Songs an einem Sommerabend auf der Wöhrmühlinsel in Erlangen
15.8.2020, 11:00 UhrWas macht eine geborene Rampensau wie die irische Songwriterin, Sängerin und Multiinstrumentalistin Wallis Bird beim ersten Konzert nach fünfmonatiger, höllischer Bühnenabstinenz? Sie explodiert. Sie schäumt über, wie ein Spaghetti-Topf, den man auf der Herdplatte vergessen hat. Nachdem die fränkische Songwriterin Elena Steri das zweite Konzert des Mini-Pop-Up-Festivals an der Wöhrmühle mit zarten, von ihrer klaren, biegsamen Stimme getragenen, aber noch etwas konturlosen Liedern eröffnet hat, springt die exaltierte Wahl-Berlinerin Bird im orangenen Jumpsuit auf die Bühne und strahlt wie ein Honigkuchenpferd. "Alder, is des anders! This is geil!", radebrecht sie in putzigem Denglisch. "Kulturinsel hat mein Leben gerettet!"
Dann schafft sie sich mit Hilfe ihres Loop-Geräts in einen hand- und mundgemachten Groove, spielt mit Beats und Stimmen wie ein Kind mit Lego, ehe sie sich die Gitarre umschnallt, um zum Rhythmus ihrer Schlaghand eine Hymne auf Peace, Love and Happyness anzustimmen.
Dass sie dabei eine unschuldige Saite exekutiert, kümmert sie nicht. Ihre Qualitäten als leidenschaftliche Sängerin sind bekannt, doch an diesem Abend entlädt sich der Druck in einem Tour-de-Force-Ritt. Ohne ihre Band lässt sie sich ohne festen Fahrplan von ihren Launen treiben.
Wilde Gitarren-Improvisationen, ein beseelter Gospel-Moment am Klavier, gefolgt vom einfühlsam intonierten "We can try", das nach den Sternen greifende Liebeslied "The Ocean" oder das wahnwitzige "Train is coming", ein drängender Bluesfunk, bei dem sie sich in Ekstase singt, brüllt, fleht und flüstert. Lieder der Hoffnung, Hymnen für den Silberstreif am Horizont.
"I’m sweating like a pig!", stellt sie fest. Dem bravem Sitzpublikum bleibt die Freude an einer denkwürdigen Performance, die gezeigt hat, warum "live" unersetzlich ist: Weil immer jederzeit alles passieren kann, mit lebendiger, spontaner Interaktion zwischen Künstlerin und Publikum. Eine Befreiung, eine Katharsis, die uns spüren lässt, warum die Welt trotz allem ein guter Ort ist.
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