Wenig los - und deswegen so schön

Verstecken Sie sich am Ende dieses Tals: Die Sommerfrische lebt in Schwarzburg wieder auf

Dirk Engelhardt

8.8.2023, 08:00 Uhr
Schwarzburg liegt versteckt am Ende eines Tals im tiefsten Thüringer Wald - ideal für alle, die maximale Ruhe wollen.

© IMAGO images/Manfred Dietsch Schwarzburg liegt versteckt am Ende eines Tals im tiefsten Thüringer Wald - ideal für alle, die maximale Ruhe wollen.

Das Hotel Schlossberg ist absolut aus der Zeit gefallen, man müsste eigentlich sagen, dass hier eine ganze Epoche eingefroren wurde. Es liegt am Hang über dem Ort Schwarzburg - ein steiler Weg führt von hier zum Schloss. Seit 1909 bewirtschaften die Schildbachs das verwinkelte Haus - obwohl bereits im Rentenalter, kümmern sie sich ganz alleine darum.

Ein Zimmer kostet 45 Euro die Nacht, inklusive reichhaltigem Frühstück, das der Hotelchef persönlich mit vollendeten Manieren serviert. Irgendwie sind wir hier mitten in der guten alten Zeit gelandet.

Das Schloss Schwarzburg ist eine barocke Schlossanlage.

Das Schloss Schwarzburg ist eine barocke Schlossanlage. © IMAGO/imageBROKER/Michael Nitzschke

Der Speisesaal mit dem Glasdach ist riesig, "hier saßen zu DDR-Zeiten bis zu 100 Gäste", erzählt Schildbach senior. Das Haus war selbst im Sozialismus ein privat geführtes Hotel, für Renovierungen gab es keine offiziellen Material-Zuteilungen - das Hotel Schlossberg ist daher eher ein Museum.

Das ganze Innenleben zeugt davon, wie ein Hotel vor 100 Jahren aussah. Neben der Zimmertür hängt das schwarze Telefon mit der Wählscheibe, die geblümten Tapeten an den Wänden wölben sich schon etwas, und überall dominiert dunkles Holz. Selbstverständlich gibt es Zimmerschlüssel noch aus Metall, dick und solide, mit Bart. WLAN gibt es nicht, selbst der Handyempfang ist schlecht.

Die anderen beiden Hotels sind wesentlich moderner, doch nur wenige Touristen finden bislang den Weg in diesen wunderbaren Ort: Vom Kurort Bad Blankenburg führt eine zehn Kilometer lange, gewundene Straße entlang der Schwarza durch ein enges, waldiges, verwunschenes Tal. Am Ende der Straße liegt Schwarzburg mit gerade mal 1000 Einwohnern.

Ruhe, weil nichts los ist

Kaum ein Neubau verhunzt die gewachsene Dorfstruktur. In der Mitte steht die gut gepflegte kleine Kirche, ein paar Meter weiter das Rathaus von 1939, darin heute eine Arztpraxis. In der Dorfmitte offeriert die Konditorei Holub in einem reich verzierten Fachwerkhaus üppige Torten. Ein Schuhgeschäft ist noch offen, die Bäckerei hat vergangenes Jahr für immer ihre Türen geschlossen.

Im Hotel Weißer Hirsch am Kreisverkehr hat schon lange niemand mehr genächtigt, der riesige Fachwerkbau dämmert vor sich hin. Von hier führt die Straße ins Schloss - eine riesige, barocke Schlossanlage, zum Teil noch in Ruinen, zum Teil schon als "Denkort der Demokratie" restauriert.

Schließlich unterzeichnete Friedrich Ebert in Schwarzburg 1919 die Weimarer Reichsverfassung. Einst als Lusthaus errichtet, zeugen Kaiserbilder im Schloss von der ehrwürdigen Abstammung des Geschlechts der Schwarzburger.

Irma Zierat führt das Hotel Schwarzaburg, dessen große Terrasse in Schwindel erregender Höhe über dem Dorf schwebt. "Nach Corona ist das Übernachtungsgeschäft wieder ganz gut angelaufen", beschreibt sie die Lage, das Hotelrestaurant mussten sie 2019 schließen, auch sonst gibt es kaum noch Gastronomie im Ort.

Mitten im Dorf liegt der große Kultursaal in einem Fachwerkbau, dem ältesten Rundbogenbau Mitteldeutschlands. Er wird bewirtschaftet vom örtlichen Förderverein - bei besonderen Anlässen wie der Walpurgisnacht oder beim Feuerwehrfest vergnügen sich hier dann die meist älteren Dorfbewohner - viel Jugend ist abgewandert.

Gerade diese etwas langweile, unaufgeregte Atmosphäre in toller Landschaft und in einem hübschen Ort könnten die, die Ruhe und Natur suchen, zu schätzen wissen.

Denn Schwarzburg war vor 100 Jahren bekannt für die Sommerfrische: Hier ist es im Sommer deutlich kühler als in den heißen Städten - Schwarzburg soll daher künftig unter dem Label "Sommerfrische" vermarktet werden. Auch im Trend: Die Anreise mit nachhaltigen Verkehrsmitteln wie der Bahn: Der Ort hat einen Bahnhof aus der Kaiserzeit, der zudem vielen Fans von Modelleisenbahnen bekannt ist: Das Gebäude wird von der Firma Faller in 406 Einzelteilen als Miniaturbahnhof vertrieben.

Steilste Bergbahn der Welt

Mit der Bahn können Sie auch Ausflüge unternehmen, zum Beispiel in den Nachbarort. Von hier rollt die Oberweißbacher Bergbahn 323 Höhenmeter auf den Balkon Thüringens mit prächtiger Aussicht. Die Anlage, 1923 erbaut und 2002 saniert, gilt als die steilste Bergbahn der Welt mit normalspurigen Eisenbahnwagen. An der Bergstation rollt sie auf eine Drehscheibe und fährt als normale Eisenbahn weiter zu den Bergdörfern. Nicht nur für Technikfans ist das ein eindrucksvolles Erlebnis.

Gleich daneben liegt auch der Rennsteig - eine der schönsten Wanderregionen Deutschlands, die Wanderwege sind bestens ausgeschildert. Und Radler rollen auf dem Schwarzatal Radweg 44,7 Kilometer weit bei einem Höhenunterschied von 800 Metern - Unsportlichere machen die Strecke besser mit dem E-Bike.

Mehr Informationen:
www.thueringen-entdecken.de sowie www.thueringer-wald.com
Anreise:
Mit dem Zug ab Nürnberg in ca. 3 1/2 Stunden via Saalfeld, per Auto 180 Km ab Nürnberg via A 73
Tag der Sommerfrische im Schwarzatal am 20. August mit 30 Veranstaltungen an 15 Orten, eine Übernachtung lohnt sich, um die Region vertieft kennenzulernernen. www.tag-der-sommerfrische.de

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