Drei Minister wollen in Erlangen Siemens-Jobs retten
30.03.2016, 06:00 UhrDas Polizeiauto irritiert, so mitten auf dem großen Platz vor dem „Glaspalast“ in der Werner-von-Siemens-Straße. Weshalb der Einsatzwagen an diesem Mittag dort steht, wissen aber die wenigsten Mitarbeiter. „Ich habe gedacht, Joe Kaeser ist in der Stadt und verhandelt über ganz Wichtiges“, erzählt ein Beschäftigter auf seinem Weg ins Büro.
Über ganz Wichtiges wird genau zu diesem Zeitpunkt tatsächlich gesprochen — nämlich den angekündigten Abbau von knapp 2000 Stellen in Bayern. Doch sitzt nicht, wie der 43-jährige Siemensianer vermutet, der Konzernchef mit am Tisch, sondern Mikael Leksell, CEO Geschäftsbereich Unit Oil&Gas&Marine.
Gemeinsam mit höchsten Vertretern der Staatsregierung und der stellvertretenden Betriebsratschefin, Helene Grill, spricht er rund eine Stunde über die geplanten Umstrukturierungen im angeschlagenen Bereich Prozessindustrie und Antriebe (Process Industries and Drives, kurz: PD). Wie berichtet, sind vor allem Nürnberg (750), Erlangen (150), Ruhstorf bei Passau (700) und Bad Neustadt (350) von den Streichungen betroffen.
Anlass genug also, dass sich am gestrigen Dienstag mit Ilse Aigner (Wirtschaft) und Emilia Müller (Soziales) zwei CSU-Ministerinnen auf eine Tour durch drei Siemens-Standorte machen — um dort mit Firmenvertreter mögliche Perspektiven auszuloten. In Erlangen stößt — natürlich — auch der hiesige CSU-Ressortchef Joachim Herrmann (Inneres) dazu.
Allzu viel trauen die Siemens-Mitarbeiter der (Rettungs-)Aktion aber nicht zu. Es sei zwar gut, wenn sich Mitglieder der Staatsregierung auch mal bei solchen Angelegenheiten einschalten, meint etwa jener Mitarbeiter, der die Polizeistreife zunächst für eine Eskorte des Vorstandsvorsitzenden Kaeser gehalten hatte. „Schließlich sind die Politiker ja nicht nur für die Politik, sondern auch für die Wirtschaft da.“
Die Möglichkeiten der Einflussnahme hält der Siemensianer indes eher für begrenzt: „Die Firmenchefs lassen sich wenig reinreden.“
Diese Meinung teilen viele. „Wenn die Politik bei Siemens eingreift, ist das ein Sturm im Wasserglas; mehr ist das nicht“, sagt ein anderer. Zwei Jahre müsse er noch arbeiten, das sei absehbar. „Aber um die jüngeren Kollegen tut es mir leid.“
Ein 52-jähriger Ingenieur sieht solche Gesprächsrunden ebenfalls skeptisch. Ihn hat sein Widerspruchsgeist vor der Auslagerung bewahrt: Als die Walzwerke in einem Joint venture zu Primetals Technologies wurden, hat er den Wechsel verweigert. Heute ist er Projektleiter in einem anderen Bereich — und glücklich darüber.
Weniger Grund zur Freude dürften hingegen die Statements am Ende des Treffens bereiten: Man wolle jeden einzelnen Arbeitsplatz prüfen, betont Aigner im Anschluss vor Journalisten. Ihre Kollegin Müller erwähnt immerhin die Verantwortung des Konzerns, Mitarbeiter durch Weiterbildungen zu halten und Herrmann weist gegenüber unserer Zeitung auf die weltweite Bedeutung hin, die Erlangen für Siemens hat: „Wir möchten, dass diese Rolle erhalten bleibt — in der Qualität und der Quantität.“
Klarere Worte kommen von Arbeitnehmerseite: Dem Abbau in Erlangen werde man wohl „mit Bordmitteln“, also internen Umbesetzungen entgegenwirken, meint Grill, die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende.
Aber generell ließe sich an den Entscheidungen des Konzerns nichts ändern. „Nein“, sagt sie und atmet dabei tief durch, „auch der heutige Besuch kann die Stellen nicht retten.“
5 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen