Erlangen: Blick auf die Anatomie der Innenstadt

7.11.2015, 17:44 Uhr
Erlangen: Blick auf die Anatomie der Innenstadt

© F.: Millian

Erlangen: Blick auf die Anatomie der Innenstadt

© Foto: Tsimplostefanaki

Die Erforschung der Erlanger Heimatgeschichte, die früher ihren Platz in einer personell ganz passabel ausgestatteten Redaktion der Zeitschrift „Erlanger Bausteine zur fränkischen Heimatforschung“ hatte, ist seit Jahren zunehmend prekär geworden und ruht auf den Schultern einiger weniger Aktiver. Zu diesen gehört – neben dem rastlosen Stadtarchivar Andreas Jakob – das Vorstandsmitglied im Heimat- und Geschichtsverein Bernd Nürmberger, beruflich Apotheker, aber sonst passionierter Heimatforscher und -liebhaber, Bücher- und Archivwurm, – und gelegentlich auch hartnäckiger Streiter um und für die historische Bausubstanz Erlangens. Dass ihm trotz des soeben begangenen 75. Geburtstags die Tinte nicht ausgetrocknet ist, beweist er mit dem soeben erschienenen Sonderband Nr. 5 der Erlanger Bausteine, der den schlichten Titel „Das Lagerbuch der Neustadt Erlangen von 1745“ trägt und – laut Untertitel – eine bebilderte Hausgeschichte der Alt(neu-)stadthäuser beinhaltet.

Alter Ausdruck

Zur Begriffsklärung muss angemerkt werden, dass der Ausdruck „Lagerbuch“ nicht etwa auf Lager im militärischen Sinn oder auf Waren- oder Lebensmittellager verweist, sondern als historischer Begriff („alle Häußer in Christian Erlang sollten frisch ausgemeßen und ein förmliches Lager Buch gemachet werden“) übernommen wurde – auch ein Beweis für die Hochachtung, die der Autor seinen Quellen gegenüber hat.

Auf 425 Seiten und einem eigenen Register aller Häuser lässt Nürmberger in (s)einer unglaublichen Fleißarbeit ein historisches Panorama der Erlanger Altstadt entstehen, fußend auf Steuerakten, für die erstmals zwischen 1743 und 1745 alle Häuser und ihre Flächen erfasst wurden, um sie möglichst widerspruchsfrei und gerecht besteuern zu können. Nürmberger vergisst auch nicht darauf zu verweisen, dass es Jahre später – 1774 – eine Nacherhebung für die „Häuser in den Vorstädten“ gab, die ebenfalls besteuert werden sollten.

Lückenlos im Wortsinne ist aber auch die Nürmbergersche „Sammlung“ nicht – weil sie schon in der Quellenlage nicht lückenlos ist. So gibt es, schreibt Bernd Nürmberger in seiner Einleitung, „im Staatsarchiv Bamberg und im Stadtarchiv Erlangen weitere Listen von Hausbesitzern und ihren Mietern aus der Zeit vor 1745, die aber bisher nicht sicher den jeweiligen Häusern zugeordnet werden konnten und deshalb nicht berücksichtigt werden“.

Der überwiegende Teil der beschriebenen Häuser ist mit historischen oder aktuellen Abbildungen kenntlich gemacht, ein umfangreicher und penibel recherchierter Anmerkungsteil lässt auch einen Blick auf die jeweilige Familiengeschichte zu, sofern sich diese in geschäftlichen und damit aktenkundigen Vermerken niederschlägt. Auch wird der Leser angesichts etlicher abgebildeter Häuser gelegentlich stutzen, da sie längst verändert wurden, nicht weniger auch abgebrochen, „so das die Beschreibung der Häuser dem Stand zum Ende des 18. Jahrhunderts entspricht“, wie Nürmberger anmerkt. Die beigefügten Stadtpläne – einmal der Plan der Stadt Christian Erlangen aus dem Jahr 1698 (der sogenannte Rudelsche Plan), zum zweiten der Katasterplan der Stadt von 1822 – sind nette Zugaben, wegen des Maßstabs leider nicht recht hilfreich bei der Verortung der jeweiligen Häuser. So gesehen hat das Buch auch etwas „Bewegendes“, veranlasst es doch seinen Leser zu einem sicher erkenntnisreichen Stadtspaziergang.

Geschenk an sich selbst

Zwei Grußworte – Bernd Nürmberger hat sich das Buch zu seinem Geburtstag vorsichtshalber selbst zum Geschenk gemacht, wie er verschmitzt erzählt – geraten sowohl Oberbürgermeister Florian Janik als auch der Vorsitzenden des Heimat- und Geschichtsvereins, Pia Tempel-Meinetsberger zu hochverdienten Elogen, Stadtarchivar (und Mitarbeiter am Buch) Andreas Jakob lässt Nürmbergers durchaus spannende Vita gewohnt kenntnis- und geistreich Revue passieren. Dass er dabei auch vor einem Kalauer nicht zurückschreckt, ist ihm hoch anzurechnen: „Eigentlich müsste Bernd Nürmberger Erlanger heißen.“ Wer das Buch staunend gelesen und angesehen hat, weiß: es stimmt.

Das Buch ist für 20 Euro beim Heimat- und Geschichtsverein Erlangen, Gebbertstraße 1, oder beim Verfasser in der Adler-Apotheke, Hauptstraße 61, erhältlich. Am Martinstag, dem 11.11., will Nürmberger sein Buch „spendieren“.

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