Comeback für den Messerschmitt Kabinenroller
Dieses Kultmobil aus der Wirtschaftswunder-Zeit soll die Mobilitätswende fördern
23.10.2023, 19:22 Uhr"Die Straßen werden immer voller – fahr Messerschmitt Kabinenroller": Ungefähr siebzig Jahre ist es her, dass mit diesem Slogan ein Kleinstfahrzeug beworben wurde, das die Wirtschaftswundergeneration auto-mobilisieren sollte. Für die vielen Menschen, die vorher das Motorrad oder gar nur das Fahrrad als Fortbewegungsmittel genutzt hatten, war es tatsächlich ein Fortschritt, plötzlich ein wetterfestes Dach über dem Kopf zu haben und zumindest ein Mindestmaß an Stauraum nutzen zu können. 2470 Mark wurden für den ersten Kabinenroller KR 175 aufgerufen. Glaubt man einem historischen Kaufkraftrechner, entspricht das nach aktuellen Maßstäben etwa 27.000 Euro. Auch das musste sich man in den 1950er-Jahren erst einmal leisten können. Aber: Der Preis lag zumindest nicht völlig außerhalb des Erreichbaren.
Einmal davon abgesehen, dass der Werbespruch von einst inzwischen etwas angestaubt klingt: Inhaltlich lässt er sich allerbestens auf die Jetzt-Zeit im Straßenverkehr anwenden. Die Mobilitätswende verlangt zumindest dem City-Auto ab, dass es immer kleiner wird und so wenig Verkehrsfläche wie möglich beansprucht. Mikromobilität heißt das entsprechende Schlagwort, hinter dem Messerschmitt die Chance für eine erfolgreiche Wiedergeburt des 2,95 Meter kurzen Kabinenrollers sieht.
Von Regensburg nach Malaga
Messerschmitt? Ja, Messerschmitt. Während bei einer anderen Wiedergängerin aus der Nachkriegszeit – der vom Schweizer Familienunternehmen Micro angebotenen Neu-Isetta „Microlino“ – weder der ursprüngliche Name noch der einstige Hersteller BMW mehr eine Rolle spielen, beruft sich der Kabinenroller stolz auf sein ursprüngliches Label. Allerdings befinden sich die Messerschmitt-Werke heute nicht mehr im bayerischen Regensburg, sondern in Nerja an der spanischen Costa del Sol nahe Malaga. Der deutsche Karosseriebauer Achim Adlfinger hat sich von den Messerschmitt-Erben die Nutzung der Namensrechte gesichert.
Der Wiedererkennungswert des Kabinenrollers ist bemerkenswert hoch. Nichts wurde irgendwie geglättet oder retro-modernisiert, der KR-202 setzt ganz und gar auf Nostalgie. In die Welt blickt er aus zwei kugelrunden Stieläuglein-Scheinwerfern, denen seitlich verchromte Rückspiegel entwachsen. Ganz wie früher nehmen die beiden Passagiere hintereinander Platz, vorne hat der Kabinenroller zwei Räder, hinten nur eines. Stauraum gibt es hinter den Sitzen (der Rücksitz lässt sich auch herausnehmen), außerdem stehen Seitenablagen zur Verfügung. Ein Dach kostet Aufpreis, es lässt sich aber abnehmen und ermöglicht die Wandlungsfähigkeit zwischen geschlossener Limousine und Cabriolet.
Wer auf den guten alten Verbrenner setzt, bekommt den Messerschmitt Kabinenroller als 220 Kilogramm leichten KR-202 Sport, den ein wassergekühlter Einzylinder-Viertakter von Piaggio mit 155 ccm Hubraum und 12,4 kW/16,9 PS antreibt, die Höchstgeschwindigkeit wird mit 90 km/h angegeben.
Zusatzbatterie für mehr Reichweite
Alternativ gibt es das Dreirad aber auch vollelektrisch. Ein 5 kW/6,8 PS starker Elektromotor beschleunigt den KR-202 E-Sport bis auf 80 km/h, ein 40-Ah-Lithium-Ionen-Akku ermöglicht eine Reichweite von 45 bis 60 Kilometern, die Ladezeit beträgt vier bis sechs Stunden. Gegen 3450 Euro Aufpreis gibt es eine Zusatzbatterie, mit deren Hilfe sich nach Herstellerangaben weitere 110 Kilometer Strecke generieren lassen. Eingestuft ist der Retro-Roller in die Kategorie L5e.
Für den KR-202 Sport Piaggio ruft Messerschmitt aktuell 14.950 Euro auf, für den KR-202 Elektro-Sport 17.900 Euro, das Hardtop kostet 2900 Euro. Außerdem lassen sich dem Zubehörprogramm ein Chrom-Gepäckträger (410 Euro), ein Soundsystem (840 Euro) oder eine Zusatzheizung (ab 1250 Euro) entnehmen.
Kurzer Exkurs in die Geschichte: Vater des Kabinenrollers war einst der Flugzeugentwickler Fritz Fend. 1946 hatte er im bayerischen Rosenheim einen kleinen Fertigungsbetrieb gegründet, wo er ab 1947 dreirädrige Einsitzer mit Wetterschutz für Kriegsversehrte herstellte, damals noch ohne Motor und stattdessen mit Fuß- und Handpedalen zu fahren. Diesem "Fend Flitzer" folgte später ein weiterentwickeltes Modell, zunächst mit einem Fahrradhilfsmotor und später mit einem Motorrad-Einzylinder; ferner mit dem Luxus eines zweiten Sitzplatzes und mit der charakteristischen, seitlich aufklappbaren Plexiglashaube.
Um eine Massenproduktion umsetzen zu können, schloss Fend im Jahr 1952 einen Vertrag mit seinem früheren Arbeitgeber Willy Messerschmitt und dessen Messerschmitt AG. 1953 begann im Regensburger Messerschmitt-Werk dann die Serienfertigung des Kabinenrollers. 1964 war seine Zeit vorbei – der Wohlstand im Nachkriegs-Deutschland hatte inzwischen die Wünsche auf ein Mehr an Auto geweckt.
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