Was wirklich hilft

Neue Studie belegt: Das sind die drei wirksamsten Mittel, um mit dem Rauchen aufzuhören

Stefan Besner

Online-Redaktion

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10.9.2024, 17:04 Uhr
Für alle, die aufhören wollen, aber nicht können, gibt es jetzt eine Studie zu Hilfsmitteln, die wirklich funktionieren sollen.

© IMAGO Für alle, die aufhören wollen, aber nicht können, gibt es jetzt eine Studie zu Hilfsmitteln, die wirklich funktionieren sollen.

"Eine Zigarette ist die vollendete Form des perfekten Genusses. Sie ist exquisit und lässt einen unbefriedigt zurück", schrieb einst Oscar Wilde. Millionen von Rauchern, die sich Tag für Tag zum Morgenkaffee die erste Kippe anstecken, wissen vielleicht nicht, wer Wilde war, wohl aber, wovon er da sprach. Die erste Zigarette am Morgen fühlt sich an wie der Sieg des kleinen Mannes in einer Schlacht, die er nicht gewinnen kann; idealerweise serviert mit frischem, heißem, schwarzem Kaffee. Ausgeblendet wird dabei häufig das vorangegangene Aushusten der sauren Bällchen in den Abguss.

Dass Rauchen extrem gesundheitsschädlich ist, sollte inzwischen selbst in den hintersten Ecken des Wilden Westen angekommen sein. Dieses Wissen hingegen nachhaltig in eigene Handlung zu implementieren, fällt den meisten äußerst schwer. Denn Rauchen ist eine Sucht, noch dazu eine verflixt hartnäckige. Rolling-Stones-Gitarrist Keith Richards war 55 Jahre lang passionierter Raucher. In einem Interview erklärte er mit rasselnder Stimme und süffisantem Grinsen, die Zigaretten an den Nagel zu hängen, sei ihm schwerer gefallen als alles andere; sogar schwerer, als Heroin aufzugeben.

Eine neue Studie widmet sich nun dem Dilemma, das viele Raucher plagt - zwar aufhören zu wollen, aber nicht aufhören zu können. Die Autoren untersuchten, welche Mittel am wirksamsten den Ausstieg erleichtern.

Impotenz, Unfruchtbarkeit und Millionen an Todesfällen

Das Rauchen ist seit Jahrzehnten eines der größten, vermeidbaren Gesundheitsrisiken der Welt. Informationen von "ourworldindata.org" zufolge errechneten Forscher, dass jedes Jahr etwa rund acht Millionen Menschen weltweit an den direkten Folgen des Tabakkonsums sterben - für das gesamte 20. Jahrhundert waren es Schätzungen zufolge 100 Millionen. Raucher verlieren im Durchschnitt zehn Jahre ihres Lebens. Die Hälfte der arrivierten Täglich-Raucher stirbt frühzeitig. Wiederum die Hälfte davon segnet laut Bundesamt für Gesundheit der Schweiz noch vor dem 70. Lebensjahr das Zeitliche.

Rauchen ist verantwortlich für bis zu 90 Prozent aller Lungenkrebsfälle, zahlreiche weitere Krebsarten, die Entwicklung chronischer Lungenerkrankungen, die das Atmen behindern (chronisch-obstruktiv), Schädigungen an den Augen, am Zahnhalteapparat, im Verdauungstrakt, am Skelett und an den Geschlechtsorganen, was zu Unfruchtbarkeit und Impotenz führen kann; die kommt bei Rauchern fast doppelt so häufig vor wie bei Nichtrauchern. Bei Schwangeren schadet Rauchen zusätzlich dem ungeborenen Kind, das Wachstum wird beeinträchtigt und das Risiko einer Frühgeburt erhöht sich. Kinder von Raucherinnen kommen mit einem geringeren Geburtsgewicht zur Welt und sind anfälliger für Geburtsschädigungen und Kinderkrankheiten. Zudem weisen diese Kinder eine höhere Sterblichkeit auf als eine vergleichbare Gruppe mit Nichtraucherinnen als Mütter.

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg

Genügend Gründe also, um die letzte Zigarette im Aschenbecher auszudrücken und den Qualm ein für alle Mal in den Wind zu schießen; möchte man meinen. Da gibt‘s nur ein Problem. Die letzte Zigarette entpuppt sich nur allzu häufig als die erste in einer unüberschaubaren Reihe vorletzter Zigaretten - oder, um es mit den Worten von Mark Twain zu sagen: "Es gibt nichts Leichteres, als mit dem Rauchen aufzuhören. Ich selbst habe es schon 137mal geschafft."

Wissenschaftler arbeiten deshalb seit Jahrzehnten an Produkten und Techniken, Rauchern zu helfen, von ihrer Sucht loszukommen. Sei es Hypnose, Nikotinpflaster, schwarzer Pfeffer, obskure Ginseng-Kuren, Yoga oder das exzessive Süffeln von grünem Tee. Rezepte gibt es zuhauf, was jedoch tatsächlich bei der Rauchentwöhnung hilft, dem gingen Forscher der University of Oxford nun in einer Studie auf den Grund.

So banal es klingt, der Wille aufzuhören macht von vornherein die Musik. Wer nicht will, kann auch nicht. Wer jedoch will, aber einfach nicht kann, dem kann geholfen werden, wie das Team um Jonathan Livingstone-Banks ermittelt hat. Manchen Menschen falle es "grundsätzlich schwieriger als anderen", erklärt der Wissenschaftler im Wissenschaftsmagazin "scienexx" und suchte daher nach Mitteln, die Willige am effektivsten dabei unterstützten, sich den Griff zur Zigarette abzugewöhnen.

Produkte, die bei der Rauchentwöhnung helfen

Das Team um Livingstone-Banks wertete 14 Reviews zur Rauchentwöhnung aus. Sie stammen samt und sonders von der gemeinnützigen, an der University of Oxford angesiedelten Cochrane Tobacco Addiction Group (CTAG) und wurden zwischen 2021 und 2023 veröffentlicht. Alle diese Reviews basieren auf verschiedenen wissenschaftlichen Studien. Die aktuelle Studie fasst den neuesten Wissensstand zusammen.

Livingstone-Banks kommt zu dem Schluss, dass es Rauchern am leichtesten fällt, auf Zigaretten zu verzichten, wenn sie stattdessen ein Ersatzprodukt konsumieren. Als die drei wirksamsten Mittel identifizierte das Forscherteam das verschreibungspflichtige Medikament Varenicline, auch bekannt unter den Markennamen Chantix und Champix, sowie das pflanzenbasierte pharmazeutische Mittel Cytisine, das unter dem Namen Cravv in den meisten europäischen Ländern rezeptfrei erhältlich ist. Die darin enthaltenen Wirkstoffe binden in unserem Körper an dieselben Rezeptoren wie Nikotin an.

Die dritte - und zugleich effektivste - Krücke für den begleiteten Entzug begegnet uns täglich auf Straßen, in Biergärten und Cafés und hat sich längst zum eigenen Trend entwickelt. Der Metaanalyse der Forscher zufolge unterstützten nikotinhaltige E-Zigaretten aka Vapes die Rauchentwöhnung am besten. "Zwar behielten viele Raucher anschließend diese Gewohnheit bei, in ihrem Blut fanden sich jedoch weniger Hinweise auf gesundheitliche Schäden als beim Konsum von Zigaretten", heißt es auf "scienexx".

Vapes seien damit zwar alles andere als gesund, immerhin aber weniger schädlich. "Für starke Raucher, die es nicht schaffen aufzuhören und die deswegen verzweifelt sind, ist die E-Zigarette mit Sicherheit eine Alternative. Das ist sonnenklar. Bevor ein starker Raucher das Giftgemisch einer Tabakzigarette zu sich nimmt, ist die E-Zigarette tatsächlich mit einer Risikoreduzierung verbunden", erklärte Dr. Martina Pötschke-Langer († 13. Juni 2022), eine deutsche Medizinerin auf dem Gebiet der Krebsprävention, in einem Interview, veröffentlicht auf "innocigs.com".

Anzumerken ist an der Stelle, dass noch keine Langzeitstudien zu den Auswirkungen des Dampfens von E-Zigaretten existieren, die etwaige Rückschlüsse auf Spätfolgen oder Ähnliches zulassen.

Wirksam, jedoch weniger effektiv, waren Livingstone-Banks zufolge langsam wirkende nikotinhaltige Pflaster in Kombination mit schneller wirksamen Nikotinprodukten wie Kaugummis, Lutschtabletten und Sprays. Der Wirkstoff Bupropion stellte sich ebenfalls als probate Option zur Rauchentwöhnung heraus, war jedoch in einigen Fällen mit psychischen Nebenwirkungen verbunden wie Schlaflosigkeit, Unruhe, aber auch Müdigkeit, Tremor, Übelkeit, Schwindel und mehr. Bupropion zählt zu den antriebssteigernden Antidepressiva, wie es auf "DocCheck" heißt. Der genaue Wirkmechanismus bei der Raucherentwöhnung sei noch nicht abschließend geklärt.

Mentale Unterstützung hilft ungemein

Ein nachhaltiger, dauerhafter Verzicht auf den Glimmstängel ist schon alleine deshalb so schwierig, weil Raucher die Zigarette ganz natürlich in ihre Alltagsroutinen integriert haben. Das fängt bei Kippe und Kaffee nach dem Aufstehen an und endet beim Lungenbrötchen zum Abendbrot. Wer langfristig erfolgreich sein will, kann sich nicht ausschließlich auf Ersatzdrogen verlassen. Er muss sein Mindset anpassen, Paradigmen aufbrechen und die dicke Staub- oder eher Ascheschicht namens Gewohnheit wegwischen.

Rauchentwöhnung ist dann am erfolgreichsten und gelingt am schnellsten, wenn Raucher zusätzlich mentale Unterstützung erhalten, zum Beispiel durch eine begleitende Beratung, Verhaltenstherapie und motivierende Textnachrichten von Freunden oder Partnern. "Diese Programme helfen dann am besten, wenn sie die Menschen dafür belohnen, dass sie mit dem Rauchen aufhören", so Seniorautorin Jamie Hartmann-Boyce von der University of Massachusetts in Amherst gegenüber "scienexx". Auch finanzielle Anreize können hilfreich sein.

Wer dauerhaft mit dem Rauchen aufhören will, sollte laut dem Autorenteam um Livingstone-Banks demnach zeitweise auf eines der genannten Nikotin-Produkte ausweichen und sich zugleich professionelle Hilfe suchen. Wem es dennoch nicht beim ersten Anlauf gelingt, der braucht nicht gleich den Kopf in den Sand zu stecken. Man kann es halten wie Mark Twain, aus der 137 eine 138 machen - und dabei an Keith Richards denken.