Amtsinhaber siegen - und jubeln dennoch nicht

3.3.2008, 00:00 Uhr
Amtsinhaber siegen - und jubeln dennoch nicht

© Bernd Böhner

Balleis kam nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis auf 55,8 Prozent - das ist immerhin knapp drei Prozent weniger als vor sechs Jahren. Die SPD-Gegenkandidatin Ursula Lanig landete bei respektablen 33,2 Prozent. Die eigentliche Überraschung stellen aber die beiden «kleinen» Gegenkandidaten dar. Der Grüne Helmut Wening räumte 7,1 Prozent ab, die ÖDP-Kandidatin Jutta Helm kam auf erstaunliche 4,0 Prozent - beide knabberten die Ergebnisse der beiden Großen an.

Im Landkreis hat sich Landrat Eberhard Irlinger mit fast 57 Prozent auf Anhieb und klar durchgesetzt, sein Gegenkandidat Andreas Galster (CSU) kam gerade mal auf knapp 25 Prozent (siehe nächste Seite).

Die eigentliche Sensation sind die Wählen zum Erlanger Stadtrat. Die erfolgsverwöhnte CSU wird - aus welchen Gründen, wird noch zu analysieren sein - regelrecht abgewatscht und verliert fast neun Prozent ihrer Stimmen und vier ihrer Sitze, der SPD geht es ebenso: acht Prozent weniger, minus vier (bzw. zwei, weil sie zwei Austritte hatte) auf nun zwölf Sitze.

Kräftig zugelegt haben hingegen die Grünen/Grüne Liste, die offenbar den Wahlkampf mit ihrem Spitzenkandidaten am robustesten überstanden haben: Sie legen von 9,2 auf 14 Prozent zu, erhalten dafür sieben statt fünf Sitze im Stadtrat.

Überraschend gut schneidet auch die FDP ab, die ihr Ergebnis fast verdoppeln kann und bei 9,2 Prozent landet. Fünf statt drei Mandate sind der Lohn für ihren Erfolg. Die ÖDP kann zwar ihr Wahlergebnis von 2002 verbessern (von 2,9 auf 4,7 Prozent), gewinnt einen Sitz dazu, «verliert» aber gleichzeitig einen, weil ihre bisherigen drei Sitze durch die Parteiübertritte von Jutta Helm und Harald Walter aus der SPD zustande kamen. Stabil bleibt auch die «Landwirte»-Gruppierung FWG (aus dem Stadtwesten), die mit 3,0 Prozent ihr Ergebnis hält und wieder mit einem Sitz vertreten sein wird. Die große Überraschung aber ist das Wahlbündnis Erlanger Linke, das auf Anhieb über sechs Prozent bekommt und mit drei Mandaten rechnen kann.

Sieht man sich die wahrscheinliche Sitzverteilung an, wird es etwas eng für die bisher bestehende «bürgerliche Mehrheit» aus CSU, FDP und FWG. Mit dem OB käme sie auf 27 von 50 Sitzen - das würde reichen. pm

«Auf geht’s» steht in großen Lettern auf der Kaffeetasse, die sich Marlene Wüstner um 18.30 Uhr im Rathaus füllt und mit Schwung auf den Tisch stellt. Diesen Muntermacher wird die städtische Rechtsreferentin noch brauchen, bis sie ein erstes offizielles Vorab-Ergebnis verkünden kann, denn der Wahlabend wird spannender als es mancher vermutet hatte.

Die Wahllokale sind zu diesem Zeitpunkt seit einer halben Stunde geschlossen, die ersten Trends zur OB-Wahl laufen ein. Große Schirme vor und im Ratssaal sollen die Ergebnisse verkünden, doch der Zustrom ist mäßig. Eine halbe Stunde später ein ganz anderes Bild: Der Saal ist voll, der OB ist vor Ort, seine schärfste Konkurrentin ebenso, Kandidaten aller Parteien und Gruppierungen ist die Nervosität anzumerken.

Von Reportern umringt

Dass Balleis am frühen Abend eine OB-Wahl kommentieren muss, die für ihn doch schlechter ausfällt als vor sechs Jahren, trägt er nach außen hin gefasst. Bedrängt von Reportern und mit Blick auf die Ergebnisse in Nürnberg und Fürth gibt er sich «eigentlich zufrieden». Er spricht von einem «klaren Wählerauftrag für die nächsten sechs Jahre», doch Sieger feiern anders.

Seine Parteifreunde haben das geahnt. Gerd Lohwasser beispielsweise hat eine Grundstimmung im Lande ausgemacht, die derzeit wohl nicht für die CSU spricht. «Ich bin nicht überrascht», sagt er, und andere aus der Partei äußern sich angesichts der Ergebnisse nicht anders.

Ursula Lanig, im schicken knallroten Blazer, hat kein Problem ihre Niederlage einzugestehen und Balleis zur erneuten Wiederwahl zu gratulieren. Dass sie es nicht in die Stichwahl geschafft hat, wurme sie wahnsinnig, bekennt sie später. Aber dennoch habe sie einen guten Wahlkampf hingelegt. Wir haben, sagt die SPD-Frau, wichtige Themen angesprochen, etwa Bildung oder Verkehr. Gereicht hat es trotzdem nicht: «Sekt wird es jetzt nicht geben, eher Selters», zieht Lanig eine erste Bilanz, einen Strauß roter Gerbera in der Hand, den sie nach der Verkündigung des OB-Ergebnisses bekommen hat.

Dafür strahlen andere: Helmut Wening von der Grünen Liste hat ausgezeichnet Stimmen gesammelt, Jutta Helm von der ÖDP freut sich ebenfalls über ihren «Achtungserfolg», wie sie über ihr Ergebnis sagt. Und die «Kleinen» sind es an diesem Abend auch, die es den etablierten Parteien so richtig zeigen:

Kurz nach 19.30 Uhr geht ein Raunen durch den Saal, für die großen Parteien kommt es dick. Die ersten Schaubilder zeigen die künftige Stadtrats-Zusammensetzung, und die lassen CSU und SPD gehörig bluten. Nur 20 von bisher 24 Sitzen bleiben der CSU, der SPD nur noch zwölf von 14 Sitzen. Dafür zieht die Linke mit gleich drei Kandidaten ein, die Grünen stocken deutlich auf, ebenso die FDP.

«Bundesweiter Trend»

«Bescheuert», entfährt es Ursula Lanig, als sie auf den Schirm sieht. Das Ergebnis der Erlanger Linken müssen fast alle im Saal erst einmal verdauen. Die wenigsten haben mit einem derart deutlichen Erfolg der Außenseiter gerechnet. «Das sind alles Protestwähler», urteilt SPD-Fraktionschefin Gisela Niclas.

«Da spiegelt sich doch der bundesweite Trend wieder», analysiert auch Genosse Dieter Rossmeissl das, was sich für die kommenden sechs Jahre auf dem Bildschirm abzeichnet. Und sieht, wie alle im Saal, dass die kommunalpolitische Arbeit schwierig wird: Die Wahl hat letztlich noch eine Mehrheit für die Bürgerlichen gebracht, aber die Opposition wird neue Bündnisse suchen müssen. gg