Erlanger Theater bringt Bestseller "Tschick" auf die Bühne
15.11.2017, 18:30 UhrTja, so geht´s, wenn zwei 14-jährige Lausejungs (hätte man früher gesagt) ohne Führerschein und nur marginalem Fahrerkönnen auf Initiations-Tour gehen: Schlussendlich kracht’s, und der Katzenjammer ist groß. Aber die Zeit mit den Erlebnissen davor, die kann ihnen keiner mehr nehmen. Wohin man schaut - "Tschick". In nur wenigen Jahren hat es Wolfgang Herrndorfs Jugendroman (taugt auch für sogenannte Erwachsene) auf zahllose Bühnen und ins Kino geschafft.
Zu sehr juckt es Kulturschaffenden in den Fingern, als dass sie nicht Herrndorfs clevere und clever geplottete Reise ins verwirrte Herz Heranwachsender nicht immer wieder ins plastische Bild rücken wollen. Bitte sehr, auch das Theater Erlangen macht dabei mit, aber anders: Robert Koalls Bühnenfassung läuft hier als "Live-Hörspiel mit Video".
Soll heißen: Die Schauspieler Violetta Zupancic, Enrique Fiß und Maurizio Micksch verkörpern lesend, deklamierend, dialogisch, spielend, spielerisch, verspielt, mit allem Möglichen hantierend nicht nur die drei Hauptfiguren Tschick, Maik und Isa, sondern auch diverse Nebenfiguren. Keine schlechte Idee, so eine Unternehmung, mit Bonus-Erkenntniswert für die Vorlagen-Kenner.
Die Episodenhaftigkeit des Romans kommt dem Ganzen natürlich sehr entgegen. Die Garagen-Bühne ist vollgestellt mit Requisiten aller Art, mit Mikrofonen und Videokamera. Mit Schmackes wird also an die Geräusch- und Bildproduktion gegangen, deren Ideenreichtum groß ist und per se oftmals zum Schmunzeln einlädt.
Hier sieht und hört man ein Stück im Werden und Entstehen, live und in Farbe. Regisseur Eike Hannemann, Hörspiel-erprobt durch seine früheren "Garagen"-Lautmalereien "Spiel mir das Lied vom Tod" und "King Kong", hat sich weiß Gott einiges einfallen lassen, um akustisch und visuell klotzen zu können. Ein sich drehender Ventilator auf einem leeren Pappkarton – hört sich an wie ein fahrendes Auto. Übers Mikrofon verstärktes Kratzen am Zweitagebart – klar, Schlurfen auf Sand. Und so weiter, und so fort: Ein Schatzkästlein voll hübscher Details.
Die Zurschaustellung von sich nahezu sekündlich offenbarendem Einfallsreichtum hat freilich auch seine Schattenseite. Wer nur auf die Machart schielt, verliert leicht die Konsistenz aus dem Blick. Selbst die Akteure ergötzen sich zuweilen selbst an den handgemachten Späßen, an Typenhaftigkeit, verstellten Stimmen und eilfertiger Verschmitztheit.
Das ist total sympathisch, zweifellos, aber die Tschick’sche respektive Herrndorf’sche Melancholie kommt dabei etwas unter die Räder, der dunkle Kern erscheint bloß graumeliert in dieser handwerklichen Fleiß-Arbeit, die eben großteils "nur" zum Abkichern komisch ist. Für "Tschick"-Fans aber echt interessant zum Draufschauen und –hören.
Weitere Vorstellungen: 29. und 30. November, 20. und 21. Dezember, jeweils ab 20 Uhr (Karten unter Telefon 09131/862511 www.theater-erlangen.de).
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