Ein Erlanger als Siemens-Chef

11.6.2016, 16:30 Uhr
Ein Erlanger als Siemens-Chef

© Udo B. Greiner

Altoberbürgermeister Siegfried Balleis stöberte dabei als Fragesteller in den eher dunklen Abschnitten einer vor allem von der amerikanischen Börsenaufsicht initiierten Korruptions-Untersuchung. An deren Ende war der ehemalige Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzende im Grunde genommen rehabilitiert, auch wenn er sich mit Zahlungen an Siemens und den Staat seine Ruhe „erkaufte“. Wie hat er damals im Frühjahr 2007 die Hetzjagd in den Medien verkraftet? „Man wird einsamer. Die Zahl der Freunde nimmt ab. Am Ende hilft einem nur noch die Familie.“

Hetzjagd? Pierer verwies als Beispiel auf ein zurechtgestutztes Foto im „Spiegel“, das ihn und den argentinischen Präsidenten Carlos Menem beim gemeinsamen Tennisspiel zeigte, verbunden mit einem Foto von einem Yachtclub in Buenos Aires und versehen mit dem Bildtext: „Milliardenauftrag für fälschungssichere Personalausweise.“ Unterschlagen von der Redaktion wurde dabei, dass auf dem ursprünglichen Foto auch der damalige deutsche Außenminister Klaus Kinkel zu sehen war, der Pierer anlässlich eines Staatsbesuchs Menems in Deutschland zu einem gemeinsamen Tennis-Doppel in Bonn (!) gebeten hatte. Die einen anderen Zusammenhang suggerierenden Fotos finden sich – neben vielen anderen im Stadtarchiv erzählten Anektoden – in Pierers lesenswerter Autobiografie „Gipfel-Stürme“, erschienen im Econ-Verlag.

Im Rückblick sieht Pierer das auch von ihm zu verantwortende Börsenlisting in New York, das man im Hinblick auf eine mögliche Akquisitionswährung gestartet habe, als „keine gute unternehmerische Entscheidung“. Es habe „unheimlich geschadet“. Allein die Recherchen der beauftragten Kanzleien nach den Bestechungsvorwürfen hätten 850 Millionen Dollar verschlungen. Das ganze Verfahren dabei sei „rechtsstaatlich problematisch“ gewesen, ohne Einsicht in die angefertigten Protokolle und mit Leuten auf der Gegenseite, die von der Materie nicht viel verstanden hätten. Entlastendes sei nicht zitiert worden. Pierer: „Es war eine schwierige Zeit – gerade auch im Hinblick auf meine zwei Söhne, die ja bei Siemens beschäftigt sind. Doch das alles ist jetzt Schnee von gestern. Ich lebe seitdem unbeschwert und habe meine Ruhe – auch wenn Wunden vernarben, aber die Narben bleiben.“

Altoberbürgermeister Siegfried Balleis weiß wohl mit am besten einzuschätzen, was Pierers Wirken an der Siemens-Spitze für Erlangen gebracht hat. Stichwort MRT-Fabrik, ursprünglich in England vorgesehen: Ihr im letzten Moment realisierter Bau in Erlangen wird von beiden, Balleis und Pierer, als „große Erfolgsgeschichte“ gesehen, ohne die es das Medical Valley nicht gäbe. „Die IG Metall hat da voll mitgespielt“, gibt Pierer den Ball weiter. Und für ihn war es grotesk, dass eine Bürgerinitiative wenig später die Zufahrt auf der Röthelheimallee sperren wollte.

Aus dem Nähkästchen wurde auch geplaudert. So wurde auf Anregung Pierers der Sitz einer Siemens-Grundstücksgesellschaft von Grünwald nach Erlangen verlegt – mit der Folge, dass die Hugenottenstadt jährlich rund acht Millionen Euro an Gewerbesteuer erhielt. Der Nach-Nachfolger an der Spitze der AG drehte das Rad allerdings zurück:

 Die Gesellschaft sitzt heute wieder im Zentrum Bayerns.

Was macht Pierer heute? Er gehört dem Verwaltungsbeirat des FC Bayern an („Für einen Franken sicher eine Auszeichnung“), aber auch dem Aufsichtsrat des HC Erlangen. Kontrollgremien und Beiräte in der Wirtschaft schätzen Pierer nach wie vor als wichtigen Berater, noch hat er eine 35-Stunden-Woche, „auch wenn die Altersgrenze langsam durchschlägt“. Inspirierend hält er nach wie vor seine seit zwölf Jahren durchgeführten Seminare als Honorarprofessor an der Nürnberger WiSo.

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