Wellness für die Seele

Gehmeditation im Labyrinth: So fühlt es sich an

27.6.2021, 10:00 Uhr
Behutsam setzt Armin Nögel bei der Gehmeditation einen Fuß vor den anderen.

© Anna Franck Behutsam setzt Armin Nögel bei der Gehmeditation einen Fuß vor den anderen.

Auf und ab, ganz sachte. Der Brustkorb hebt und senkt sich. Niemand sagt ein Wort, Vögel zwitschern in den Bäumen des Bad Windsheimer Kurparks, nebenan bellt ein Hund. Der Wind pfeift, bringt die Haare zum Tanzen. Die Sonne küsst die nackte Haut, Wärme macht sich wie eine auslaufende Flüssigkeit im ganzen Körper breit. Für einen Moment darf der Alltag Alltag sein. Loslassen, entspannen. Mit jedem Schritt kehrt Ruhe in den Körper ein.

Ein Riemen schnürt sich in Armin Nögels Schulter. Satte zwölf Kilogramm hängen daran. Wäre der 49-Jährige nicht so groß gewachsen, würde die schwarze Transporthülle wohl am Boden schleifen. Das keltische Steinlabyrinth, einst vom Kurstädter Hospizverein errichtet, ist Armin Nögels Ziel. Es sei der ideale Kraftort für Stille, Achtsamkeit und geistige Ruhe.

Zeit für Stille - auch im Alltag

Wenige Meter vor dem Labyrinth hält er einige Sekunden inne. Ab jetzt wird nicht mehr gesprochen. Armin Nögel nimmt einen tiefen Atemzug, seine Lippen formen ein sanftes Lächeln. „Den denkenden Geist zur Ruhe bringen“, das ist, was Meditation bewirken kann – vorausgesetzt man lässt sich darauf ein.

Das Steinlabyrinth im Bad Windsheimer Kurpark wurde vom Hospizverein errichtet.

Das Steinlabyrinth im Bad Windsheimer Kurpark wurde vom Hospizverein errichtet. © Anna Franck

„Gedanken sind ständig da“, sagt Armin Nögel. In der Meditation lässt man sie wie Wolken weiterziehen, ohne sie zu bewerten. Der Fokus richtet sich auf den Atem und bei der Gehmeditation zusätzlich auf das achtsame, langsame Gehen – ohne Eile, ohne Stress. Auch im Alltag kann das eingebaut werden, beispielsweise auf dem Weg von der Besprechung zum Arbeitsplatz. Denn Fakt ist für Armin Nögel: „Der Lebensweg führt irgendwann auf den Friedhof,“ egal ob man ihn bedacht und gehetzt geht.

Schwungvoll stößt sich Armin Nögel vom Boden ab, steigt auf einen der größeren Steine des Labyrinths und streckt sich. Zwei goldene Ketten glitzern in der Sonne in seiner Hand. Gekonnt befestigt er sie am Ast eines Baumes, der inmitten des Labyrinths seine Wurzeln geschlagen hat. Behutsam zieht er einen goldenen Gong aus der Transporthülle. Wenige Sekunden später tragen ihn die Ketten. „Bleibt der hier hängen?“, fragt eine Spaziergängerin, die das goldene Etwas neugierig aus der Ferne betrachtet. Armin Nögel strahlt, wenngleich er die Frage verneinen muss – das Interesse freut ihn.

Armin Nögel bietet im Steinlabyrinth im Bad Windsheimer Kurpark Gehmeditationen an.

Armin Nögel bietet im Steinlabyrinth im Bad Windsheimer Kurpark Gehmeditationen an. © Anna Frank

Schnelle Flügelschläge lassen Armin Nögel den Himmel absuchen. In der Krone des Baumes hat sich eine Taube niedergelassen. Das Krafttier des 49-Jährigen hat abermals seine Nähe gesucht, sagt er. Er kann den Blick nicht von dem Tier wenden und will es auch gar nicht: „Diesen Moment müssen wir jetzt genießen.“ Er lässt sich auf einem Stein nieder und starrt in den Baum. Friedlich putzt die Taube ihr Gefieder und beobachtet das Treiben unter sich. „Ist das schön“, sagt Armin Nögel und seufzt.

Ein Zauber in jedem Anfang

Einen Draht zu Tieren und der Natur hatte der 49-Jährige, der aus Hausen in Oberfranken stammt und heute in Münchsteinach lebt, schon immer. „Das kommt nicht von heute auf morgen. Das ist ein Teil von mir.“ Wie Hermann Hesse, glaubt auch Armin Nögel daran, dass jedem Anfang ein Zauber innewohnt. Seinen Job im IT-Bereich hing er deshalb an den Nagel. 2016 absolvierte er eine Klangausbildung, im Anschluss eine zum Kursleiter für Waldbaden an der Deutschen Akademie für Waldbaden und 2019 schließlich eine Ausbildung im betrieblichen Gesundheitsmanagement.

Seit 1. Januar des vergangenen Jahres bietet Armin Nögel über die Kur-, Kongress- und Touristik GmbH Bad Windsheim neben Waldbaden auch Bewegungs-, Klang-, und Gehmeditation an. Mit seinen Angeboten will er den Menschen die Natur nahe bringen, denn „was der Mensch liebt, schützt er“.

Damit der Kontakt zur ihr noch inniger wird, streift Armin Nögel seien Schuhe von den Füßen und bewegt sich Richtung Labyrinth. Die Gehmeditation beginnt. Wie ein Kleinkind, das gerade laufen lernt und darauf konzentriert ist die nötige Balance zu halten, tapst man die ersten Schritte. Kälte und Wärme wechseln sich unter den Fußsohlen ab, je nachdem ob das Gras unter Füßen im Schatten liegt oder nicht. Von der Ferse aus rollt der Fuß ab. Ohne Hetze, behutsam, ganz langsam. Es braucht Zeit bis der Atem seinen Rhythmus findet.

Nach und nach löst sich die Anspannung, es wird leichter. Grashalme kitzeln die Fußsohle wie eine Feder. Der Atem stockt kurz, man will sich schütteln, dann macht sich ein Lächeln breit. Auch andere Gesellen geraten unter die Fußsohlen: Schmerz lass nach heißt es bei Steinen oder Wurzeln.

Gedanken kommen

Wie beschreibt man solche Gefühle, die jeder eigentlich selbst erleben muss in einem Text am besten? Starke Verben braucht es, lieber detailliert formulieren als mit Adjektiven um sich werfen. Armin Nögel hat nicht gelogen: Die Gedanken kommen. Stopp. Im Hier und Jetzt bleiben. Atmen und gehen. Sie ziehen weiter – wie Wolken.

Die Sonne scheint, wie eine Kuscheldecke, eine sanfte Umarmung legt sich die Wärme um einen. Der Blick schweift über die Erde, so grün ist das Gras. Eckige, runde, große, kleine – jeder Stein sieht anders aus. Eine Fliege macht Rast auf einem davon. Kleinigkeiten fallen in der Stille plötzlich auf. Genussvoll will man die Augen schließen, um alles ringsherum auszublenden. Sie formen nur noch Schlitze. Es schaukelt, wer schubst da von der Seite? Niemand, nur das Gleichgewicht, das da nicht mitspielt. Anfangs ist es seltsam, Radfahrer und Spaziergänger bleiben stehen und glotzen. Das stört erst, irgendwann wird es egal, fällt einem kaum mehr auf.

Der goldene Gong spielt bei der Gehmeditation eine wichtige Rolle.

Der goldene Gong spielt bei der Gehmeditation eine wichtige Rolle. © Anna Franck

Es ist still. Jeder ist bei und in sich. Ein Gang, der sonst nach zwei Minuten erledigt wäre, hat in Achtsamkeit knapp eine halbe Stunde gedauert. Armin Nögel packt den Schlegel, zieht auf und lässt die erdigen Töne des Gongs erklingen. Erst einmal, dann zweimal, dann immer öfter. Ein Beben zieht wie Wellen durch den Körper. Er pulsiert. „Der Klang geht in das Unterbewusstsein. Dagegen kann man sich nicht wehren“, sagt Armin Nögel.

Jeder reagiere anders auf eine Meditation: Die einen brechen in Tränen, anderen ist nach Lachen zumute, wieder andere starren befreit vor sich hin. „In der Stille kommen Gefühle“, sagt Armin Nögel. Der Trubel des Alltags lenke uns von uns selbst ab. Ablenkung weckt keine Erinnerungen. Das Schweigen fällt jetzt leicht. „Wenn die Teilnehmer gehen, schwingt oft eine gewisse Traurigkeit mit.“

Weitere Informationen zur Gehmeditation gibt es in der Tourist-Information unter Telefonnummer 09841/66 89-700 oder per E-Mail tourismus@bad-windsheim.de. Da das Angebot im Freien stattfindet, besteht keine Maskenpflicht. Auf Abstand soll geachtet werden.

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