Eklat im Landtag

Die CSU und die Nazis: SPD-Fraktionschef holt zum wilden Vergleich aus

Roland Englisch

Nürnberger Nachrichten

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10.6.2021, 17:45 Uhr
Als SPD-Fraktionschef will Florian von Brunn auch austeilen. Das macht er dann auch, mehr als manchen in den eigenen Reihen lieb ist.

© imago images/Rolf Poss, NNZ Als SPD-Fraktionschef will Florian von Brunn auch austeilen. Das macht er dann auch, mehr als manchen in den eigenen Reihen lieb ist.

Es war eine Falle, die CSU-Mann Klaus Holetschek aufgestellt hatte. SPD-Fraktionschef Florian von Brunn erkannte sie nicht. Oder wollte sie nicht erkennen. Und lief hinein. Vielleicht setzte er auf den Knalleffekt. Nur dröhnt der Donner jetzt in den Ohren der Sozialdemokraten nach. Und nicht bei der CSU.
Ganz so dürfte sich Florian von Brunn seine Mission nicht vorgestellt haben. Als er vor drei Wochen Horst Arnold aus dem Amt des Fraktionschefs gedrängt hatte, wollte er der SPD wieder mehr Gehör verschaffen. Arnold war ihm zu umgänglich im Stil. Von Brunn ist das nicht. Und das hat er am Dienstag bewiesen bei der aktuellen Stunde im Landtag, deren streitbaren Titel die SPD festgelegt hat: „Politik für die Menschen statt Spezlwirtschaft: Probleme anpacken, Vertrauen zurückgewinnen!“

Klare Ansage

Die CSU hat das als Kampfansage empfunden, was auch so gemeint war. Von Brunn hat heftig ausgeteilt, vor allem in Sachen Maskenaffären. Und die CSU-Redner haben heftig reagiert. Schon der Titel sei „eine Ungeheuerlichkeit“, der Stil von Brunns eine Mischung „aus polarisieren, anklagen, brandmarken“. Ihm gehe es um „galliges Abladen von Schmutz“. Dann kommt Holetschek als Gesundheitsminister. Er bescheinigt dem SPD-Politiker „politisches Lautsprechertum“ als Strategie. Das sei „genau dieselbe Strategie“, die auch die AfD verfolge. „Diese Verbindung zwischen SPD und AfD ist neu.“
In der SPD-Fraktion sind sie sich einig, dass von Brunn das nicht auf der Partei sitzen lassen kann. „Das war ein unsäglicher Vergleich“, sagt Alexandra Hiersemann, Abgeordnete aus Erlangen und gewiss keine Anhängerin von Brunns. „Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil“, sagt die Münchner SPD-Politikerin Ruth Waldmann.


Doch ob der gleich so grob sein musste, das sehen sie doch etwas differenzierter. Denn Florian von Brunn weist alles nicht nur „aufs Schärfste zurück“ als „unglaublich und schamlos“. Er legt einen drauf. „Die Vorgänger der CSU“, sagt er zu Holetschek, „waren die Steigbügelhalter von Adolf Hitler. Sie haben doch ein Abgrenzungsproblem nach rechts!“

Die 18. Rüge?

Niemand in der SPD ist damit glücklich, auch Florian von Brunn nicht. Dem droht nun eine Rüge der Landtagspräsidentin, sollte er sich nicht distanzieren und entschuldigen. Ihr Präsidiumskollege Markus Rinderspacher winkt ab. Der SPD-Politiker hält die Bemerkung seines Parteifreundes zwar für untauglich. Aber eine Rüge, sagt er, „hielte vor keinem Verwaltungsgericht.“ Es wäre die 18. in dieser Legislaturperiode – nach Jahrzehnten der Stille. Eine kassierten die Grünen, 16 die AfD.


Florian von Brunn denkt nicht ernsthaft an eine Entschuldigung. Ihm geht es nach den schwachen Wahlergebnissen vor allem um Aufmerksamkeit. Klar, sagt er, „ich würde das nicht nochmal machen.“ Aber die SPD mit der AfD „in einen Topf werfen – das geht gar nicht.“ Das sei „eine hitzige Debatte gewesen, die sich hochgeschaukelt hat“. Doch wenn, müsse sich Holetschek bei ihm entschuldigen, sein Verhalten sei „eines Staatsministers nicht würdig.“
Und dann erinnert er daran, wie viele Sozialdemokraten in den Konzentrationslagern gewesen seien, was für einen „hohen Blutzoll“ die SPD bezahlt habe. Das reklamieren sie auch in der CSU für sich. Vize-Landtagspräsident Karl Freller erinnert daran, dass einige der CSU-Gründungsväter im Dritten Reich zu den Verfolgten gehört hatten. CSU-Generalsekretär Markus Blume sagt, dass sie „zum Teil Gefangene im KZ“ gewesen seien, spricht von einer „unglaublichen Entgleisung“ und findet, Florian von Brunn solle sich „schämen“.


Der hätte gewarnt sein können. Eine eherne Regel besagt, dass sich im Parlament Vergleiche mit Nazis und Tieren ebenso verbieten wie Namenswitze. „So etwas ist immer problematisch, sagt Alexandra Hiersemann, „weil sie nie stimmen.“ Das, was sich jetzt daraus entwickle, findet sie „geschmacklos“, dieses Aufrechnen der Nazi-Opfer.

Abgelenkt

Für Menschen wie Ruth Waldmann ist die Debatte bitter. Die Gesundheitsexpertin der SPD kämpft für die Sache. Sie findet, dass die diversen Maskenaffären wichtig sind und aufgeklärt werden müssten. Das verschwinde jetzt im Pulverdampf. Den Vergleich mit der AfD verbittet sie sich. Nur weil die SPD das Vorgehen der Staatsregierung des Ministerpräsidenten kritisiere, „kommt sie doch nicht in einen Topf mit der AfD. Die sind gegen alles. Wir nicht.“


Waldmann gehört zu den Ruhigen in der Politik. Sie argumentiert sachlich, Lautstärke ist ihr fremd. Florian von Brunn ist der Münchner Gegenentwurf. Das hat er auch an jenem Nachmittag im Landtag bewiesen, als er mit Zwischenrufen in Serie die Redner der CSU zur Weißglut trieb. Zwischenrufe, sagen sie in der SPD, seien wichtig, das Salz in der Suppe einer parlamentarischen Diskussion. Doch zuviel davon verdirbt alles.
Jetzt, sagen sie im Zehner-Kreis derer, die von Brunn nicht so schätzen, merkten die anderen zwölf, wen sie gewählt haben. Vermutlich haben sie es gewusst. Von Brunn war nie leise, sondern bei seinen Sitznachbarn gefürchtet als Zwischenrufer.
Und jetzt? Jetzt, finden Frauen in der SPD-Fraktion wie Ruth Waldmann, sei alles ganz einfach, müssten sich Holetschek und von Brunn „in die Augen schauen und die Hand geben“. Denn das sei doch das Wichtigste, dass „die demokratischen Parteien auf einer Seite bleiben“. Ob die beiden Männer das allerdings tun, ist offen. Es wäre nicht männlich genug.

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