Verkehr
Stoppt die Stadtpanzer! SUVs sind zu groß, zu dreckig und zu gefährlich - eine Wutrede
2.4.2022, 06:00 UhrErinnern Sie sich noch? Vor etlichen Jahren propagierte die Politik das „3-Liter-Auto“. Doch die gebetsmühlenartig beschworene Verkehrswende geht schon lange komplett in die falsche Richtung! Der Pkw-Verkehr nahm seit 1995 um über 20 Prozent zu, so das Umweltbundesamt. Hatte ein Auto damals im Durchschnitt 95 PS, so waren es 2018 schon 153 PS (Quelle: CAR Universität Duisburg-Essen). Auf unseren Straßen wird aufgerüstet, und das schon seit Jahren. Mittlerweile sind rund 35 Prozent aller Kfz-Neuzulassungen SUVs, sogenannte Stadtpanzer. Wenn sich der Trend nicht einbremst, könnten es im Jahr 2026 satte 50 Prozent sein.
SUVs, die Abkürzung für „sports utility vehicles“, beherrschen die Ober- und Mittelklasse; Kleinwagen brezeln sich ebenfalls auf. Im Englischen versteht man unter „sports“ zusätzlich das Jagen und Angeln; so gedacht kann der Sportsfreund mit dem SUV auch durch unwegsames Gelände zu seinem Revier gelangen. Oder einen Anhänger durch die Pampa ziehen. Im Großstadtdschungel ist das eher weniger gefragt und bei Verkehrsstau nutzt auch ein Allradantrieb (100 kg Mehrgewicht) nichts.
Das Kraftfahrtbundesamt hat definiert: Ein SUV ist kein Geländewagen, sondern ein Pkw mit „offroad-Charakter“. Also eingeschränkt geländetauglich, eine Art Pseudogeländewagen. Was soll das, wenn er nur „onroad“ unterwegs ist? Sportlich soll das Ding wirken, dynamisch, dominant, aggressiv, potent, Respekt einfordernd. Ein Auto muss heutzutage performen und nicht bloß von A nach B fahren. Es geht um Optik und Image. My home is my castle, my car is my fortress!
Da rauschen die Liter
Die Dickschiffe (bevorzugt in schwarz, schlammgrau, beige) haben eine mächtige Lobby. Sie bieten Komfort: Ein- und Aussteigen geht leichter, mehr Bodenfreiheit, mehr Überblick, mehr Stauraum. Und so ein Bully macht doch was her: Seht, ich hab’s zu was gebracht! Schaut, was ich mir leisten kann! Angesichts der aktuellen Benzinpreise muss man sich den „SUFF“ tatsächlich leisten können... Da rauschen die Liter nur so durch den Zapfhahn.
Häufig wird mit mehr Sicherheit argumentiert. Stimmt, beim Zusammenstoß zwischen SUV und Normalo zieht der Kleinere den Kürzeren. Das leichtere Gefährt fängt den Großteil der Aufprallenergie auf. Fahrer kleinerer Autos haben ein vielfach höheres Verletzungsrisiko. Nach einer Studie der US-Autoversicherer ist für sie das Risiko, bei einem Unfall tödlich zu verunglücken, erheblich größer. Sollten wir also alle aufrüsten? Im Leopard-Panzer wäre man noch sicherer!
Was machen wir mit den panzerlosen Verkehrsexemplaren wie etwa Fußgängern, Radlern und Motorradfahrern? Konnten die sich bei Frontalunfällen möglicherweise noch über die Motorhaube abrollen, so wirkt die hohe SUV-Front wie eine Mauer. Biker leben gefährlich, weil sie bei einem Seitenaufprall nicht über das Fahrzeugdach gleiten, sondern sogar in das Fahrzeuginnere eindringen könnten (Quelle: AXA Winterthur).
Weit entfernt von Klimazielen
SUVs sind mit einem Gewicht von durchschnittlich 1,5 Tonnen und den größeren Motoren Klimakiller. Der meistgekaufte SUV im Jahr 2020 war der VW Tiguan mit einem Leergewicht von 1640 Kilogramm. Dabei hängen die CO2-Emissionen eines Autos und damit seine Klimawirksamkeit direkt vom Kraftstoffverbrauch ab (Quelle: Umweltbundesamt). Das scheint aber deren Käufer nicht zu interessieren.
Der SUV-Boom in Deutschland ist offenbar eine Ursache dafür, dass die Kohlendioxidemissionen nicht in dem Maß sinken, wie es notwendig wäre. Laut der IEA (Internationale Energieagentur) verursacht ein SUV durchschnittlich 198 g/km an CO2, ein Kleinstwagen die Hälfte. Die EU-Kommission strebt einen Zielwert von 95 g/km an. Der deutsche Automarkt ist derzeit weit entfernt von diesen Klimazielen. Die herstellerspezifischen CO2-Grenzwerte hängen absurderweise vom Durchschnittsgewicht der Flotte ab. Wer vor allem schwerere und große Autos baut, dessen Flotte darf demnach auch mehr klimaschädliche Gase ausstoßen (Quelle: Autozeitung).
Der SUV im Großstadtrevier ist ein spezielles Thema. Aktuell beispielsweise in Heidelberg. Stadträte fordern ein Verbot dieser Spezies in Parkhäusern, wenn sie über 1,8 Tonnen wiegen. Wie könnte man das kontrollieren? Alle Autos bei der Einfahrt scannen und wiegen? Oliver Krischer von den Grünen fordert eine Obergrenze für große SUVs in den Innenstädten. Oder eine City-Maut? Oder höhere Parkgebühren, weil die Boliden nicht in die markierten Stellflächen passen?
Ich fahre ein „normalgroßes“ Auto und werde regelmäßig so richtig zugeparkt, etwa im Parkhaus. Teilweise kann ich auf der Fahrerseite nicht mehr einsteigen und muss mich über den Beifahrersitz hineinwuchten. Gut, dass ich mit meinen 61 Jahren noch gelenkig bin! Nervig auch diese Variante: Ich muss aus einem Parkplatz rückwärts rausfahren und sehe durch das benachbarte Hochhaus auf vier Rädern erst mal gar nichts. Also im Blindflug gaaaanz laaaaangsam in die Straße hineintasten. Worst-case-Szenario hier: Rechts und links ein parkender SUV! Deren so geschätzte Übersicht bewirkt meine Null-Sicht. Was passiert, wenn ich beim Ausparken ein vorfahrtberechtigtes Auto ramme? Ich schätze, dann bin ich schuld?
Unangenehm eng quetscht es sich in den Gassen der historischen Innenstädte. Zwischen den Jahren 2000 und 2010 sind die Autos (ohne Spiegel) durchschnittlich um 15 Zentimeter in die Breite und 19 Zentimeter in die Länge gewachsen. In Einbahnstraßen mit geparkten Autos links und rechts muss man sich sorgsam durchlavieren – ein Sanka oder Feuerwehrzug kommt da nicht mehr durch. Dabei sind unsere Fahrzeuge überwiegend „Stehzeuge“, stehen im Durchschnitt 23 Stunden pro Tag herum und besetzen wertvollen öffentlichen Raum.
Parken auf dem Gehweg (falls erlaubt) ist nur für Gefährte bis 2,8 Tonnen zulässig – moderne Luxus-SUVs liegen teilweise deutlich darüber. Der G 500 4×4 Mercedes wiegt 3021 Kilogramm, hat 45 Zentimeter Bodenfreiheit (unabdingbar in der Großstadt!) und ist damit derzeit der schwerste Kraftprotz auf dem Markt. Der passt bestimmt nicht mehr in die Waschstraße ...
Sind die Verbrenner die Bösen und die Elektroautos die Guten? SUVs kommen inzwischen als Plug-in-Hybride daher oder schon rein elektrisch. Doch schnell holt uns das altbekannte Problem wieder ein: Zu viel Gewicht, zu viel Luftwiderstand, zu viel Reifenabrieb verringern die Reichweite, so dass es für den Antrieb schwere und damit ineffiziente Batterien braucht. Ein ökologisches Feigenblatt. Ein Straßenschiff wird nicht nachhaltiger, nur weil es (teilweise) mit Strom angetrieben wird!
Prämie für ein Monster
Werfen wir einen zugegeben einseitigen Blick auf die Zukunft: Ende 2022 geht der BMW Concept XM in Serie, ein Plug-in Monster-SUV mit 750 PS, 2,5 Tonnen Gewicht und mächtigem Kühlergrill. Weitere Superlative: Eine Länge von 5,11 Meter, ein Radstand von 3,10 Meter. Nach Herstellerangaben kann das Geschoss bis zu 80 Kilometer rein elektrisch fahren – damit erfüllt es die Elektroauto-Förderrichtlinie. Der Staat gäbe also zum Kauf, nach derzeitigem Gesetzesstand, eine „Umweltprämie“ von bis zu 6750 Euro dazu! Das Bundeswirtschaftsministerium überarbeitet derzeit die Förderkriterien – hoffentlich nachhaltig ...
Angesichts der „Fridays for future“-Bewegung soll es inzwischen Kids geben, die es mega-peinlich finden, wenn sie im SUV zur Schule kutschiert werden oder die Eltern damit zum Fitness-Studio rollen, um Speedbike zu fahren. Erkennen zumindest die jungen Leute die Zeichen der Zeit und setzen da ein großes knallrotes Stoppschild, wo menschliche Eigenverantwortung versagt und die Politik sich nicht herantraut? Mein Fazit (sogar auf einer Linie mit dem ADAC!): Autos sollten nur so groß wie unbedingt nötig sein und so klein und leicht wie irgendwie möglich. SUV steht also für „super unnecessary vehicle“!
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