Alterszuschläge erhoben
Kfz-Versicherung: Werden Senioren abgezockt?
25.12.2022, 12:10 UhrDie individuelle Mobilität ist auch im Alter noch ein hohes Gut. So lange es die psychische und physische Gesundheit zulässt, wollen Senioren selbstverständlich nicht auf das eigene Auto verzichten.
Doch das kann teuer werden: „Kfz-Versicherer bitten Seniorinnen und Senioren zur Kasse“, stellt etwa das Vergleichsportal Verivox fest. Demnach zahlen bereits 65-jährige Versicherte im Vergleich zu zehn Jahre jüngeren Fahrern 16 Prozent höhere Prämien. 75-jährige haben 65 Prozent mehr aufzubringen als 20 Jahre jüngere Zeitgenossen, und bei 85-jährigen beträgt der Alterszuschlag in der Vollkasko gegenüber 30 Jahre jüngeren Versicherungsnehmern sogar 145 Prozent, dies bei ansonsten gleichen Bedingungen. Das Vergleichsportal beruft sich dabei auf Modellrechnungen, die am Beispiel eines zu versichernden Mercedes-Benz B 180 beziehungsweise VW Golf VIII 1.0 TSI durchgeführt wurden.
Ein Fall von Abzocke und Altersdiskriminierung? „Es gibt für uns keinen Grund, ältere Fahrer in irgendeiner Form zu benachteiligen. Das findet auch in keinster Weise statt“, sagt Karin Benning, Sprecherin der HUK-Coburg-Versicherung. Tatsächlich fallen die Versicherungstarife nicht einfach so vom Himmel oder werden nach Gutdünken festgelegt. Vielmehr sind sie das Ergebnis komplizierter Berechnungen, in die das versicherungstechnische Risiko aufgrund zahlreicher Parameter einfließt. Nur einige wenige von ihnen sind etwa der Wohnort (Regionalklasse) oder die Wohnsituation, das versicherte Fahrzeug selbst (Typklasse) oder die Kilometerleistung. Und eben die Lebensjahre des Versicherungsnehmers.
Steigendes Unfallrisiko
„Das Unfallrisiko steigt im Alter“, erklärt Verivox-Geschäftsführer Wolfgang Schütz, „deshalb verlangen die Versicherer auch höhere Prämien“. Tatsächlich haben im Jahr 2021 die über 74-jährigen Autofahrenden in drei Vierteln (75,9 Prozent) aller Fälle die Hauptschuld an dem Unfall getragen, in den sie verwickelt gewesen waren. So geht es aus Daten der Deutschen Verkehrswacht hervor. Auch die der Parteinahme unverdächtige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) spricht von einem „nachweislich höheren, mit dem Alter einhergehenden versicherungstechnischen Risiko“; gegen die Praxis der Versicherer, entsprechende Zuschläge zu erheben, habe man insofern „nichts einzuwenden“. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) empfiehlt den ihm angeschlossenen Assekuranzen, einen solchen Alterszuschlag ab einem Lebensalter von 68 Jahren einzufordern.
Viele unfallfreie Jahre
Die gute Nachricht aber: In der Praxis sieht die Beitragssituation älterer Fahrzeughalter oftmals anders aus – und zwar besser. „Wer in Tarifrechnern nur an der Stellschraube ‘Alter‘ dreht, erhält ein unzutreffendes Bild über die tatsächliche Versicherungsprämie“, heißt es bei der BaFin. Denn bei der Bemessung spielt auch die Schadenfreiheitsklasse (SF) eine große Rolle. Und hier profitieren die erfahrenen Senioren häufig von vielen unfallfreien Jahren. Dabei kommt ihnen zupass, dass sich immer höhere SF-Klassen etablieren. Während noch vor wenigen Jahren nur bis zu 35 schadenfreie Jahre anerkannt wurden, sind es inzwischen 50 Jahre und teilweise sogar mehr.
Wer nicht mehr jeden Tag zur Arbeit fährt, kann außerdem auf eine geringere Jahresfahrleistung verweisen. Auch das senkt den Versicherungsbeitrag. Und so stellt Karin Benning von der HUK sogar fest, dass „ältere Fahrer die im Durchschnitt niedrigsten Beiträge in unserem Bestand haben“.
Kathrin Jarosch vom GDV wiederum rät „ganz unabhängig vom Alter“ dazu, regelmäßig die persönliche Lebenssituation zu überprüfen und „tarifrelevante Veränderungen dem Kfz-Versicherer mitzugeben“. Neben einer reduzierten Fahrleistung kann es sich dabei beispielsweise um eine neue Garage als geschützten Abstellort handeln oder darum, dass das Auto nicht mehr von anderen Personen mitgenutzt wird.
Die Kinder können helfen
Verivox-Chef Wolfgang Schütz hat noch einen anderen Spar-Tipp: „Senioren können ihr Fahrzeug über ihre erwachsenen Kinder zulassen und versichern“. Rund 80 Prozent würde der 85-jährige B-Klasse-Fahrer sparen, wenn sein Auto auf das 30 Jahre jüngere Kind laufe und er nur als Fahrer eingetragen sei. Mit den Enkeln geht dieser Trick aber womöglich schief. Denn abgesehen von ihrer niedrigen SF-Klasse sind die ganz jungen Autofahrenden zwischen 18 und 25 Jahren noch immer die unfallträchtigste Altersgruppe – und damit auch die teuerste.
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