Im Winter voll, im Sommer Ruhe

Ganz aktiv ganz ohne Massen: So geht entspannter Familienurlaub in Tirol

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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24.6.2023, 11:00 Uhr
Oberhalb von Ischgl wartet im Sommer eine Flossfahrt auf den Nachwuchs - mit tollem Alpenpanorama.

© Michael Husarek, NNZ Oberhalb von Ischgl wartet im Sommer eine Flossfahrt auf den Nachwuchs - mit tollem Alpenpanorama.

Das Attribut „verschlafen“ würde dem Tiroler Bergdorf Galtür auch im Juli und August nicht gerecht werden. Dafür sind zu viele Wanderer unterwegs - die übrigens Glück hatten, als neulich ganz in der Nähe in der Silvretta am Fluchthorn Gesteinsmassen ins Tal donnerten, weil der Gipfel wegbrach.
Denn im Sommer geht‘s hier deutlich ruhiger als im Winter zu. Der Sommertourismus nimmt im Paznauntal um die Orte See, Kappl, Ischgl und Galtür erst seit einigen Jahren Fahrt auf. Eindeutig hat das Tal mit dem Hotspot Ischgl bislang auf die Skitouristen gesetzt. Zu einseitig, sagen hier viele.

„Bis vor kurzem hat den Sommer nicht jeder Ernst genommen“, beschreibt etwa Bergführer Christoph Pfeiffer den Zustand - und wirkt dennoch alles andere als unzufrieden. Denn in seinem Heimatdorf Galtür herrschen gerade deshalb ideale Voraussetzungen für Familien, die dem mancherorts anzutreffenden Massentrubel in den Alpen entkommen wollen und gleichzeitig Wert auf ein schönes Bergpanorama legen.

Zum Einstieg eine Runde Bouldern

Daran mangelt es in Galtür gewiss nicht. Die Gorfenspitze (2558) und die Ballunspitze (2671 Meter) bestimmen den Ausblick, weit oben thront der Jamtalgletscher. Um die felsige Welt seines Dorfes besser kennenzulernen, schlägt Pfeiffer zum Einstieg eine Runde Bouldern vor. Immer freitags bietet er über den Tourismusverband einen Boulderkurs an - vor allem Urlauberfamilien nutzen das Angebot.

Den Ort stets im Blick: Wer um Galtür herum wandert, kann immer wieder auf das Dorf am Ende des Paznauntales blicken.

Den Ort stets im Blick: Wer um Galtür herum wandert, kann immer wieder auf das Dorf am Ende des Paznauntales blicken. © Michael Husarek, NNZ

Mit der Alpkogelbahn, der einzigen Gondel, die in Galtür im Sommer fährt, geht es hinauf, die Bouldermatten auf den Schultern. Keine fünf Minuten später ist der Silvapark erreicht. Hier warten die Felsblöcke darauf, erklommen zu werden: Erst geht es darum, sich am Fels richtig zu bewegen. „Auf leisen Sohlen“, wiederholt Christoph Pfeiffer ein ums andere Mal, also mit den Zehen auftreten und somit auch als Anfänger, der Bouldern nur aus der Kletterhalle kennt, Sicherheit gewinnen. Und tatsächlich laufen Eltern und Kinder zwei Stunden später leichtfüßig über die Felsblöcke, die anfangs nur mit nur Mühe und Not erklommen werden konnten.
Ähnlich verhält es sich im nahe gelegenen Familienklettersteig „Little Ballun“. Gebaut hat ihn Pfeiffer selbst, aber mit Hilfe der Bergbahnen. „Der Klettersteig auf die Ballunspitze ist für Anfänger zu schwierig, ich wollte den Kindern hier auch einen Zugang ermöglichen.“
Das ist gelungen: Die 100 Höhenmeter können Kinder ab sieben Jahre meistern. Auch wenn zunächst eine gehörige Portion Skepsis und sogar Angst den Nachwuchs begleiten sollten: Christoph Pfeiffer findet für sie die richtigen Worte - er beruhigt und motiviert zugleich.

Oben angelangt, schlagen ihm dankbare Blicke der Erstbesteiger entgegen: „Diese Dankbarkeit gibt mir sehr viel, dafür liebe ich meinen Beruf.“ Übrigens: Wer mehr noch mehr Felskontakt will, kann auch richtig Klettern gehen in Galtür, einige Routen sind dafür ausgewiesen.
Für einen Entspannungstag bietet sich ein Abstecher in die tiefer gelegenen Talgemeinden nach Kappl oder Ischgl an. In Ischgl wartet unterhalb der Idalp mit dem Erlebnispark Vider Truja eine liebevoll angelegte Kinderwelt, die bei schönem Wetter zum Spielen animiert. Die Eltern können unterdessen auf Sonnenliegen entspannen.

Mit 85 Stundenkilometern zurücksausen

Wer mindestens acht Jahre ist und den Nervenkitzel sucht, sollte am Weg nach unten an der Mittelstation Halt machen. Denn mit dem Skyfly geht es rasant in drei Etappen nach unten. Aber Vorsicht: Bis zu 85 Stundenkilometer beträgt die Geschwindigkeit.
Deutliche langsamer geht es am nächsten Tag in Galtür zu: Bei der E-Bike-Tour mit der ganzen Familie ist der Kleinzeinis-See das erste Ziel. Dann geht es weiter über ins benachbarte Vorarlberg, zur idyllisch gelegenen Verwallalm. Nach einer Brotzeit radelt man über die imposante Staumauer des Koppsees zurück in den Galtürer Ortsteil Wirl, dem Ausgangspunkt der Tour. Auch hier gilt: Überlaufen sind die Routen allesamt nicht.“
Dass in Galtür mit einem ersten Singletrail 2023 auch der Einstieg in etwas rasantere Abfahrten gemacht werden soll, stört Christoph Pfeiffer nicht: „Wir machen etwas für Familien, das wird nichts allzu Wildes.“

Hoch hinaus geht es oberhalb von Galtür: Im Silvapark wartet ein Boulderareal, das keine Wünsche offen lässt.

Hoch hinaus geht es oberhalb von Galtür: Im Silvapark wartet ein Boulderareal, das keine Wünsche offen lässt. © Michael Husarek, NNZ

Damit bleibt Galtür seiner Linie treu: Weniger ist mehr. So war es schon vor vielen Jahrzehnten, als die Mehrheit der Dorfbewohner ein geplantes Gletscher-Skigebiet im Jamtal abgelehnt hat. Der sprichwörtliche Eigensinn der Galtürer hat sich inzwischen als weitsichtig erwiesen. Der Lohn ist heute ein relativ ruhiges alpines Dorfleben im Sommer.

Mehr Informationen:
www.paznaun-ischgl.com/de
Anreise:
Ab Nürnberg rund fünf Stunden bzw. 450 Kilometer, mit dem Auto, mit Zug und Bus via Kufstein und Landeck ab sechs Stunden.