Die Erlanger erleben einen fast perfekten Kampftag

04.07.2017, 12:00 Uhr
Die Erlanger erleben einen fast perfekten Kampftag

© Foto: Harald Sippel

Nach zwei Minuten Kampfzeit liegt Stefan Rieger vom TV 48 mit einem halben Punkt zurück. Er versucht es erneut, wirft nicht ganz perfekt und holt zu einem halben Punkt auf. Gleichstand. Rieger geht weiter, kontrolliert den Arm seines Gegners und beginnt ihn zu hebeln. Wenige Sekunden später klopft dieser zweimal auf den Boden, er gibt auf. Sieg für Rieger, ein Kampfpunkt für Erlangen.

Noch im vergangenen Jahr hat der TV Erlangen in der ersten Judo-Bundesliga gekämpft. Damals war die Halle proppenvoll und die Stimmung riesig. Wer jetzt kommt, hat keine Probleme, einen Sitzplatz zu finden. Der TVE ist nach dem Höhenflug in seine "Stammliga", die zweite Bundesliga, abgestiegen. Am Samstag traten Erlanger in der Jahnhalle gegen den HTG Bad Homburg an.

Den ersten Kampf gewann Rieger noch vor Ende der vierminütigen Kampfzeit. Es folgt sein Teamkollege Kai Brandes in der Gewichtsklasse +100 Kilogramm. Brandes hat einen eindeutigen Gewichtsvorteil. Nach 2:23 Minuten zieht er einen Hüftwurf voll durch – ein astreiner Ippon (voller Punkt) mit schöner Technik. Auch die zwei folgenden Kämpfe gewinnen die Franken.

Andere hätten aufgegeben

Obwohl die Halle halbleer ist und die Mannschaftskapitäne Heiko Koch und Klaus Lohrer nicht anwesend sind, lassen sich die Kämpfer nicht beirren. Für Stimmung und Motivation sorgen sie selbst, schreien, feuern an, ermutigen sich – und machen ganz schön Lärm. Aus Altdorf ist eine Gruppe junger Judoka angereist, die ihren Vorbildern von der ersten Reihe aus zujubeln. Den fünften Kampf an diesem zweiten Heimkampftag der Saison kämpft Elias Frank für Erlangen. Seine Hände sind beide verletzungsbedingt getapet, der Start läuft nicht optimal. Der hessische Gegner zwingt Frank in eine Armhebelposition. In diesem Moment klopfen die meisten Judoka zweimal auf den Boden und signalisieren so, dass sie aufgeben. Nicht so Frank.

Er hält eisern an seinem Arm fest, bis der Kampfrichter sie dazu auffordert, erneut im Stehen zu beginnen. Frank, der schon den ganzen Kampf über aktiver ist als sein Gegner, greift erneut an. Plötzlich gelingt ihm ein Waza-ari, die zweithöchste Wertung. Er fährt sich durch seinen blonden Pferdeschwanz und versucht erschöpft, die letzten 20 Sekunden vorüber gehen zu lassen. "Der kann nicht mehr", rufen ihm seine Kollegen zu. Frank kämpft passiv, bleibt standhaft und entscheidet so nach Ende der 20 Sekunden diesen Kampf für sich. Anschließend gelingt Punktegarant Kilian Tschöpe bis 66 Kilogramm ein Beinwürger gegen den starken Gegner aus Bad Homburg, Nikolas Schmitte. Er drückt die Beine an Schmittes Hals, bis dieser keine Luft mehr bekommt. Schmitte gibt auf. Erlangen feiert.

Im letzten Kampf der ersten Halbzeit steigt Alexander Bauhofer für Erlangen stark ein. Mit einem Ashi-uchi-mata (Bein-Innenschenkel-Wurf) erlangt er die zweithöchste Wertung. Beim erneuten Angriff fokussiert er sich auf den tiefen Seoi-nage (Schulterwurf) und landet einen perfekt ausgeführten Wurf (Ippon - voller Punkt). Bauhofer strahlt über beide Ohren. Ein bilderbuchreifer Wurf während eines Kampfes gelingt im Judo selten. Entsprechend begeistert sind die Teamkollegen.

Die erste Kampfzeit endet mit einem unglaublichen sieben zu null für Erlangen. An diesem vierten Kampftag der Saison läuft bei den Erlangern alles nach Plan. Doch in der ersten Begegnung der zweiten Halbzeit folgt der erste Rückschlag. Stefan Rieger führt zunächst mit einem halben Punkt. Dann zieht Gegner Nils Langbecker plötzlich einen einwandfreien Uchi-mata (Beinwurf) durch und Rieger fliegt in hohem Bogen auf die Matte. Mit dieser Niederlage verlieren die Franken ihren ersten Kampf.

Im Ausgleich dazu ist der hessische Gegner im Schwergewicht gegen Erlanger Salim Kasabaki chancenlos. Auf seinen Wurf folgt ein Kesa-gatame, Haltegriff auf dem Boden bis zum vollen Punkt. Einige Minuten später wird sein Teamkollege Konstantin Ustinov vom Gegner Robin Kist gewürgt (Beinwürger). Ustinov war zuvor in Führung und weigert sich nun, angefeuert von seinem Team, bei dem Würger aufzugeben. Er hält den Würger aus und auch das Ende der vierminütigen Kampfzeit, während sein Team den Countdown runter zählt. Sieg für den TV Erlangen.

Obwohl die Hessen mittlerweile 1:9 zurückliegen und den Kampftag gar nicht mehr für sich entscheiden können, geben sie nicht auf. Tapfer und fair stellen sie sich weiter den überlegenen Hausherren und machen mit ihrem Trommeln ordentlich Stimmung. Bis 100 Kilogramm schicken sie Lukas Storch gegen das Erlanger Talent Elias Frank an den Start. Doch Storch hat keine Chance.

Ein Waza-ari nach dem anderen

Frank landet einen Waza-ari (zweithöchste Wertung) nach dem anderen. Die Zuschauer kommen mit dem Zählen schon gar nicht mehr nach. Da er schon nach seiner ersten Wertung in Führung liegt, könnte er passiv kämpfen. Stattdessen greift Frank wieder und wieder an, als würde er niemals müde werden. Der Linkskämpfer beeindruckt durch seinen Kampfgeist und entscheidet natürlich auch seinen zweiten Kampf an diesem Tag für sich.

Während bislang der ganze Wettkampftag verletzungsfrei über die Bühne ging, ändert sich das noch in letzter Sekunde. Manuel Ilschner aus Erlangen wirft seinen hessischen Gegner. Dieser landet unglücklich und verletzt sich am Kopf. Trotzdem entscheidet er sich dazu, weiter zu kämpfen. Ilschner gibt ihm die Hand, bevor er erneut angreift. Nach drei Waza-ari und einem gelungenen Opferwurf nach hinten (Ura-nage) gewinnt er auch noch den letzten Kampf für den TVE.

Die Teams gratulieren sich gegenseitig, geben sich die Hände. 13:1 steht es für Erlangen, mit einer Unterbewertung von 118 zu zehn Punkten. Wenn nun auch die nächsten Turniere wieder so laufen, steht einem erneuten Aufstieg in die erste Liga nichts mehr im Wege.

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