Fahren unter Drogeneinfluss
Cannabis wird legalisiert – aber nicht beim Autofahren!
13.4.2023, 12:36 UhrBei Kirsten Kappert-Gonther war die Freude groß. „Ein verspätetes Osterei liegt im Hanfnest“ twitterte die Medizinerin und Gesundheitspolitikerin der Grünen. Anlass des Tweets waren die Pläne zur Cannabis-Legalisierung, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) gestern in Berlin vorgestellt haben.
So weit wie ursprünglich von der Ampel-Koalition geplant, geht das Vorhaben zwar nicht. In einem ersten Schritt soll es aber zumindest erlaubt werden, privat bis zu drei Pflanzen für den Eigengebrauch zu ziehen sowie als Mitglied eines Klubs gemeinschaftlich Cannabis anzubauen und dann zu beziehen. Ferner sollen 25 Gramm „Genusscannabis“ zum Eigenkonsum straffrei bleiben. Ein nächster Schritt sieht vor, dass die Droge in lizenzierten Fachgeschäften gekauft werden kann, allerdings nur im Rahmen von Modellprojekten in bestimmten Regionen.
Psychoaktiver Wirkstoff
Die neue Großzügigkeit bedeutet aber nicht, dass man sich nun bekifft hinters Steuer setzen dürfte. Dass sich Autofahren und Cannabiskonsum keinesfalls vertragen, liegt an dem psychoaktiven Wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol). Wie Alkohol beeinflusst auch THC die Fahrtüchtigkeit, allerdings auf andere Weise. Beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) ist von starker Blendung durch Lichtquellen die Rede, von Euphorisierung mit erhöhter Risikobereitschaft, Gleichgültigkeit gegenüber Gefahren, fehlender Wahrnehmung von Menschen am Straßenrand und von verlängerten Reaktionszeiten.
Und es gibt noch einen gravierenden Unterschied zu Alkohol: Der Cannabis-Wirkstoff THC verschwindet ungleich langsamer aus dem Körper. Während bei Alkohol die (nicht verlässliche!) Faustregel gilt, wonach pro Stunde etwa 0,1 bis 0,2 Promille abgebaut werden, kann es selbst bei einmaligem Cannabis-Konsum einen Monat dauern, bis keine Abbauprodukte mehr im Blutserum nachweisbar sind. Regelmäßige Konsumenten sind womöglich erst nach drei Monaten oder noch später wieder „clean“. 24 Stunden sind das Mindeste, was schon ein einmaliger Kiffer abwarten sollte, bevor er sich wieder ans Lenkrad setzt – in erster Linie aus Verantwortungsbewusstsein, aber auch, um seinen Führerschein nicht zu gefährden.
Geregelt im Straßenverkehrsgesetz
Dass Autofahren nach Cannabis-Konsum verboten ist, regelt Paragraf 24 a des Straßenverkehrsgesetzes. Wiederum im Unterschied zu Alkohol, wo ab 0,5 Promille – und bei fahrtechnischen Ausfallerscheinungen schon darunter – Konsequenzen drohen, gibt es im Falle von Cannabis aber keine gesetzlich festgelegten Grenzwerte. Orientierung liefert jedoch die Rechtsprechung. In aller Regel wird in Deutschland ab einem Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum von einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit ausgegangen. Nur der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat zwei Nanogramm toleriert.
Die Strafen sind hart. Wie hart, hängt davon ab, wie oft sich jemand schon eines Drogendelikts im Straßenverkehr schuldig gemacht hat. Beim ersten Mal ist mit 500 Euro Bußgeld, zwei Flensburg-Punkten und einem einmonatigen Fahrverbot zu rechnen. Beim zweiten Mal werden 1000 Euro, wiederum zwei Punkte sowie drei Monate ohne Führerschein verhängt. Im Vergleich dazu steigt beim dritten Mal „nur“ das Bußgeld auf 1500 Euro.
MPU angeordnet
Zudem wird die Fahrerlaubnisbehörde stets eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) anordnen. Sie muss erfolgreich bestanden werden, um wieder Zugriff auf den Führerschein zu erhalten. Für viele Cannabis-Sünder ist die MPU das eigentliche Problem. Denn als Voraussetzung muss zunächst einmal ein THC-Abstinenznachweis erbracht werden. Das kann sich ziehen, weil die Droge erwähntermaßen langsam vom Körper abgebaut wird. Oft werden deshalb mindestens sechs Monate Abstinenz angesetzt, während denen sich der oder die Betroffene kurzfristig anberaumten Urin- oder Haartests unterziehen muss. Der Weg zurück zum Führerschein ist nicht nur lang und holprig, sondern auch teuer, es können gut und gerne ein paar Tausend Euro zusammenkommen, vor allem dann, wenn man sich rechtlichen Beistand von einem Anwalt holt. Unter Umständen kann das Fahren unter Cannabis-Einfluss übrigens als Straftat gewertet werden, schlimmstenfalls droht in diesem Fall neben dem Entzug der Fahrerlaubnis sogar eine Freiheitsstrafe.
Diskussion um den Grenzwert
Cannabis gilt als die meistkonsumierte Droge in Europa, die laut der Prüfgesellschaft Dekra von etwa einem Prozent der Erwachsenen in der EU täglich oder nahezu täglich zu sich genommen wird. Es gibt Meinungen, die den im Straßenverkehr üblicherweise angewendeten Grenzwert von einem Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum für zu niedrig halten. So hat der Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar im vergangenen August dem Gesetzgeber eine „angemessene“ Erhöhung empfohlen, diskutiert wurden drei Nanogramm. Dagegen haben sich allerdings viele Experten ausgesprochen. Dass THC psychoaktiv auf das gesamte zentrale Nervensystem wirke und sämtliche menschliche Sinne beeinflusse, dürfe „keinesfalls auf die leichte Schulter genommen werden“, sagt beispielsweise Thomas Wagner, Verkehrspsychologe und Fachbereichsleiter der Begutachtungsstellen für Fahreignung bei der Dekra und äußert in diesem Zusammenhang die Befürchtung, „dass eine Anhebung des Grenzwertes auf 3 ng/ml nicht ohne negative Folgen für die Verkehrssicherheit bleiben wird“.
Drogenfahrten verhindern
Ähnlich hat sich Richard Goebelt zu Wort gemeldet, Bereichsleiter Fahrzeug und Mobilität des TÜV-Verbandes (VdTÜV). Um die Zahl der Getöteten und Verletzen im Straßenverkehr auf null zu senken, müssten Fahrten unter Alkohol- und Drogeneinfluss verhindert werden: „Eine Anhebung des THC-Grenzwertes läuft dem Gedanken der ‚Vision Zero‘ völlig zuwider und sendet das Signal, dass Cannabis eine harmlose Ausnahme sei“. Bereits ab einer geringen THC-Konzentration könne die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt sein. Der VdTÜV verweist auf die Ergebnisse von Untersuchungen, wonach sicherheitsrelevante Fahrdefizite auch auftreten, wenn Autofahrer noch einen Wert unter 1 ng/ml aufweisen. Konsequent sei daher sogar eine Verschärfung der Grenzwerte für alle berauschenden Substanzen.
Ausnahme medizinisches Cannabis
Anders als die obligatorischen Konsumenten werden Patienten behandelt, denen der Arzt medizinisches Cannabis verschrieben hat, beispielsweise zur Schmerztherapie. Das ist seit März 2017 erlaubt. Solange die Arznei bestimmungsgemäß eingenommen wird und eine Fahrtüchtigkeit gegeben ist, gilt die Ausnahme des sogenannten Medikamentenprivilegs. Das bedeutet, dass die Grenzwertüberschreitung ohne Sanktionen bleibt. Anders sieht die Sache aber aus, wenn der Fahrer beziehungsweise die Fahrerin konkrete Ausfallerscheinungen zeigt. Das ist laut ADAC ein Zeichen dafür, dass der/die Betroffene „nach dem Konsum berauschender Mittel“ nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Damit macht er/sie sich nach Paragraf 316 des Strafgesetzbuchs (StGB) strafbar macht.
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