Zoff
Kein Mini-Karussell wegen Corona: Schausteller streitet mit Landratsamt
1.9.2021, 08:00 Uhr
Vom Bayreuther Landratsamt wurde das Aufstellen dieses Mini-Karussells sowohl bei der Plecher Kirchweih am vorigen Wochenende, als auch bei der Kirchweih in Betzenstein am nächsten Wochenende abgelehnt. Und das, obwohl in keinem der beiden Orte zum Zeitpunkt der Antragstellung die Corona-Inzidenz über 35 gelegen hat.
Als Veranstaltung eingestuft
Wie die zuständige Sachbearbeiten für Gewerberecht in ihrem schriftlichen Bescheid mitteilte, könne "keine Ausnahmegenehmigung" erteilt werden. Die beiden beantragten Stände – ein Süßwarenstand und ein Mini-Karussell – würden laut Bescheid jeweils "als Veranstaltung" eingestuft, "auch weil die Planungen als Ersatz für die üblichen Kirchweihveranstaltungen in Plech und Betzenstein beschrieben wurden".
Veranstaltungen dieser Art seinen grundsätzlich laut der 3. bayerischen Infektionsschutzverordnung untersagt. Laut Bayreuther Kreisbehörde sei die "Wahrscheinlichkeit für Ansteckungen durchaus erheblich".
Völlig unbeeindruckt blieb das Landratsamt Bayreuth davon, dass von Plecher und Betzensteiner Gemeinde das Aufstellen des Süßwarenstandes und eines Mini-Karussells ausdrücklich befürwortet worden war.
In Mittelfranken kein Problem
Oder dass dieses Jahr nur wenige Tage vor der Plecher Kirchweih in den mittelfränkischen Gemeinden Happurg, Reichenschwand und Engelthal der Karussell-Betrieb mit Süßwarenstand erlaubt worden war. Dort hatte man offenbar keine übertriebene Angst vor drohenden Corona-Ansteckungen. Spätestens beim dritten oder vierten Anruf von Jürgen Wild ließ sich die möglicherweise leicht genervte Bayreuther Sachbearbeiterin zu dem Ausruf hinreißen: "Was im Landkreis Nürnberger Land gilt, gilt noch lange nicht bei uns in Bayreuth."
Der betroffene Schausteller versteht die Welt nicht mehr. "Das kann doch nicht einfach nach goodwill am einen Ort so und woanders wieder ganz anders entschieden werden." Er erklärt weiter: "Es gibt keine Einheit bei den Regelungen in ganz Bayern."
In seiner Not hatte sich der Schausteller und Geschäftsführer des Bayerischen Verbandes der Marktkaufleute und Schausteller an das Wirtschaftsministerium im Freistaat gewandt.
Dort hatte man – im Gegensatz zum Landkreis Bayreuth – durchaus Verständnis für sein Anliegen. Deshalb schrieb aus dem Ministerium Markus Fisch direkt ans Landratsamt Bayreuth (siehe auch Seite 29) und fragte nach, "warum es sich nach Ihrer Einschätzung um eine Veranstaltung handelt".
Bei zwei Ständen eines einzigen Aufstellers, die mehrere Meter voneinander entfernt stünden und dem "kurzweiligen Aufenthalt von Kunden" dienten, "kann ich aufgrund des mir vorliegenden Sachverhaltes keinen Veranstaltungscharakter feststellen".
Damit sei die Rechtsgrundlage für den Bescheid der Bayreuther Behörde hinfällig. Stattdessen waren der beantrage Süßwarenstand mit Mini-Karussell nur ein "vorübergehender Einzelhandelsbetrieb unter freiem Himmel". Eine Ausnahmegenehmigung sei dafür mitnichten notwendig. Aber auch das bayerische Wirtschaftsministerium konnte keine günstigere Regelung im Sinne Jürgen Wilds erzielen.
Abschließender Rat aus dem Münchner Ministerium für den Schausteller: "Beantragen Sie einen kostenpflichtigen Bescheid, denn dann können Sie dagegen klagen." Aber darauf wollte es Wild nicht ankommen lassen.
Lange Familientradition
Obwohl der Schaustellerbetrieb mit über 100-jähriger Familientradition dringend auf Einkünfte angewiesen ist. "Wir erhalten keinerlei staatliche Unterstützung, weil ich als Geschäftsführer des Schaustellerverbands monatlich 800 Euro Aufwandsentschädigung erhalte." Aus Gesprächen und Kontakten mit anderen Berufskollegen weiß Jürgen Wild: "Ich bin ja nicht der einzige Schausteller, der keine Hilfe kriegt."
In "normalen" Vor-Corona-Jahren bringt es die Familie Wild auf rund 15 Einsätze bei Kirchweihen auf Dörfern. Dazu noch "vier Wochen auf dem Weihnachtsmarkt in Hersbruck". Dieses Jahr sind es bisher nur fünf. Im vergangenen ersten Corona-Jahr brachte man es auf nur zwei Verkaufstage. Das ist viel zu wenig, um über die völlig einnahmelose Zeit im Winter mit den fälligen Reparaturen zu kommen. Auch bei einem verkaufsoffenen Sonntag im Vorjahr in Plech gab es schon massiven Ärger der Wilds mit dem Landratsamt Bayreuth.
Damals wollte das Landratsamt nicht einmal einen Süßwarenstand zulassen, lenkte aber auf Druck des Münchner Ministeriums schließlich ein. Schließlich wurde ein einziger Plecher Verkaufstag gestattet.
Heuer lassen verärgerte Kunden am Süßwarenstand in Plech und auch anderswo kein gutes Haar am Gebaren der Bayreuther Kreisbehörde.
Da hörte Wild schon oft Sätze wie die: "In Schulen und Kindergärten stecken sie unsere Kinder zusammen, aber dann dürfen sie nicht gemeinsam aufs Karussell". Die Wogen der Empörung sind nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei enttäuschten Kindern, die Karussell fahren wollten, hoch.
Dieses Hickhack unter bayerischen Behörden mit unterschiedlichsten Entscheidungen ruft inzwischen auch den bayerischen Städte- und Gemeindetag auf den Plan. Von dort werden jetzt auch "klare Rahmenbedingungen für Schausteller" gefordert.
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