Die Nebenwirkungen einer Stadt-Umland-Bahn

2.6.2012, 12:29 Uhr
Erlangens Oberbürgermeister Siegfried Balleis (CSU) tritt nach anfänglicher Euphorie inzwischen ein wenig auf die StUB-Bremse.

© Banasch Erlangens Oberbürgermeister Siegfried Balleis (CSU) tritt nach anfänglicher Euphorie inzwischen ein wenig auf die StUB-Bremse.

1,08. Diese Zahl stand ganz oben auf dem Rechenwerk der Intraplan Consult GmbH. Die Gutachter für die Wirtschaftlichkeit der StUB hatten Ende März ihren großen Auftritt beim „projektbegleitenden StUB-Ausschuss“ des Verkehrsverbunds Großraum Nürnberg (VGN). Denn im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) steht: Jede Zahl größer als 1,0 macht Anträge auf bis zu 80 Prozent Förderung möglich.

Zunächst jubelten alle Beteiligten: „15 Jahre Warten haben sich gelohnt.“ Von Uttenreuth und Herzogenaurach nach Erlangen, und von dort weiter nach Nürnberg und umgekehrt: Bürger aus dem Landkreis Erlangen-Höchstadt könnten per Straßenbahn zum Einkaufen in die Frankenmetropole; in Nürnberg wohnende Fachkräfte brauchen für die Fahrt zur Arbeit bei Schaeffler, Puma oder Adidas kein Auto mehr. Das sind die hellen Seiten im Gutachten.

Deshalb wären die vom Gutachterbüro mit „Stand 2006“ ermittelten 280,5 Millionen Euro Investitionskosten ein Betrag, der bei 80 Prozent Zuschüssen von Bund und Land eigentlich für die Region gemeinsam zu stemmen sein müsste. Wenn da nicht als großer Haken im Gutachten stünde: „Nicht GVFG-zuwendungsfähig: 87276000 Euro.“

Denn das GVFG fordert für neue Bahnen „eigene Bahnkörper“, ansonsten fällt der Zuschuss flach. Was bedeuten könnte: Zwischen Nürnberg und Erlangen und im Landkreis Erlangen-Höchstadt werden die Bahngleise auf neuen Trassen verlegt – mit der 80-Prozent-Förderung. In der engen Hugenotten-Innenstadt müssten sich Autos und Bahn oft die Straßen teilen — was bedeutet: keine Förderung für die neuen Gleise. Ein Umstand, den auch VGN-Sprecher Manfred Ruff „im Wesentlichen“ bestätigt.

Und so ist es kein Wunder, dass Erlangens Oberbürgermeister Siegfried Balleis (CSU) nach anfänglicher Euphorie inzwischen ein wenig auf die StUB-Bremse tritt. Denn noch im März mahnte der aktuelle Sprecher der Metropolregion Nürnberg „meine Kolleginnen und Kollegen zur Eile“, einen Förderantrag zu stellen. Doch inzwischen will Balleis erst einmal ganz genau wissen, welche Kosten seine Stadt tatsächlich zu schultern hätte.

„Die StUB ist eine schicke Geschichte. Doch 140 Millionen Euro in den ersten zehn Jahren: Das ist fast genauso viel, wie die Stadtschulden zurzeit betragen“, rechnet der OB gegenüber unserer Zeitung vor. Weshalb „ich nicht facebookmäßig einfach auf ,Gefällt mir’ klicken kann“.

„Erlangen müsste den größten Kostenblock tragen“, bestätigt Frank Jülich vom Nürnberger Verkehrsplanungsamt. Auch deshalb sei „die Dynamik in Nürnberg und im Landkreis Erlangen-Höchstadt bei der StUB deutlich größer als in Erlangen“, weiß Jülich.

Bedenken

„nachvollziehbar“

Ein Sprecher des Erlanger Landrats Eberhard Irlinger bezeichnet zwar die Stadt-Umland-Bahn als „Quantensprung der Schiene gegenüber dem jetzigen Bus“. Denn „eine vernünftige Lösung des Verkehrsproblems ist individuell nicht lösbar.“ Doch auch wenn der Landkreis voll hinter der StUB stehe: Balleis‘ Bedenken seien nachvollziehbar, heißt es.

Das sieht Stephan Doll vom Deutschen Gewerkschaftsbund DGB völlig anders: „Das Projekt ist nicht erst seit Gestern bekannt. Ob nicht andere Gründe als die vermeintlich hohen Kosten im Vordergrund stehen?“, fragt er. Als Beispiel nennt Doll das Mietgefälle zwischen Erlangen und Nürnberg, das Familien oder Studenten über einen Umzug nachdenken lassen könne. „Endlich regional und nicht nur lokal denken“, fordert DGB-Boss Doll von Metropolregionchef Balleis.

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