Über 30 Jahre geforscht
Zusammenhang von Milchkonsum und Herzleiden bei Frauen? Schwedische Forscher veröffentlichen Studie
10.11.2024, 18:22 Uhr"Trink deine Milch, die ist gut für die Knochen." Diesen oder ähnliche Sätze werden die Meisten von uns schon einmal in ihrer Jugend gehört haben. Für diejenigen, die nicht an Laktoseintoleranz leiden, dürfte die Befolgung des elterlichen Rats - Genuss am Verzehr der Flüssigkeit vorausgesetzt - nicht allzu schwer gewesen sein. "Ab dem Kindesalter, aber auch für Jugendliche und Erwachsene ist Milch ein hochwertiges Lebensmittel, das eine Vielzahl von Nährstoffen enthält, und zwar in einer für den Menschen gut zu verwertenden Form", schreibt das Bundesamt für Ernährung und Landwirtschaft. Natürlich gilt auch hier (frei nach der Überlieferung zum Orakel von Delphi) medèn ágan - Alles in Maßen.
Schwedische Forscher haben sich in zwei ausführlichen Studien, die vor 37 Jahren begannen, auf interessante Weise dem Thema genähert und herausgefunden: Ein hoher Milchkonsum bei Frauen steht im Zusammenhang mit einem höheren Risiko für Herzerkrankungen. Ihre Studienergebnisse wurden jüngst im Fachjournal "BMC Medicine" veröffentlicht. Über 100.000 Frauen und Männer wurden wiederholt Messungen von Ernährungs- und Lebensstilfaktoren sowie Blutmessungen unterzogen, wie das Science Media Center Germany (SMC) berichtet. Doch es lohnt ein genauerer Blick, um die Zusammenhänge korrekt einzuordnen.
Die Testpersonen, die Karl Michaëlsson und seine Kolleginnen und Kollegen in ihrer Studie untersuchten, litten zu Beginn im Jahr 1987 "weder an Herzinsuffizienz noch an Krebs", heißt es in der Mitteilung des SMC. Sie wurden demnach wiederholt auf Faktoren wie Alkoholkonsum, Raucherstatus und weitere Gewohnheiten untersucht und gaben an, wie viel fermentierte und nicht fermentierte Milchprodukte sie durchschnittlich pro Tag zu sich nehmen. Das Ergebnis: Frauen, die viel Milch trinken, tragen ein höheres Risiko, an einem Herzleiden zu erkranken. Während der 33-jährigen Nachbeobachtungszeit traten in der Studiengruppe demnach insgesamt 17.896 Fälle von koronarer Herzkrankheit auf, darunter 10.714 Herzinfarkte.
Bei einer Ischämie liegt eine Verengung der Herzkranzgefäße vor. Bei Frauen war der Verzehr von mehr als 300 Milliliter Milch pro Tag mit einem erhöhten Risiko für ischämische Herzkrankheiten verbunden - bei 800 Milliliter sogar ganze 21 Prozent. Ein ähnlicher Zusammenhang wurde für das Risiko eines akuten Herzinfarkts festgestellt. Dennoch hält Prof. Esther López-García, Professorin für Präventivmedizin und öffentliche Gesundheit an der Universität von Madrid fest: "Milchprodukte sind eine wichtige Quelle von Proteinen mit hohem biologischen Wert, Kalzium und anderen Mineralien, den Vitaminen A, D, B6 und B2 sowie gesättigten Fetten." Es gilt also, wie Eingangs erwähnt, Maß zu halten, dann besteht keine Gefahr. Für fermentierte Milchprodukte wie Joghurt und Kefir konnten die Wissenschaftler übrigens keinen Zusammenhang herstellen - bei Männern waren gar keine signifikanten Risikoerhöhungen feststellbar.
Wichtiges Detail
Auffällig ist: Der Milchverbrauch in Deutschland ist seit Jahren rückläufig. Im Jahr 2023 waren es hierzulande 46 Kilogramm pro Kopf – das entspricht etwa 126 Gramm oder Milliliter pro Tag, wie das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung in einer Mitteilung Anfang des Jahres erklärt hat. Laut Nationaler Verzehrsstudie, deren Daten 2005 und 2006 erhoben wurden, konsumieren hierzulande Frauen täglich 98 Gramm Milch. Hier liegt das entscheidende Detail versteckt, denn in Skandinavien wird deutlich mehr Milch verzehrt. Daher sind die Ergebnisse für deutsche Frauen nur dann von Bedeutung, wenn sie schwedische Mengen von über 300 Milliliter Milch pro Tag konsumieren.
Prof. Dr. Matthias Schulze, Leiter der Abteilung Molekulare Epidemiologie am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke erklärt: "Da die Risikoerhöhungen nur bei sehr hohen Konsummengen beobachtet wurden, die in Skandinavien eher anzutreffen sind als anderswo, betreffen die Ergebnisse die meisten Konsumentinnen in Deutschland wohl nicht." Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt demnach eine Menge von zwei Portionen Milchprodukten pro Tag - dazu zählen laut Schulze sowohl nicht-fermentierte Milch, als auch fermentierte Milchprodukte.