Experten warnen

Nahrungsergänzungsmittel können der Leber schaden - das müssen Sie beachten

Vivien Renner

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22.11.2024, 18:15 Uhr
Die Nachfrage nach Nahrungsergänzungsmitteln ist in den letzten Jahren stark gestiegen. (Symbolbild)

© IMAGO Die Nachfrage nach Nahrungsergänzungsmitteln ist in den letzten Jahren stark gestiegen. (Symbolbild)

Mehr als 75 Prozent der Deutschen konsumieren Nahrungsergänzungsmittel. Das bestätigt die Datenbank Statista. Am weitesten verbreitet sind dabei Vitamine (61 Prozent) und Mineralien (36 Prozent). Dahinter folgen Proteine, die jeder Vierte einnimmt. 15 Prozent nutzen pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel. Doch was die wenigsten wissen: Nahrungsergänzungsmittel können der Leber schaden.

Kurkuma, Traubensilberkerze und Grüntee als Extrakte sollen lebertoxisch wirken, ebenso Auszüge aus Garcinia cambogia, auch als Tamarinde bekannt, Rotschimmelreis und das ayurwedische Ashwagandha. Das erforschte die Nationale Gesundheits- und Ernährungsuntersuchung in den USA. Etwa jeder fünfte Leberschaden geht in den Vereinigten Staaten auf Supplemente oder pflanzliche Arzneimittel zurück.

Beispiel Kurkuma

Das goldgelbe Gewürz findet man in jedem Curry. Bekannt ist Kurkuma außerdem für den Wirkstoff Curcumin aus der Kurkuma-Wurzel. Diesem werden viele positive Einflüsse auf die Gesundheit nachgesagt: Alzheimer, Schlaganfälle, Verdauungsbeschwerden, Krebs, chronische Entzündungen und Gelenkschmerzen soll er lindern können. Wissenschaftlich belegt ist bisher jedoch nur Folgendes: Kurkuma soll leichte Magen-Darm-Beschwerden wie Blähungen und Völlegefühl lindern können. In Indien wird es bereits seit Jahrtausenden erfolgreich bei Magen-Darm-Entzündungen eingesetzt. Egal ob frisch oder getrocknet und zu Pulver gemahlen: Die Kurkuma-Wurzel enthält nur etwa sechs Prozent Curcumin. Jedoch ist dieser Wirkstoff nicht wasserlöslich. Folglich gelangt nur etwa ein Prozent dieser geringen Menge aus dem Verdauungstrakt ins Blut.

Die Gefahr bei Kurkuma-Kapseln

Durch Kurkuma-Kapseln ist es möglich, eine höhere Dosis von Curcumin in den Blutkreislauf aufzunehmen. Dafür werden verschiedene Verfahren eingesetzt, um die Stabilität des Curcumin und seine Löslichkeit zu erhöhen. Bei Curcumin-Präparaten funktioniert das oft mit Piperin. Es blockiert die abbauenden Enzyme im Darm und ermöglicht so, dass mehr Curcumin durch die Darmschleimhaut in den Blutkreislauf gelangt. Das hat den Vorteil, dass Curcumin schneller dorthin gelangt, wo es gebraucht wird, wie zum Beispiel in schmerzende Gelenke. Doch Vorsicht: Für Curcumin empfiehlt das BfR, langfristig nicht mehr als drei Milligramm pro Kilo Körpergewicht am Tag zu sich zu nehmen, für eine 80 Kilogramm schwere Person sind das 240 Milligramm pro Tag. In Nahrungsergänzungsmitteln lässt sich aber häufig viel mehr finden. Es gibt Kapseln mit einem Gehalt von 400 Milligramm, manchmal auch 1.000, mit der Empfehlung, gleich mehrere Kapseln pro Tag einzunehmen.

Besondere Vorsicht ist deshalb bei billigen Curcumin-Kapseln unbekannter Herkunft geboten. Denn oft ist die Dosierung des Wirkstoffextrakts nicht eindeutig, sie schwankt oder der Wirkstoff fehlt sogar komplett. Auch die sonstigen Inhaltsstoffe sind bei diesen Produkten oft nicht vollständig aufgelistet. "Wir haben Fälle, wo in Curcumin-Kapseln oder Ashwagandha-Kapseln Schmerzmittel drin waren, damit man sich besser fühlt", erklärt der Leberexperte Rainer Günther vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel.

Wer beispielsweise Gerinnungshemmer, Chemotherapeutika oder Medikamente gegen Lebererkrankungen einnimmt, darf keinesfalls auf eigene Faust Curcumin-Präparate verwenden, da Curcumin die Wirksamkeit von Medikamenten beeinflussen und zu massiven Leberschäden führen kann. "Curcumin zum Beispiel wirkt direkt im Darm mit bestimmten Krebsmedikamenten und kann deren Wirkung abschwächen, was keiner will. Oder es kann die Wirkung verstärken, sodass es zu mehr toxischen Effekten dieser Krebsmedikamente kommt", warnt Professor Martin Smollich, Pharmakologe am Institut für Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck.

Auch Schwangere, Stillende und Menschen, die unter Gallensteinen leiden, sollten auf Curcuma-Extrakte verzichten, denn diese fördern die Gallensaftproduktion und können im schlechtesten Fall eine Gallenkolik auslösen. Für das Gewürz Kurkuma gilt diese Warnung allerdings nicht.

Grundproblem bei Nahrungsergänzungsmitteln

Nahrungsergänzungsmittel sind lediglich Lebensmittel. Das schreibt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Nur wenigen ist bewusst: Bevor ein Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt kommt, findet keine Prüfung oder Genehmigung durch eine Behörde statt. Das bedeutet, dass Lebensmittelunternehmer selbst für ihre Nahrungsergänzungsmittel verantwortlich sind, auch hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Unbedenklichkeit.

Aus diesen Gründen ist es sehr schwer, die Nebenwirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln systematisch zu erfassen. Deshalb rechnen die Experten der Fachzeitschrift Arznei-Telegramm von einer hohen Dunkelziffer von Gesundheitsschäden.

Wegen der schlechten Datenlage kann das BfR bei Traubensilberkerzenextrakt, das gegen Wechseljahresbeschwerden helfen soll, oder beim Schlafbeeren-Präparat Ashwagandha, das gegen Angstzustände und Schlafstörungen genommen wird, keine Höchstmengen-Empfehlung geben - obwohl gesundheitliche Risiken der Stoffe gefunden wurden.

Fettleber-Epidemie kann Lage verschlimmern

Knapp ein Viertel aller Erwachsenen in Deutschland leidet an einer Fettleber - und die Zahl nimmt stetig zu. Ursachen sind die falsche Ernährung, vor allem zu viele Kohlenhydrate, mangelnde Bewegung, Übergewicht, Alkoholmissbrauch und bestimmte Medikamente. Bei einer Fettleber verhärtet und entzündet sich das Organ. Damit steigt das Risiko für einen toxischen Effekt und die Leber kann nicht mehr ausreichend entgiften. "Durch die Vorschädigung reichen zusätzliche Schädigungen aus, dass dann die noch gut arbeitenden Zellen komplett abgetötet werden", warnt der Hepatologe Rainer Günther vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel.

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