Muss blauflügelige Ödlandschrecke der Forschung weichen?

5.2.2011, 00:00 Uhr
Muss blauflügelige Ödlandschrecke der Forschung weichen?

© Bernd Böhner

Frau Fuchs, warum soll das Max-Planck-Institut nicht am ehemaligen Exerzierplatz gebaut werden?

Muss blauflügelige Ödlandschrecke der Forschung weichen?

Bianca Fuchs: Wir sind keineswegs gegen ein Max-Planck-Institut, aber gegen diesen Bebauungsplan. Es geht hier um das wichtigste Naturschutz-Gelände, das Erlangen hat. Der Wert der Fläche daneben ist genauso hoch. Da wurde lediglich auf dem Papier ein Strich gezogen. Von der fachlichen Wertigkeit ist beides gleich hoch. Eine Bebauung dieses Geländes hat erhebliche Auswirkungen auf das Naturschutzgebiet. Es gibt eine gesetzliche Verpflichtung, ein Naturschutzgebiet in der Wertigkeit zu erhalten. Wenn der ehemalige Exerzierplatz von allen Seiten eingegrenzt und eingeengt wird, ist das nicht mehr möglich. Das Gelände benötigt eine Pufferzone nach außen. Wenn diese fehlt, werden die Menschen vermehrt direkt ins Naturschutzgebiet gehen. Es wird dann etwa ganz schwierig werden, das Wegegebot zur Brutzeit aufrechtzuerhalten. Deswegen wollen wir, dass diese Fläche frei bleibt.

Muss blauflügelige Ödlandschrecke der Forschung weichen?

Siegfried Balleis: Es macht keinen Sinn, zwischen einem Max-Planck-

Institut und dem Bebauungsplan zu differenzieren. Der Bebauungsplan wird deshalb aufgestellt, weil das Institut dort baut. Wer gegen diesen Bebauungsplan ist, ist definitiv gegen das Max-Planck-Institut. Die Qualität des Naturschutzgebiets ist zudem nicht identisch mit dem Streifen an der Staudtstraße. Wir haben das in der Vergangenheit sehr intensiv überprüft und haben dann nördlich dieses Bereichs 250000 Quadratmeter als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Übrigens: Hätten wir das Gebiet als Bauland verkauft, hätten wir 75 Millionen Euro erlösen können. Diesen materiellen Beitrag hat die Stadt zu Gunsten der Natur und des Naturschutzes bereits geleistet.

Fuchs: Die Fläche ist deshalb 25 Hektar groß, weil das damals vom Bayerischen Landtag als Mindestgröße genannt wurde. Es gibt deshalb einen kleinen Haken in den Westen. Der ist aus naturschutzfachlicher Sicht nicht so wertvoll wie die Vorbehaltsfläche der Universität. Das wurde so gemacht, um die Größe zu erhalten. Sinniger wäre es gewesen, das Gelände an der Staudtstraße auszuweisen. Dort stehen auch Bäume, die für einige Tierarten wichtig sind. Meiner Meinung nach verliert das Naturschutzgebiet sehr viel an Wert, durch eine Bebauung, da diese sich auf den Rest direkt auswirkt.

Gibt es Alternativen zum Standort?

Balleis: Selbstverständlich haben die Universität und wir nach alternativen Standorten gesucht. Unter anderen Am Bachgraben. Doch das Max-Planck-Institut hat den Standort wegen der unmittelbaren Nähe

zur Physik gewählt. Und die sitzt nun mal an der Staudtstraße. Der jetzige Standort in gemieteten, viel zu kleinen Räumen an der Scharowsky-Straße ist für die Zusammenarbeit mit der Physik nicht ideal.

Sind im heutigen Kommunikations-Zeitalter Entfernungen wie derzeit 1,5 Kilometer wirklich eine Hürde?

Balleis: Wenn Sie etwas Neues bauen, dann bauen Sie so, dass sie eine optimale Vernetzung haben. Jede Organisation funktioniert besser, wenn die Menschen unmittelbar zusammenkommen — bei aller Liebe zum Internet oder Video-Konferenzen. Vorlesungen oder Forschungsexperimente werden immer noch von Menschen bestritten.

Fuchs: Auf den Plänen des Uni-Südgeländes existieren etliche Baulücken. Warum sollten da eineinhalb Hektar Max-Planck-Institut nicht reinpassen? Es gibt noch freie Flächen im Südgelände.

Balleis: Von den Anliegern ist uns beispielsweise vor einiger Zeit erst wieder bei einer Info-Veranstaltung zum Neubau der Chemie und Informatik der Vorwurf gemacht worden, wir zerstören die letzten freien Flächen im Campus.

Fuchs: Warum wird überhaupt ein Bebauungsplan an der Staudtstraße über elf Hektar aufgestellt, wenn zunächst lediglich das Max-Planck-Institut gebaut werden soll?

Balleis: Das ist der Wunsch der Universität für diese Flächen des Freistaates, die im Flächennutzungsplan expressis verbis für die Universität und universitätsnahe Einrichtungen ausgewiesen wurde, damit die Universität nicht jedes Mal für zukünftige Planungen den gesamten Planungsprozess neu angehen muss. Es geht hier aber um die potenzielle Bebaubarkeit. Weitere konkrete Pläne gibt es noch nicht. Was endgültig in den kommenden Jahren entstehen könnte, sind wohl kleinere solitäre Gebäude.

Wie sieht es mit Parkplätzen aus?

Balleis: Die Initiative hat von 1500 gesprochen...

Fuchs: So steht es im Bebauungsplan!

Balleis: Das sind potenziell nutzbare. Was dann aber endgültig in Anspruch genommen wird, steht auf einem anderen Blatt.

Fuchs: Was einmal im Bebauungsplan steht, ist aber auch möglich. Deshalb fragen wir uns, weshalb es festgeschrieben wird. Es zeigt sich aber, dass solche Möglichkeiten gerne ausgenutzt werden. Und noch was: Auch wenn hier zehn kleinere Gebäude stehen, wird das Gebiet für die Freizeitnutzung der Anwohner ebenso verloren gehen, wie wenn hier ein großer Riegel gebaut wird.

Balleis: Nanananana!

Fuchs: Man sieht es im Südgelände. Obwohl es sehr offen ist und viele Bäume vorhanden sind, wird dieser Bereich nicht genutzt, da er nicht so attraktiv ist.

Balleis: Wenn ich acht oder zehn kleinere Gebäude habe, gibt es doch eine Durchgängigkeit. Alles bleibt frei begehbar. Und es wird keinen zwei Meter hohen Zaun wie früher beim Militärgelände geben.

Fuchs: Von der Bevölkerung wird das anders wahrgenommen. Das Schöne an der Vorbehaltsfläche ist doch, das man hier sehr offen durchlaufen kann. Dort kommen Schulklassen hin, Studenten, die dort Kartieren und vieles Lernen. Da gibt es Kletterbäume, auf denen Kinder spielen, Jogger sind unterwegs. Nach der Bebauung wird das nicht mehr so stattfinden. Wir befürchten, dass dann ein Druck aufs Naturschutzgebiet entsteht. Es gibt deutlich mehr Anwohner in direk-

ter Umgebung als vor ein paar Jahren.

Kann es überhaupt eine Annäherung bei Ihnen Beiden geben?

Fuchs: Schwierig. Es bleibt die Frage, warum man so einen großen Bebauungsplan aufstellt. Vielleicht würde es ja die Möglichkeit geben, dass nur ein Teil der elf Hektar bebaut und ein anderer Teil für immer frei bleibt. Zudem müsste noch mal ganz genau geprüft werden, ob man nicht ein anderes Areal finden kann.

Balleis: Ich weiß nicht, wie oft Sie schon auf der anderen Seite der Kurt-Schumacher-Straße unterwegs waren. Wir haben dort ein Areal von geschätzten 40 Quadratkilometern Natur mit unglaublicher Vielfalt.

Fuchs: Manchen Tieren nützt das nichts. Eine blauflügelige Ödlandschrecke, die stark vom Aussterben bedroht ist, haben wir auf der Freifläche des Exerzierplatzes. Die gehen natürlich nicht in den Wald.

Balleis: Auch nicht auf die Flächen im Tennenloher Forst bei den Przewalski-Pferden?

Fuchs: Da wird es sicher auch welche geben. Doch im Sinne des Biotop-Verbundes ist es wichtig, dass es überall Trittsteine gibt. Sonst haben wir nur noch ein kleines Areal. Und wenn das weg ist, gibt es die Ödlandschrecke nicht mehr.

Es steht die Drohung vom Max-Planck-Institut im Raum, sich notfalls in einer anderen Stadt anzusiedeln. Nehmen die Naturschützer das in Kauf?

Fuchs: Es stellt sich schon die Frage, wie ernst solche Drohungen zu nehmen sind. Es müsste andernorts wieder die ganze Planung neu aufgerollt werden. Es gibt Angestellte, die wohl nicht mitumziehen werden. Es gibt aber sicher Möglichkeiten das Institut an anderer Stelle in Erlangen unterzubringen. Es muss in dieser Stadt doch noch andere Flächen geben. Und wenn nicht hier, dann in Nürnberg oder Fürth.

Balleis: Ein Wegzug wäre eine Katastrophe für den Standort Erlangen. Vor 15 Jahren wurde an der Universität mal der Begriff von Nordbayern als der „größten Max-Planck-freien-Zone Deutschlands“ geprägt. Das war bis vor fünf, sechs Jahren bittere Realität. Für das wissenschaftliche Renommee Erlangens und für die Mitarbeiter wäre die Aufgabe des Standorts hier eine Katastrophe. Wir haben doch den Zuschlag wegen der superstarken Physik in Erlangen bekommen. Es muss zusammenwachsen, was zusammengehört.

Fuchs: Dem Max-Planck-Institut wurde aber auch noch nie ein anderer Standort von der Stadt angeboten.

Balleis: Aber im Umkreis der Physik können wir auf der Karte einen Zirkel mit 500 bis 700 Meter einkreisen. Da wird man keine andere Fläche finden. Wir haben zudem über lange Jahre mit der Bürgerschaft diskutiert, dass gerade an der Staudtstraße die Uni-Vorbehaltsfläche ist.

Fuchs: Sie argumentieren gerne damit, dass diese Entscheidung seit 15 Jahren feststeht. Doch gerade bei solch einem Zeitraum sollte man überprüfen, ob sich das Gebiet nicht verändert hat. Es gibt eben einen neuen Stadtteil. Es stellt sich schon die Frage, ob man sich nicht diesen Entwicklungen anpassen muss.

Balleis: Wer sich dort angesiedelt hat, schaut sich doch die Pläne an. Der Flächennutzungsplan ist für alle zugänglich. Wer wollte, konnte sehen: An dieser Stelle ist eine entsprechende Nutzung für die Universität vorgesehen.

Fuchs: Bei der Informations-Veranstaltung und bei der Demonstration hat man aber gesehen, dass sehr viele Bürger davon überrascht worden sind. Viele Bürger haben sich darauf verlassen, dass die wunderschöne Freifläche erhalten bleibt.

Wie geht es nun seitens der Bürgerinitiative weiter?

Fuchs: Demnächst wird es eine Petition an den Landtag geben. Wir suchen Kontakt zu den Stadträten, begrüßen die Informationsveranstaltung der Stadt und werden uns daran beteiligen. Zudem überlegen wir noch, welche rechtlichen Schritte uns zur Verfügung stehen.

Zur „Wutbürgerin“ sind Sie, Frau Fuchs, aber noch nicht geworden?

Fuchs: (lacht) Nö. Ich finde, man muss immer miteinander reden.

Balleis: Das kann ich bestätigen. Alle Kontakte die wir bisher mit der Bürgerinitiative hatten, fanden auf dem Niveau einer sehr entwickelten Diskussionskultur statt. Da unterscheidet sich Erlangen wohltuend von der einen oder anderen Stadt.


 

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