkrankung des Verdächtigen liegen der Polizei derzeit nicht vor. "Es gibt derzeit keine Anhaltspunkte, dass der Mann psychische Probleme hatte, die Auswirkungen auf die Tat hatten", so Tilmann.
Erste Vernehmung: Er habe in einer Vernehmung auch eingeräumt, den Wagen absichtlich in das Ende eines Verdi-Demonstrationszugs gesteuert zu haben. Die Aussagen deuteten auf eine religiöse Motivation hin, sagte Tilmann.
Zwar stünden die Ermittlungen noch am Anfang, betonte Tilmann. Sie traue sich aber, nach derzeitigem Stand von der Annahme eines islamistischen Hintergrunds zu sprechen.
Ermittlungen: Aufgrund der besonderen Bedeutung des Falls übernahm die Bundesanwaltschaft am Freitagabend die Ermittlungen. "Es besteht der Verdacht, dass die Tat religiös motiviert war und als Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung zu verstehen ist", teilte die oberste Anklagebehörde in Deutschland in Karlsruhe mit. Die Tat sei geeignet, die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen. Die kriminalpolizeilichen Ermittlungen führt weiter das Bayerische Landeskriminalamt.
Wie Vizepräsidenten des LKA, Guido Limmer, erklärt, wurde inzwischen eine Soko mit dem Namen "Seidelstaße" gegründet, welche derzeit aus 140 Beamtinnen und Beamten besteht. Die Polizei ist unter anderem gerade dabei zahlreiche Videos vom Tatort auszuwerten "Über 50 Videos sind schon vorhanden", so Limmer weiter.
Auch die Auswertung des Handys des Beschuldigten sei bereits nachts gestartet, die Kommunikation habe vor allem in arabischer Sprache stattgefunden. In einem Chat mit einem Angehörigen soll sich der 24-Jährige verabschiedet haben mit den Worten "vielleicht bin ich morgen nicht mehr da!".
Konkret habe er sich allerdings in den Chatverläufen nicht zu Tat geäußert. Auch die Wohnungsdurchsuchung habe bislang noch keine konkreten Anhaltspunkte für die Tat gebracht.
Gab es Mitwisser?: Der Verdächtige sei laut Polizeiangaben bei der Ausführung der Tat alleine gewesen. Derzeit würden seine Kontakte überprüft. Ziel sei es herauszufinden, ob weitere Menschen von der Tat Kenntnis hatten oder involviert waren. "Wir werden weiter versuchen, die Persönlichkeit des Täters aufzuklären und die Umstände der Tat insbesondere der Tatmotivation aufzuklären", betont Tilmann.
Dieser Artikel wurde am 16. Februar um 10.35 Uhr aktualisiert.
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