Ständige Abschiede
Wie sich Paare richtig trennen: Das rät eine Nürnberger Therapeutin
20.5.2022, 06:00 UhrEine Trennung tut weh, sie fällt niemandem leicht. Wir haben Angst davor, Abschied zu nehmen, alleine zu sein und auch Angst davor, mit dem Verlust umgehen zu müssen. "Viele Menschen wissen nicht, wie Trauerarbeit wirklich funktioniert", sagt die Nürnberger Paartherapeutin Eva-Maria Hesse.
Dabei kommt es natürlich auch darauf an, von welcher Seite wir auf die Trennung blicken. War die Entscheidung einvernehmlich und sehen beide Partner die Beziehung gleichermaßen am Ende? War es meine Entscheidung, oder wurde ich womöglich verlassen?
Letzteres ist für die meisten schlimmer, denn die Entscheidung des anderen kränkt uns. Was hat das mit mir zu tun, warum hat er oder sie sich so entschieden? "Je geringer das eigene Selbstbewusstsein ist, desto eher sucht man die Schuld bei sich selbst", sagt Hesse.
Kontrollverlust
Dass jemand anders über das eigene Leben entscheidet, lässt das Gefühl eines Kontrollverlustes entstehen. Manche quält auch die Frage, was andere – etwa Freunde – darüber denken, dass man verlassen wurde.
Doch wann ist der Zeitpunkt gekommen, getrennte Wege zu gehen? Idealerweise sollte das Beziehungsende für keinen Part überraschend kommen. "Eine Trennung ist immer schwer und traurig", sagt Hesse, "aber wenn die Partner gemeinsam versucht haben, die Probleme in der Beziehung zu lösen, fällt es womöglich leichter."
Laut Hesse sollte ein Paar erst dann auseinandergehen, wenn beide versucht haben, die Krise zu bewältigen, dies aber nicht geklappt hat. Aber auch, wenn ein Partner nicht über entstandene Verletzungen hinwegkommen kann oder das Vertrauen unwiederbringlich verloren gegangen ist.
Verlassen zu werden, ist schmerzhaft, doch auch das "Schluss machen" ist nicht einfach. Den Entschluss zu treffen, ist eine Sache, die Umsetzung eine andere. "Natürlich sollte man niemals per SMS oder während eines Telefonats eine Beziehung beenden", sagt die Paartherapeutin. Aber auch abgesehen davon gebe es kaum eine "schonende" Art und Weise.
Keine unnötige Hoffnung
Egal wie – für fast jeden ist so eine Nachricht schlimm und schwierig zu verdauen. Viele fühlen sich daher schlecht damit, das Gegenüber zu verletzen oder haben Angst, was aus dem Anderen werden könnte, wenn man ihn verlässt.
Ist das der Fall, gibt Hesse den Tipp, sich bewusst zu machen, dass Trennungen nun mal ein Teil des Lebens sind. Ab einem gewissen Punkt heißt es, die Verantwortung für den anderen Menschen abzugeben.
Man kann allerdings durchaus versuchen, es sich und dem anderen nicht zu schwer zu machen. Das heißt, dem Lebensgefährten oder Ehepartner keine unnötige Hoffnung zu machen und die Möglichkeit zu geben, Distanz zu schaffen.
"Es gibt immer wieder Menschen, die aus schlechtem Gewissen dem anderen eine Freundschaft anbieten", sagt die Nürnbergerin. Das kann funktionieren, ist aber eher selten der Fall. Davor sei es definitiv ratsam, sich erst einmal voneinander zu entfernen, um sich dann – auf einer anderen Basis – wieder anzunähern. Das gelte laut Hesse auch für Partner, die obendrein Kollegen sind oder demselben Hobby nachgehen.
Übrigens: Das Gefühl, Männer gingen mit Trennungen anders um als Frauen, kann auch die Paarberaterin bestätigen: "Leider ist es immer noch so, dass Jungen eher dazu erzogen werden, Gefühle wie Trauer nicht zu zeigen." Tendenziell verdrängen Männer den Schmerz demnach schneller und beginnen früher als Frauen, nach einer potenziellen Ablenkung zu suchen.
Und das sei bei verschiedenen Arten von Trennungen der Fall. Denn Verlust entsteht nicht nur mit dem Ende einer Beziehung, sondern immer, wenn wir etwas "verlieren", das uns gefällt oder uns etwas bedeutet.
Ständig Abschied nehmen
Wir müssen ständig Abschied nehmen. Sei es nach einem schönen Urlaub, wenn wir zum letzten Mal am Strand entlanglaufen und gar nicht mehr nach Hause möchten. Aber auch, wenn wir uns von jemandem verabschieden, den wir für längere Zeit nicht sehen werden. Schlimmer wird es für uns, wenn der Abschied für immer ist, weil jemand stirbt, den wir lieben.
Damit wir so etwas überstehen können, müssen wir uns im Vorhinein so gut wie möglich vorbereiten und versuchen, Trauerarbeit zu üben. Das können wir beispielsweise bei "kleinen" Trennungen wie nach dem Urlaub. Beim Abschiednehmen helfe es sehr, sich die Trauer zuzugestehen und sich ihr hinzugeben.
Konkret bedeutet das bei einer Trennung, sich selbst die Zeit für die Trauer zu geben. Das heißt nicht, sich alleine im dunklen Zimmer zu isolieren. Sondern darauf zu vertrauen, selbst zu wissen, wie viel Zeit man benötigt und es sich nicht von Freunden oder der Familie sagen zu lassen.
Wer Angst davor hat, in seiner Trauer zu ertrinken, sollte sich gezielt Momente nehmen. Das kann helfen, lang vergangene Verluste zu verarbeiten. Die Nürnbergerin rät, sich Zeit zu nehmen, zum Beispiel eine halbe Stunde, dann den Wecker stellen und sich in diesen 30 Minuten dem Gefühl hingeben. Danach heißt es dann aber: zurück in den Alltag. So könne man Trauerarbeit leisten, ohne vollkommen darin aufzugehen.
"Wenn ich weiß, dass ich mit einer Trennung umgehen kann, fällt die Angst davor weg", sagt Hesse. Und das gebe einem selber die Kraft zu entscheiden, ob einem eine Beziehung noch gut tut und sie, im Zweifelsfall, ohne Sorge zu beenden.
Dazu sollte jeder wissen, dass er oder sie auch unabhängig vom Partner ein gutes Leben führen könne, sagt die Paartherapeutin. Dafür müsse man an einem gesundem Selbstwertgefühl arbeiten, um mehr Vertrauen in sich selber zu besitzen.
Und, so Hesse, auch wenn das am Anfang noch nicht leicht fällt, heiße das nicht, dass man sich nicht verändern und weiterentwickeln könne.
Auch unser Podcast "heiß & innig" hat sich mit dem Thema Trennung auseinandergesetzt. Die Folge ist in diesem Text verlinkt, ihr hört sie aber auch auf allen gängigen Playern wie Spotify und unter nordbayern.de/podcast
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