Abschied von Berlin
Zwölf Jahre im Bundestag: Uwe Kekeritz bereitet sich auf seine Zeit als Ex-Parlamentarier vor
15.10.2021, 12:00 UhrIdyllisch gegenüber dem früheren Feuerwehrweiher und der Dorfwirtschaft liegt das rosa Häuschen im Zentrum von Custenlohr. Der Garten ist naturbelassen. „Ein großer Gärtner bin ich nicht“, bekennt Uwe Kekeritz, obwohl er dafür nach Ende seiner zwölf Jahre im Bundestag nun mehr Zeit haben könnte. Gerade sind Handwerker dabei, die Einliegerwohnung umzubauen. Mit dem großen Umbruch, der nun im Leben des 68-Jährigen ansteht, hat das aber nichts zu tun. „Das war schon lange geplant.“
Zwölf Jahre war der im Allgäu geborene Uwe Kekeritz Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90/ Die Grünen. Knapp hat er am 26. September den Wiedereinzug ins Parlament verpasst. Ein paar Prozentpunkte mehr für die Grünen hätten genügt, dann wäre der Experte für fairen Handel weitere vier Jahre Abgeordneter gewesen, hätte mit den Grünen die Chance gehabt, nicht in der Opposition, sondern als Regierungspartei etwas zu bewegen. „Das hätte mich schon gereizt“, gibt er zu.
Eventuell gar ein Minister Kekeritz? „Wen hätte das nicht gereizt.“ Doch angesichts seines Alters findet er, das wäre ohnehin passender für Jüngere. „Das sollte langfristig angelegt sein. Mit 68 muss ich keine Karriere mehr machen, die hab ich schon gemacht. Ich bin zufrieden mit meinem Leben.“
Und das war bisher ereignisreich. In Uffenheim wohnt Kekeritz seit 1990, seit 1995 im Ortsteil Custenlohr. Davor war der studierte Volkswirt als Entwicklungshelfer (1988 bis 1990) im Ausland tätig. Danach hat er selbstständig als Unternehmensberater gearbeitet, dann für ein Berufsförderwerk. Bis zu seinem Einzug in den Bundestag im Oktober 2009 war er Stadtrat in Uffenheim, und noch einige Jahre Kreisrat.
Seit 2009 hat sich sein Leben viel in Berlin abgespielt und auf Reisen. 22 Sitzungswochen im Jahr in der Hauptstadt, dazu Termine in Bayern, Deutschland und weltweit, immerhin ist der internationale, faire Handel sein Thema. An die Reisen erinnern in seinem Büro nicht nur eine große Weltkarte, sondern auch Bilder und viele geschnitzte Figuren aus Afrika. Ein Selfie mit Bill Gates findet man dort nicht, auch wenn er den zweimal getroffen hat, wie er erzählt.
Neben dem Bildschirm steht eine graue Porzellan-Tasse mit dem Bild des Bundestagsgebäudes. Das sei eine kleine Sache, die man erreicht habe: keine Pappbecher mehr in der Kantine des Bundestags. Dass das Thema Klimawandel nun „im Bewusstsein aller“ sei, das Lieferkettengesetz, das noch kurz vor Ende der Legislaturperiode verabschiedet wurde, und den erfolgreichen Widerstand gegen die EU-Freihandelsverträge TTIP und CETA nennt er Erfolge. Ein „Highlight“ seiner Zeit in Berlin: eine Demonstration von 300 000 Menschen gegen die Freihandelsabkommen. „Ich habe es als Auszeichnung und Ehre empfunden, den Wahlkreis in Berlin vertreten zu dürfen“, betont Kekeritz. „Das hab ich in Ehre und Demut angenommen und bin sehr dankbar für dieses Privileg, das mir die Wähler im Landkreis gegeben haben.“
Doch kein Philosoph
Nun wird sich sein Leben wieder stark verändern. Am Wahlabend hatte er angesichts der Prognosen noch gescherzt: „Dann werde ich Philosoph.“ Das liege ihm nicht, auch wenn er gute Analysen schätze. „Es gibt ganz viele Nachfragen, auch aus dem politischen Bereich“, sagt Kekeritz, für ehrenamtliche oder halbberufliche Tätigkeiten. Bis Weihnachten werde er aber nichts entscheiden. Auch die Tochter, die in Niederbayern lebt, habe schon angefragt, ob er nicht mehr Zeit mit den beiden Enkeln verbringen wolle. Vollzeit-Kinderbetreuer werde er nicht, sagt der zweifache Vater, aber mit dem Zug sei man ja sehr schnell dort.
„Ich versuche, es allen recht zu machen“, erklärt er, müsse aber erst einmal die Optionen abwägen. Die Themen, die ihn bisher beschäftigt haben, bewegen ihn immer noch und er ist gut vernetzt, mit kirchlichen und Gewerkschaftsorganisationen, der Wissenschaft. „Ich habe jede Menge Energie“, erklärt er, dass er sich noch kein geruhsames Rentnerdasein vorstellt. Mehr Zeit zum Wandern, die soll neben dem Engagement aber sein. Vielleicht fange er auch wieder an, Schach zu spielen.
Die Jungen machen das schon
Zunächst stehen einmal Abschiede an, von den Mitarbeitern in Berlin, die ihn nach zwölf Jahren gut kennen. Nun werden nicht mehr sie seine Termine koordinieren, E-Mails vorsortieren. Er muss sich um alles selbst kümmern, wird öfter als bisher in seinem gemütlichen Büro mit der robusten Monstera-Pflanze, die auch längere Abwesenheit gut überstanden hat, arbeiten.
Kekeritz ist sicher, dass seine Themen weiter in Berlin gut vertreten werden. Man habe ohnehin übergreifend zusammengearbeitet. Seine Hilfe habe er angeboten: „Wenn ihr Fragen habt, ruft an.“ Doch er weiß, die Jungen müssen ihre eigenen Erfahrungen machen. „Da kommt kein einziger Anruf“, sagt er und lacht.
Ganz zu Ende ist seine Zeit in Berlin noch nicht, erst am 26. Oktober um 16 Uhr. „Dann ist Schluss“, sagt Kekeritz. Noch ist alles im Umbruch. Sein Büro wird aufgelöst, Akten werden aussortiert, die Wohnung ist gekündigt. Aber noch ist politische Arbeit zu tun. Er ist gerade auf dem Sprung, wieder nach Berlin, um einen möglichen Koalitionsvertrag mit vorzubereiten. Er hilft als Fachpolitiker mit abzuklopfen, wo es Gemeinsamkeiten oder Trennendes bei seinen Themen mit SPD und FDP gibt. Und die CDU/CSU? Jamaika sieht Kekeritz nicht als Möglichkeit. Das habe auch Söder ausgeschlossen.
Neben den Bundestagstassen, von denen er weitere erwerben will, bleiben Kekeritz viele Erinnerungen und Kontakte, und auch ein „silberner Bundestagsausweis“. Damit kann er jederzeit das Gebäude betreten, „auf die Kuppel und Berlin anschauen“.
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