Lust auf Garten: Die Menschen zieht es in die Natur

16.8.2020, 06:00 Uhr
Lust auf Garten: Die Menschen zieht es in die Natur

© Foto: Anna Franck

26 Parzellen gibt es auf dem Vereinsgelände in der Nähe der Karl-Schirmer-Allee, eine davon sei im Frühjahr aufgegeben worden. "Für diese gab es sieben oder acht Bewerbungen", erklärt Vorsitzende Birgit Brych. Ordentlich, wenn man bedenke, dass es Zeiten gab, in denen Parzellen des knapp 300 Mitglieder zählenden Vereins lange leer standen.

"Der Garten wird mehr wertgeschätzt", sagt Birgit Brych. Etliche, die beispielsweise in kleinen Wohnungen leben, hätten angefragt. "Ganz wichtig" sei der Garten für viele gewesen, körperlich aber auch für die mentale Gesundheit. Ein Schwätzchen über den Zaun auf Abstand sei schließlich nicht verboten gewesen.

In den Parzellen selbst habe sich einiges getan: "Die waren noch nie so aufgeräumt", erzählt Birgit Brych. Den Garten-Trend kann auch Kreisfachberater Richard Krämer bestätigen, wenngleich er betont, dass es zwei Seiten gebe: "Die Leute haben sich zuhause mehr mit dem Garten beschäftigt", manche hätten Hecken und Bäume aber zu intensiv beschnitten. "Wie das halt so ist, wenn man zu viel Zeit hat."

Rückzugsort für jeden

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Ohne Garten hätte Verena Herr sich die Corona-Zeit nicht ausmalen wollen, auch wenn sie mit ihrem Mann und den beiden Töchtern Esther und Sara auch so viel in der Natur unterwegs war. Der Garten biete jedem Familienmitglied einen Rückzugsort: den Kindern Platz zum Toben und den Erwachsenen zum Gärtnern und Entspannen.

Ansäen, gießen, ernten – viel Zeit und Geld investiert die 42-Jährige in ihren Garten. Dieses Jahr habe sie – dank Corona – zeitig fertiggepflanzt. "Mein Garten ist nicht aufgeräumt", erklärt Verena Herr ganz offen. Das sei Absicht, schaffe doch gerade die Natürlichkeit eine Lebensgrundlage für Insekten oder Bienen.

"Er ist jedes Jahr anders, aber immer voll." Brennnesseln seien beispielsweise bei Gärtnern oft unbeliebt, bei ihr dürften sie wachsen, da Schmetterlinge sie nutzen können. Auch auf Chemiekeulen verzichte sie, setzt stattdessen auf Brennnesselbrühe oder Kompost.

Von vermeintlich leicht zu pflegenden Steingärten ist die 42-Jährige nicht überzeugt. "Das täuscht." Vogelkot fördere beispielsweise das Wachstum ungebetener Gewächse durch die Steine hindurch. Mehr fachliche Unterstützung und Beratung bezüglich Gestaltungsmöglichkeiten seitens der Stadt für Menschen, die neu bauen, würde sich Verena Herr wünschen.

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Gerne probiert sich die 42-Jährige beim Anbau unterschiedlicher Obst- und Gemüsesorten aus: Tomaten, Zucchini, Paprika und Süßkartoffeln haben es unter anderem dieses Jahr hinein geschafft. Die Arbeitsteilung zwischen ihr und ihrem Mann sei dabei klar geregelt: "Er jätet gerne, ich säe lieber an." Ihre Töchter pflegen ein "Kinderbeet". "Die Motivation ist je nach Laune unterschiedlich, aber auch das muss wachsen."

Martin Hofmann, Kassier des Obst- und Gartenbauvereins, baut in seiner Parzelle vor allem Gemüse an. Ursprünglich wollte er 2020 wegen der Trockenheit weniger pflanzen, nun sei es doch mehr geworden. "In der Corona-Zeit war das praktisch." In den vergangenen Jahren habe er aufgrund der Trockenheit vor allem auf Stauden umgestellt, da diese verträglicher mit ihr seien.

Ausgleich zum Alltag

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Der 29-Jährige ist auf einem großen Grundstück aufgewachsen, ohne Garten könnte er es sich nicht vorstellen. Zwar verfügt Hofmann, wie er erzählt, bei seiner Eigentumswohnung über eine Dachterrasse, aber "der Garten ist einfach ein schöner Ausgleich". Steht er sonst beruflich in der Werkhalle, genießt er die Zeit in der Natur und die Gespräche mit Spaziergängern.

Blumen, Rasen und Hochbeete sind im Garten von Hans Dasch, Zweiter Vorsitzender des Vereins, zu finden. Die Corona-Zeit hat der 89-Jährige genutzt, um zu pflastern und eine Zisterne zu installieren. Mit seinem "grünen Gewissen" könne er es nicht vereinbaren, wertvolles Trinkwasser aus der Leitung zum Gießen zu verwenden. Mit Garten sei die Corona-Zeit seiner Ansicht nach entschieden leichter zu ertragen. "Da sieht man, was ein Garten wert ist.

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Wenn die Vögel zwitschern. Was braucht man mehr?" Dass ein schöner Garten aber auch Mühe bedeutet, stellt der 89-Jährige klar. Die Trockenheit sei schon jahrelang ein Problem, "die Menschheit tut aber so, als ob es normal wäre. Wir wollen alle aus den Vollen schöpfen, aber nur Nehmen geht eben nicht."

Im Garten gibt es immer etwas zu tun. Für etwa 15 Minuten könne sich Verena Herr entspannt inmitten von Gewächsen niederlassen. "Danach kribbelt es schon wieder in den Fingern."

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