Und plötzlich sind Sie im echten Italien

Über Grenzen wedeln: An den Drei Zinnen fahren Sie auf Ski von Südtirol nach Venezien

Matthias Niese

Leben / Magazin am Wochenende / Gute Reise

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18.11.2023, 06:00 Uhr
Hier die Bergstation des Stiergarten, gegenüber die Dolomiten mit der Rotwand. Bald wird von hier ein Lift hinüber ins österreichische Sillian gehen.

© Matthias Niese Hier die Bergstation des Stiergarten, gegenüber die Dolomiten mit der Rotwand. Bald wird von hier ein Lift hinüber ins österreichische Sillian gehen.

"Heute werdet ihr auf Skiern in eine andere Welt reisen, von einem zum nächsten Dorf seid ihr plötzlich im echten Italien", sagt Christian Tschurtschenthaler. Wir stehen mit ihm an den Pisten des Stiergartens, rechts unten liegt sein Südtiroler Heimatdorf Sexten, gegenüber die Rotwand im zackigen, etwas über 3000 Meter hohen Dolomitenkamm. Den krönen rechts die berühmten Drei Zinnen – neben dem Rosengarten DIE Bergikone der Provinz.

Sonderbar, dass sie hier so lange gebraucht haben, um die Drei Zinnen auch touristisch anzupreisen. Die Region nannte sich mal Hochpustertal, mal Sextner Dolomiten, nun also Dolomitenregion 3 Zinnen. "Denn die drei Gipfel kennt einfach jeder", sagt Christian. Dann deutet er mit dem Skistock nach links: "Dort ist der Kreuzbergpass mit kleinem Skigebiet, der Lift steht noch in Südtirol, die Piste links davon ist schon in Venetien. Das ist die Sprachgrenze, da beginnt das eigentliche Italien."

Und um die Grenzerfahrung noch zu komplettieren, dreht er sich um und zeigt direkt hinter uns weit nach oben auf ein steinernes Haus: "Die Sillianer Hütte auf dem Karnischen Kamm, die liegt schon in Österreich an alten Schmugglerpfaden."

Durch ein Tor auf den Skiweg mitten ins Unesco-Naturerbe

So viel also zur Theorie, die muss nun verifiziert werden. Wir setzen die Skibrillen auf, carven über breite Pisten hinunter zur Signaue, gondeln hinauf zu den Rotwandwiesen und fahren am Beginn des langen Skiwegs zum Kreuzbergpass durch ein Tor, das den Beginn des Unesco-Naturparks 3 Zinnen markiert, der sich hier mit dem Skigebiet 3 Zinnen Dolomiten als Teil des riesigen Verbunds Dolomiti Superski überschneidet - ganz schön viele ähnliche Bezeichnungen haben sie hier.

Gleich rechts neben dem Lift am Kreuzbergpass ist die Grenze zu Venetien. Der Lift selbst steht in Südtirol. Unten das Hotel Kreuzberg.

Gleich rechts neben dem Lift am Kreuzbergpass ist die Grenze zu Venetien. Der Lift selbst steht in Südtirol. Unten das Hotel Kreuzberg. © Matthias Niese

Dem Skifahrer ist‘s egal, er gleitet gemütlich wie bei einer Winterwanderung auf Brettern kilometerweit durch verschneiten Wald voller buckeliger Porzen, schiebt sich ein Stückchen hinauf zur wunderschön gelegenen Schellab-Alm und kommt schließlich am Hotel Kreuzberg raus, wo einst die Grenze zwischen dem Königlich-kaiserlichen Österreich und Italien war. Ein alter Grenzstein und Weltkriegs-Bunkeranlagen neben der Bergstation des Schlepplifts zeugen noch davon.

Im Hotel Kreuzberg empfängt uns Seniorchefin Helga und schwelgt in breitestem Tirolerisch mit Christian über alte Zeiten, als er noch als Bub hier Ski fuhr. Helgas Vater Michael "Much" Happacher kaufte 1956 im militärischen Sperrgebiet das einst heruntergekommene Wirtshaus und machte es zum Treffpunkt der Bergsteigerelite, heckte dort auch mit dem legendären Luis Trenker bei Gelagen gemeinsame Projekte aus. Noch immer trainieren hier an der Marc-Girardelli-Piste Skirenn-Teams im frühen Winter für die anstehende Saison.

Bald gondelt man direkt nach Venetien und nach Österrreich

Wir lieben es gemütlicher und fahren über Skiwege gen Süden bergab, vorbei an Häusern mit Fensterläden, die nichts gemein haben mit Tiroler Alpenarchitektur. Wir nehmen das letzte Stück ins venezianische Val Comelico den Bus-Shuttle Salto, der die Abschnitte verbindet, die bergauf noch nicht mit Seilbahnen erschlossen sind.

Noch. Denn schon genehmigt sind zwei Lifte, die in gut drei Jahren über den Berg mit dem schönen Namen Schuss den Kreuzbergpass und das Val Comelico verbinden. Geplant sind auch Seilbahnen hinüber nach Sillian im österreichischen Teil Tirols, ein grenzübergreifendes Skigebiet entsteht.

Wer ganz früh aufsteht und gut Ski fährt, schafft an einem Skitag den gesamten 43 Pistenkilometer langen Giro delle Cime, die Zinnenrunde. Die beginnt offiziell im Hauptort Vierschach am Bahnhof und summiert sich auf 5600 Höhenmeter. Der Giro deckt nur einen Teil des insgesamt 115 Kilometer langen Skigebiets ab, das sich über fünf Berge zwischen Prags am Instagram-Hotspot Pragser Wildsee über den Rienz, den Haunold bis ins Val Comelico erstreckt. Man kann den Giro aber auch an jedem anderen Ort beginnen und abkürzen.

Hier steht in der Hauptsaison kaum jemand vor uns am Lift, die Pisten sind leer

Um tief ins Skigebiet vordringen zu können, haben wir Großen die Kleinen in der Skischule Sexten untergebracht, dem Platzhirsch im Skigebiet mit den roten Skilehrern. Die holt sie mit dem Shuttlebus kurz nach neun direkt an unserem Wintercamping-Quartier Caravan Park Sexten mit Sauna und Schwimmbad ab, sammelt danach noch andere Kinder an Hotels und Pensionen ein und bringt sie um 16:15 Uhr zurück.

Skilehrer Eric holt vor dem Ganztages-Skikurs der Skischule Sexten die Kleinen mit dem Shuttle-Bus ab und bringt sie abends wieder zurück.

Skilehrer Eric holt vor dem Ganztages-Skikurs der Skischule Sexten die Kleinen mit dem Shuttle-Bus ab und bringt sie abends wieder zurück. © Matthias Niese

Ein toller Service, denn so bleibt uns genug Zeit für Entdeckungen: Der Salto-Bus rollt über die Piazza im Hauptort Padola. Hier ist es im Schnitt schon 5 Grad wärmer als im nahen Sexten, typisch italienische Häuser mit Fensterläden und Bars reihen sich an kleine Läden, ein venezianischer Campanile steht neben der eigentlichen Kirche.

Dieser hinterste Teil des Skigebiets ist noch ein Geheimtipp. Selbst in der Hauptsaison in den bayerischen Ferien, in der wir dort waren, stand kaum jemand vor uns am Lift, der immerhin 1000 Höhenmeter zum Wendepunkt des Giro führt.

Die breiten blauen, roten und schwarzen Pisten sind teils menschenleer, auch die über fünf Kilometer lange blaue 50er, auf der wir in weiten Schwüngen carven - so ausschweifend können wir andernorts nicht mal in der Nebensaison fahren.

Der Blick vom Rifugio Col d'la Tenda geht weit in die venezianischen Berge bis Slowenien. Unten im Tal ist es meist gut 5 Grad wärmer als im höheren Südtirol um Sexten. Die Adria ist hier schon ein Stückchen näher...

Der Blick vom Rifugio Col d'la Tenda geht weit in die venezianischen Berge bis Slowenien. Unten im Tal ist es meist gut 5 Grad wärmer als im höheren Südtirol um Sexten. Die Adria ist hier schon ein Stückchen näher... © Matthias Niese

Auf der einzigen Hütte am Berg, dem Rifugio Col d‘la Tenda, serviert der Hüttenwirt etwa Piatto aiarnola con pastin alla griglia, Formaggio alla piastra e polenta oder Gnocchi di patate fatti in casa con ragù di selvaggina, dazu einen Veneziano als Aperitiv mit Blick bis zu den Gipfeln Sloweniens - die letzte Grenze zwischen hier und der nahen Adria.


Mehr Informationen:
Dolomitenregion 3 Zinnen: www.drei-zinnen.info
IDM Südtirol
www.suedtirol.info
Tel.: 00 39 / 04 71 / 094 000
Skipässe und Skigebiet:
www.dolomitisuperski.com/de/Entdecken/Skigebiete/3-Zinnen-Dolomiten
Tel.: 00 39 / 04 71 / 795 397 bzw. www.dreizinnen.com
Skischule Sexten:
www.skischool.it
Tel.:00 39 / 04 74 / 710 375
Unterkunft:
Caravan Park Sexten mit Mountain Resort Patzenfeld
www.caravanparksexten.it
Tel.: 00 39 / 04 74 / 71 04 44
Anreise:
Ab Nürnberg mit dem Auto 480 Km via Brenner, 440 Km via Felbertauernstraße, mit Zug ca. 7 Stunden.
Leser Peter Stebel aus Oberasbach schreibt uns zur Anreise mit der Bahn: "€ 210 für zwei Personen für Hin- und Rückfahrt in der ersten Klasse sind nicht viel Geld von Nürnberg nach Sexten, die Dauer jeweils 7 Stunden für Hin- und Rückfahrt. Einschließlich jeweils 1 Stunde Aufenthalt in Franzensfeste (Die Umsteigezeit ist sehr knapp. Den sofortigen Anschluss nach Innichen kann man nur mit viel Glück erreichen). Die Stunde Pause kann man gut für einen Imbiss in der Bar neben dem Bahnhof nutzen. Wir freuen uns schon auf kommenden Januar, wenn wir wieder ganz entspannt mit der Bahn/Bus direkt vor den Eingang unseres Hotels fahren."

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