Comic-Salon: Propaganda und Kritik
28.05.2010, 00:00 Uhr
Ein Netzwerk von Uni-Forschern und Fachjournalisten, das 2005 gegründet wurde, zwischen Kiel und Wien gut 30 Mitglieder zählt und sich bereits beim letzten Salon mit einem Talk-Podium vorstellte. Dieses Jahr nun hat Comic-Salon-Leiter Bodo Birk die »ComFor« noch stärker ins Programm eingebunden. Sie bestreitet an drei Tagen eine eigene Themen-Schiene: »Comic und Politik«.
Mit Comics kann man Politik machen. Und umgekehrt können Comics das politische Geschehen reflektieren. Das Feld zwischen Bilderpropaganda und unabhängiger künstlerischer Kritik ist so weit, dass die ComFor es mit gleich sechs Vorträgen ausleuchten will. Alle Referenten wollen mit zahlreichen Bildbeispielen aufwarten. Und sie alle sind nicht nur Forscher, sondern auch bekannte Comic-Journalisten – was erwarten lässt, dass sie unterhaltsam auf den Punkt zu kommen wissen.
Rechtsradikale Comics
»Comics totalitär« ist das Motto der beiden »ComFor«-Vorträge am Freitag ab 14 Uhr. Verblüffend oft (wenn man bedenkt, dass der Comic sich lange vor allem außerhalb Deutschlands entwickelt hat) benutzen deutschnationale Parteien und rechtsextreme Schlägergruppen den Comic, um ihre Ansichten zu verbreiten und nach innen zu festigen: »Bilder vom rechten Rand der Gesellschaft«. Der Münchner Ralf Palandt hat sie gesammelt und analysiert ihr gefährliches Potenzial. Doch außer rechten Staatsfeinden war auch einem »linken« Staatsapparat die Propaganda in Comic-Form geläufig: Im Beitrag »Politische Comics in der DDR« untersucht der Dresdner Guido Weißhahn, wie der SED-Staat seine Bilderzeitschriften politisch nutzte (angekoppelt an die Sonderschau »Sag, was war die DDR?« ist im Stadtmuseum bis 11. Juli »Grenzgebiete – drüben! Kindheitserinnerungen zwischen Ost und West« mit Werken von Claire Lenkova und Simon Schwartz zu sehen).
Die »ComFor«-Vorträge dauern jeweils gut 30 Minuten und kommen zwar im »Doppelpack« daher, können aber auch einzeln besucht werden. Zeit für Fragen an die Referenten gewährt jeweils nach dem zweiten Beitrag ein Podium, das der Erlanger Fachjournalist Clemens Heydenreich moderiert.
»Erinnern und erziehen«
Dies gilt auch am Salon-Samstag ab 11 Uhr, wenn sich Martin Frenzel (Darmstadt) und René Mounajed (Göttingen) mit dem moralischen Tiefstpunkt politischen Handelns befassen – dem Holocaust. An ihn erinnert Art Spiegelmans meisterlicher Comic-Roman »Maus«, der auf Deutsch 1989 erschien. Doch auch vorher und nachher – »Über Maus hinaus«, wie Frenzel seinen Überblick nennt – haben die verschiedensten Comic-Autoren in ihrem Medium Erinnerungsarbeit geleistet. Getreu dem Tagesmotto »Erinnern und erziehen« prüft anschließend der Geschichtsdidaktiker Mounajed, wie sich »Geschichtscomics als Teil innovativer Holocaust-Education« an der Schule eignen.
Am Sonntag ab 11 Uhr geht es um »Mediale Meinungskämpfe«. Heiner Jahncke aus Hamburg, einer der gründlichsten und ambitioniertesten Comic-Sammler Europas, zeigt kaum bekannte Bilder aus 100 Jahren: Sie zeigen, dass Kirchen, Parteien und Verbände bereits per Comic für ihre Ziele stritten, als dieses Medium selbst noch umstritten war – und vielen als »Schmutz und Schund« galt. Jahnckes origineller Titel: »Asterix und die FDP«. Zum Schluss kommt Harald Havas zu Wort: Er wohnt in Wien, wo der rechte FPÖ-Politiker Hans-Christian Strache im Wahlkampf Online-Strips benutzte, die ihn als Superhelden zeigten. Eine bunte Truppe von Comic-Künstlern hat sich hiergegen aufgelehnt und betreibt seither die Webseite www.comicsgegenrechts.at – ein Meinungskampf in Bildern, den Havas aufmerksam verfolgt.