Ein bisschen Grausamkeit
27.10.2008, 00:00 Uhr
Potpourri an Geschichten
Das Stück «Die Suppe des Tages - Vom gewaltsamen Sterben meiner täglichen Zutat» von Verena Nagel, das vergangene Woche im Experimentiertheater des Instituts für Theater- und Medienwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg zu sehen war, behandelt genau diese Thematik: alltägliche Gewalt. In einem Potpourri an Geschichten zeigt die 23-Jährige, dass Gewalt in unserem Leben allgegenwärtig ist.
So erzählt ein Junge Lolli lutschend und auf dem Boden sitzend von seiner Kindergruppe: «Ich mag alle. Außer Oliver. Denn Oliver haut mich.» Dann erfährt man von einem Liebespaar, das sich unter einem Myrtenstrauch umgebracht hat. Ein Mann erzählt von den tragischen Folgen seiner angeblichen Kündigung, und auch das Märchen «Hänsel und Gretel» der Gebrüder Grimm wird kurzerhand zur Actiongeschichte.
Im Laufe der Aufführung bereiten die Schauspieler (Alexander Aschikhin, Christopher Ohms und Dorothea Schmans) symbolisch eine Suppe voll Gewalt zu: Während einer von ihnen seine Geschichte erzählt, zerkleinern die anderen beiden eine Zutat für ihre «Suppe». Zunächst langsam und behutsam, dann immer schneller und brutaler, was schließlich in einer Tomatenschlacht oder dem wütenden Biss in eine Zwiebel endet. Die Suppe an sich mag am Ende keinem so richtig schmecken. Was daran liegt, dass sie eben nicht mit Liebe, sondern mit Hass zubereitet wurde.
Verena Nagel, Studentin der Theater- und Medienwissenschaft sowie der Philospohie, ist mit «Der Suppe des Tages» ein perfektes Zusammenspiel von Ernsthaftigkeit und Humor gelungen. Die einzelnen Geschichten fesseln den Zuschauer und zeigen unverhüllt, zu welcher erschreckenden Brutalität Menschen fähig sind. Gleichzeitig sorgen die grandiose Mimik und Gestik der Schauspieler, ihre unerwarteten Gefühlsausbrüche und zum Teil komischen Dialoge für zahlreiche sehr unterhaltsame Momente.
Auch in dieser Woche bleibt die Bühne des Experimentiertheaters nicht leer. Denn dann führt Mario Matthias ein szenisches Projekt nach dem Stück «Überwintern» des skandinavischen Autors Lars Norén auf. Es erzählt von Tod und Trauer, Schuldgefühlen und Erklärungsversuchen, Erinnern und Vergessen aber vor allem vom Weiterleben. Während einer Dramaturgiehospitanz am Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin ist dem Studenten der Theater- und Medienwissenschaft sowie der Neuen Deutschen Literaturgeschichte Noréns «Überwintern» in die Hände gefallen. «Das war vor vier Jahren. Seitdem begleitet mich das Stück, und nun ist es mir endlich gelungen, es auf die Beine zu stellen», sagt der 24-Jährige.
Die Geschichte ist traurig: Erik ist tot. Selbstmord. Nun versucht seine Familie zu verstehen, zu trösten, zu trauern. Sie reden über Erik, aber trotz der räumlichen Nähe scheint es etwas zu geben, was sie daran hindert, zueinander zu finden. Jeder kreist nur um sich selbst, sein eigenes Glück, seine eigene Trauer. Norén zeichnet ein intensives Bild einer Familie, die versuchen muss, die unumkehrbare Entscheidung ihres Sohnes, Mannes, Bruders und Freundes zu verstehen. Wenn dies überhaupt möglich ist. Das Besondere des Stücks sei die Differenz zwischen der inneren und äußeren Trauer. «Es besteht eine Spannung zwischen dem, was man sieht, und dem, was die Figuren wirklich fühlen», erklärt Matthias.
Das szenische Projekt nach «Überwintern» von Lars Norén ist am 28., 29. und 30. Oktober 2008 um 19 Uhr im Experimentiertheater, Bismarckstraße 1, in Erlangen zu sehen. Der Eintritt für Studenten kostet drei Euro.
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