Stellungnahme des Unternehmens

Warum Verbraucherschützer vor der beliebten Shopping-Plattform Temu warnen

mng

Online-Redaktion

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13.1.2024, 10:16 Uhr
Die chinesische Shopping-App Temu.

© IMAGO Die chinesische Shopping-App Temu.

Praktisch, bequem, schnell und sicher: So beschreibt der Entwickler Temu seine gleichnamige Shopping-App. In den vergangenen Monaten ist die chinesische Plattform besonders wegen ihrer günstigen Preise durch die Decke geschossen. Im Sommer 2023 belegte die App sowohl im Google Play Store als auch im App Store von Apple den ersten Platz bei den am meisten heruntergeladenen kostenlosen Apps für Handy, berichtete "ZDF". Doch wie sicher ist der Shop?

Die Plattform Temu verkauft, ähnlich wie seine Konkurrenten Wish oder AliExpress, keine eigenen Produkte, sondern vertreibt Artikel über Dritthersteller und Händler. Die Ware wird also direkt vom Hersteller geliefert und es fehlt an entsprechenden Qualitätsprüfungen, erklärt das Bundesministerium des Innern und für Heimat auf der von ihr betriebenen Website "sicher-im-netz.de". Während eines Probeeinkaufs stellte das WDR-Magazin "Servicezeit fest", dass von 20 bestellten Produkten einige elektronische Geräte kein in Deutschland zugelassenes CE-Zeichen trugen. Das Zeichen ist beispielsweise für elektronische Geräte oder Spielwaren in der EU verpflichtend. Produkthersteller gewährleisten durch das Zeichen, dass ihre Artikel den produktspezifisch geltenden europäischen Richtlinien entspricht.

Temu-Kundinnen und Kunden erhalten immer wieder schlechte Ware, berichtet die Verbraucherzentrale Bayern. Zudem kritisieren Käufer lange Lieferzeiten, einen schlecht erreichbaren Kundenservice oder auch, dass bestellte Ware gar nicht ankommt. Aus diesem Grund rät das Sicherheits-Barometer des Bundesministeriums des Innern und für Heimat Kundinnen und Kunden davon ab, Produkte bei Temu zu kaufen.

Ein weiterer Kritikpunkt, welcher gegen die App spricht, ist, dass Temu eine echte Datenkrake ist. Sobald Kundinnen und Kunden das Programm auf dem Smartphone oder Tablet installieren, fordert der Hersteller zahlreiche Zugriffsberechtigungen ein. Die App will dabei beispielsweise auf die Kamera, auf das Mikrofon oder das Adressbuch im Smartphone zugreifen, erklärt die Website "sicher-im-netz.de". In der Regel wird dies nicht zum Einkaufen benötigt.

Andere Verbraucherschützer untersuchten zudem die Codierung der App. So hat das Rechercheteam des Portals Grizzly Research LLC die amerikanische Variante von Temu näher durchleuchtet und dabei entdeckt, dass die App nach Installation eigenständig Programme schreiben kann: "TEMU hat eine umfangreiche Softwarebasis geschaffen, um die Daten seiner Kunden rücksichtslos zu plündern", schreibt das Analyseteam dazu. Dadurch kann die App auch auf Nachrichten oder andere Dokumente zugreifen. Haben Kundinnen und Kunden zudem eine Banking-App auf ihrem Handy, könnte Temu auch auf Bankunterlagen Einsicht haben, erklärt Siegfried G. Eggert, CEO von Grizzly Research LLC, im Gespräch mit dem amerikanischen Fernsehsender "CNBC".

Grund dafür ist wohl, dass der reine Verkauf für Temu nicht rentabel ist. Ein Insider erklärte gegenüber dem amerikanischen Branchenmagazin "Wired", dass die Shopping-Seite pro Bestellung durchschnittlich 30$ verliert. Das Defizit wird dann durch den Verkauf von Daten ausgegliche. Wie der Sicherheitsexperte Michael Littger im Gespräch mit dem "rbb erklärt, dass man bei dem Erwerb von günstigen Produkten am Ende womöglich mit seinen Daten zahlt.

Das Geschäft scheint trotz Verluste zu florieren - Temu ist quasi immer und überall präsent. Das Unternehmen konnte beispielsweise zum Superbowl zwei kostspielige Werbeslots buchen - zu diesem Zeitpunkt war es gerade mal vier Monate alt. Auch auf Social Media ist es sehr präsent: Wie eine funk-Recherche ergab, laufen auf Meta aktuell 3.800 Temu-Anzeigen in Deutschland, 3.600 in Frankreich und 7.000 in Großbritannien.

Datenklau trotzt Europäischen Datenschutz-Grundverordnung?

Hierzulande ist die Datenschutzlage ein wenig anders und europäische Kundinnen und Kunden sind theoretisch durch die Europäische Datenschutz-Grundverordnung gut geschützt, erklärt der Sicherheitsexperte Littger. Die Verordnung bildet jedoch nur eine Grundlage für alle Anbieter, die in Europa Geschäfte machen. Die Umsetzung liegt bei den Anbietern. Je weiter diese entfernt sind, desto schwieriger wird es, ihre Geschäfte zu kontrollieren.

Anschuldigungen wegen mangelnden Datenschutz weist die Plattform zurück. Gegenüber "rbb" erklärt ein Temu-Sprecher, dass das Unternehmen großen Wert auf den Schutz der Privatsphäre legt und transparent in Bezug auf ihr Datenpraktiken ist. Sie unterlägen "einer umfassenden regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Kontrolle. Wir erheben Daten mit einem klaren und eindeutigen Ziel: die Bereitstellung und kontinuierliche Verbesserung unserer Produkte und Dienstleistungen für unsere Nutzer. Unsere Praktiken stehen im Einklang mit den üblichen Praktiken der Branche. Temu verkauft keine Kundendaten."

Temu nimmt Stellung zu Vorwürfen

Eine Pressesprecherin von Temu hat sich mit einer Stellungnahme zu den besagten Vorwürfen an die Redaktion gewendet. Temu erklärt in dem Schreiben, dass die Behauptungen in dem Bericht von Grizzly Research LLC unbegründet seien. Sie wären "von einer Leerverkaufsfirma mit schlechter Leistungsbilanz" an die Öffentlichkeit getragen worden. Temu nach soll der Bericht Panik verbreiten, um die Aktienkurse zu drücken. Die Leerverkaufsfirma soll so auf einen Profit durch die Leerverkäufe gehofft haben. Offenbar sollen die Vorwürfe die meisten Verbraucher nicht abgeschreckt haben: "Der Aktienkurs der Muttergesellschaft von Temu, PDD Holdings, ist seit der Veröffentlichung des Berichts Anfang September um mehr als 40 % gestiegen." Um die Datenpraktiken und Sicherheitsprotokolle transparenter zu machen, soll Temu Maßnahmen zur Verbesserung der Kommunikation ergriffen haben.

Auf der Website sollen die Nutzer die Berechtigungen, die Temu abfragt, einsehen können. In den Datenschutzrichtlinien sollen sich die Verbraucher außerdem ansehen können, wie und welche Daten der Shop verwendet. "Temu legt großen Wert auf den Schutz der Privatsphäre und ist transparent in seinem Umgang mit Daten", heißt es seitens der Plattform. Die Daten würden nur für einen Zweck gesammelt werden, um die Produkte und Dienstleistungen zu verbessern und an den Kunden anzupassen.

Im November soll Temu eine Partnerschaft mit der Cybersecurity-Agentur HackerOne eingegangen sein. Die Plattform wird genutzt, um sogenannten ethnischen Hackern die Möglichkeit zu geben, Sicherheitslücken zu entdecken. Amazon, Google, Tesla und Facebook arbeiten ebenfalls mit der Agentur zusammen. "Temu betrachtet Datenschutz und Sicherheit als Kernfunktionen unserer Plattform", heißt es zudem in der Stellungnahme des Unternehmens.

Sicher Temu benutzen - So gehts:

Die Verbraucherzentrale Bayern rät, dass Kundinnen und Kunden bei der Nutzung von Temu auf folgendes achten sollten:

  • Informieren Sie sich über die geltenden Zollbestimmungen, wenn Sie bei Händler:innen außerhalb der EU bestellen. Sonst können zusätzliche Steuern und Zollgebühren auf Sie zukommen.
  • Gehen Sie nach Möglichkeit nicht in Vorkasse, sondern zahlen Sie erst, wenn Sie die Ware erhalten haben und zufrieden sind. Bekommen Sie Zahlungsaufforderungen, bevor Sie Ware erhalten haben, ignorieren Sie sie nicht, sondern melden Sie sich beim Online-Kundenservice und erklären dort, dass Sie noch nichts erhalten haben.
  • Kommt Ware von Händlern in Fernost, kann es zu langen Lieferzeiten kommen.
  • Achten Sie bei elektronischen Geräten auf zugelassene CE-Zeichen.
  • Insgesamt ist es wichtig, kritisch zu sein und sich vor dem Kauf gut zu informieren. Überprüfen Sie die Bewertungen anderer Kunden.
  • Temu macht keinen Hehl daraus, an personenbezogenen Daten interessiert zu sein und diese auch für kommerzielle Zwecke zu nutzen. Wer die Plattform datensparsam nutzen möchte, sollte darauf achten, etwa dass das Standorttracking in den Einstellungen des Smartphones deaktiviert ist. Außerdem raten wir generell von Single-Sign-On ab.
  • Darüber hinaus besteht das Problem der Nachhaltigkeit. Weit gelieferte (und eventuell zurückgeschickte) Produkte aus China belasten die Umwelt. Die Mentalität "Billig-Produkte neu kaufen" anstatt sie wiederzuverwenden, zu reparieren oder Secondhand zu kaufen, geht zu Lasten der endlichen Ressourcen unserer Welt.

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