Nach Schließungsbeschluss: Politik und Schüler kämpfen für Theresianum
12.6.2015, 15:20 UhrIn den Pfingstferien will sich die Mehrzahl der Schüler wohl vor allem unbeschwert erholen. Wen das schlechte Gewissen drückt oder wem gar der Abschluss bevorsteht, der greift natürlich zum Schulbuch. Aber egal, ob Ferientaumel oder Abi-Stress, ein Programmpunkt ist sicherlich nicht vorgesehen: Sorgen machen um die Zukunft der eigenen Bildungseinrichtung.
Neue Chance für Spätberufene
Anders im Bamberger Theresianum: Auf dem Provinzkapitel in der Pfingstwoche beschloss das Leitungsgremium der vereinigten deutschen Provinzen der Karmeliten völlig überraschend einen Schlussstrich zu ziehen unter die bald siebzigjährige Erfolgsgeschichte des Spätberufenenwerks.
Als Begründung der aus Ordenssicht notwendigen Entscheidung führt Provinzial Dieter Lankes neben einer veränderten Schullandschaft die Abhängigkeit von nicht langfristig zugesicherten Zuschüssen für den laufenden Schulbetrieb sowie die personelle Situation der Karmeliten ins Feld. Große Verantwortung für immer mehr ältere und pflegebedürftige Brüder stünden stetig zurückgehenden Einnahmen durch aktive Seelsorgeaufgaben und sinkenden Mitgliedszahlen entgegen. Auch an anderen Standorten in Deutschland werde der Orden zu einschneidenden Entscheidungen gezwungen sein, so Lankes.
Das Bamberger Theresianum eröffnete 1946. Als Gymnasium mit Kolleg und Seminar begleitet es bisher Klasse um Klasse in drei oder vier Jahren auf dem Weg zum Abitur. Haupt- und Realschüler sowie junge Menschen mit mindestens zweijähriger Berufserfahrung erhielten hier zumeist erfolgreich eine neue Chance.
Ehemalige bestürzt - Neuanmelder atmen auf
Den Wert der Schule beschreibt Michelle Shihrer, Mitglied der Abschlussklasse 2008, folgendermaßen: "Das Theres war für mich ein Ort der Entfaltung: Eine Schule, an der man so sein konnte, wie man war und nicht wie man sein sollte. Ein statisches Lehrer/Schülerbild gab es nicht; als Schüler hatte man eine Stimme, die gehört, respektiert und geschätzt wurde." Ihre Zeit am Theresianum verbindet sie mit vielen schönen Erinnerungen: "Es wurde gelacht, gefeiert - man ist einfach gerne zur Schule gegangen." Umso trauriger wäre für Shihrer der Wegfall dieser "besonderen Schule": "Der Bildungsaufstieg ist in unserem Schulsystem schließlich schon schwer genug!", findet sie.
Immerhin kann der kirchliche Träger seiner Verantwortung gegenüber den Schülern gerecht werden. Herrschte zunächst Unklarheit über die Modalitäten des "Auslaufens" und insbesondere über die Neuanmeldungen für das kommende Schuljahr, linderte Schulleiter Pater Roland Hinzer zumindest die ärgsten Sorgen und informierte die derzeit rund 180 Schüler in einer "sehr emotionalen Begegnung" in der Schulkapelle am Montag darüber, dass "ihnen der Weg zum Abitur an der Schule erhalten bleibt". Zudem erklärte Hinzer: "Alle Zusagen für die Schulaufnahme im Schuljahr 2015/16 werden eingehalten. Die Einstiegsklassen erhalten die volle Garantie, dass sie über die drei bzw. vier Schuljahre auf ihrem Weg zum Abitur am Theresianum unterrichtet werden."
Für die Lehrkräfte folgt danach ein bedeutender Einschnitt. Das Bistum Bamberg hat zugesagt, bei der Vermittlung an andere kirchliche oder staatliche Schulen zu helfen. Eine Übernahme und Fortführung der Schule könne allerdings nicht stattfinden, heißt es vom Domberg. Auch für den Freistaat ist dies nach Angaben der Schule nicht möglich.
Aus dem Schock keimt die Hoffnung
Für das erst in den letzten Jahren millionenschwer sanierte Schulgebäude scheint es schon eine neue Perspektive zu geben. Die Salesianer Don Boscos planen gemeinsam mit der Stadt seit Längerem einen Umzug der Bartolomeo-Garelli-Förderschule. Die Theresianer wollen das Aus hingegen nicht so einfach akzeptieren. Befragte Schüler äußern sich enttäuscht, aber gleichzeitig zaghaft hoffnungsfroh.
Eine Schülerin der zwölften Klasse schildert die Lage wie folgt: "Allgemein lässt sich sagen, dass der Unmut groß ist, sich daraus aber zeitgleich eine gewisse Motivation entwickelt hat. Schüler, Lehrer, Ehemalige kämpfen für die Schule und stecken ihr Herzblut in diese Sache. Natürlich sind wir enttäuscht darüber, dass man unsere Schule, das Theresianum, einfach aufgeben möchte, obwohl die Schule erst generalsaniert wurde und auch immer mehr Zuspruch erfährt. Da schwingt auch ein gewisses Unverständnis mit, weil man ja sieht, dass die Schule jedes Jahr mehr Bewerber hat. Die anfängliche Schockstarre ist aber definitiv einer ambitionierten Widerstandsbewegung gewichen."
Wechselbad der Gefühle
Auf die Frage, wie es ihm in der Situation gehe, antwortet ein Elftklässler: "Eigentlich ganz gut, weil doch einiges bewegt wird und ich irgendwie das Gefühl habe, das Theres wird noch gerettet. Die Verantwortlichen haben bestimmt auch nicht mit so viel Gegenwehr von allen Seiten gerechnet. Also ich bin jetzt zuversichtlich, nachdem der erste Schock überwunden ist."
Eine andere Schülerin bringt es in wenigen, markanten Worten auf den Punkt. Sie sei "demotiviert, schlecht gelaunt und kampfbereit."
Die Gegenwehr hat längst die sozialen Netzwerke erreicht. Unter dem Slogan #RettetdasTheres hat sich in wenigen Tagen eine Gruppe von über 500 Mitgliedern formiert, um über mögliche Rettungspläne und weitere gebündelte Aktionen zu diskutieren.
Eindringlicher Hilferuf
Stella Ott aus der zwölften Klasse wendet sich in einem offenen Brief an die Redaktion, an "alle politischen Institutionen und Mandatsträger, alle kirchlichen Organisationen und Wirtschaftsvertreter". Ihre Bitte: "Lasst das Theresianum nicht sterben!". Sie respektiere die Entscheidung des Ordens, aber an anderer Stelle müsse nun nach Lösungen gesucht werden: "Es wäre ein Armutszeugnis und gerade für 'Spätberufene', die auf den zweiten Bildungsweg das Abitur nachholen möchten, ein falsches Zeichen."
"Dieses Mosaiksteinchen darf nicht aufgegeben werden"
Den Einwand, dass auch über die Fachoberschule der Weg zum Abitur beschritten werden kann, lässt Ott zwar gelten, "es besteht aber die Frage, ob diese Einrichtung 200 zusätzliche Schüler verkraften kann. Außerdem ist gerade das kleine Theresianum mit seiner überschaubaren Schülerzahl und dem außerordentlich engen Kontakt zu den Lehrkräften für viele Schüler der einzige Ort, um ein überaus anspruchsvolles Ziel - das Abitur - erreichen zu können." Ihr Fazit: "Dieses Mosaiksteinchen in der Schulstadt Bamberg darf nicht ohne Weiteres aufgegeben werden."
Das Wechselbad der Gefühle in den letzten Tagen rubriziert ein Mitglied der Schulfamilie: "Erstmal war ich enttäuscht, wie schnell sie eine so wichtig Schule einfach fallen lassen wollten. Das ging über in Wut, Wut auf die Kirche und den Staat und mittlerweile bin ich total motiviert allen zu zeigen wie sehr wir unser Theres lieben und wie wichtig der Erhalt ist!" Eine erste Aktion, um dem Ausdruck zu verleihen, ist eine derzeit in Planung befindliche Demonstration.
Spitzengespräch Anfang Juli
Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) zeigt sich angetan von der Welle der Sympathie für das Theresianum: "Ich bedanke mich bei allen, die sich für das 'Theres' engagieren.", so der Rathauschef. Gemeinsam mit Bürgermeister Lage möchte er nun ein Spitzengespräch zwischen, Vertretern des Karmeliten-Ordens, des Erzbistums, des Freistaates, der Regierung von Oberfranken und des Bezirks initiieren, um "Interessen zu bündeln" und ein "gemeinsames Betreiberkonzept" zu finden. Für ihn steht klar fest: "Der Bildungsstandort Bamberg wäre ohne das Theresianum ärmer!". Nach Informationen der Redaktion soll diese Elefantenrunde Anfang Juli zusammenkommen.
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