»Werde bis 2014 meine Kraft ganz für Erlangen aufwenden»

11.3.2010, 00:00 Uhr
»Werde bis 2014 meine Kraft ganz für Erlangen aufwenden»

Herr Oberbürgermeister, als einen Grund, die Zusammenarbeit mit Ihnen und der CSU aufzukündigen, nannte die FDP ein fehlendes Gesamtkonzept zur mittelfristigen Haushaltskonsolidierung. Weshalb legten Sie solch einen Masterplan nicht früher vor?

Siegfried Balleis: Ich habe schon im Rahmen des Nachtragshaushalts angekündigt, dass wir einen externen Gutachter beauftragen werden, der alle nicht gesetzlich verpflichtenden Leistungen in der Stadt Erlangen auf den Prüfstand stellen soll. Das ist geschehen und zwar hervorragend. Dieses Gutachten kann sich sehen lassen, vor allem wenn man bedenkt, in wie kurzer Zeit es entstand. Schließlich wurde in der jüngeren Geschichte noch nie so systematisch aufgelistet, welche nicht-gesetzlichen Aufgaben wir überhaupt haben. Die FDP sprach im Übrigen immer nur abstrakt vom Sparen. Wenn ich Matthias (Faigle, den FDP-Fraktionsvorsitzenden, d. Red.) bat: »Sag’ doch mal konkret, wo du sparen würdest», dann kam stets null Komma null. Solch ein Verhalten ist in Ordnung, wenn man in der Opposition ist, nicht aber wenn man die Verantwortung mitträgt.

Dann handelt es sich also bei diesem Gutachten um einen Teil des Masterplans?

Siegfried Balleis: Ja. Zudem werden wir den mittelfristigen Finanzplan, der bekanntlich eine Auflistung aller wichtigen Investitionen in den nächsten drei Jahren ist, noch einmal genau überprüfen. Dort sind etliche Projekte enthalten, die in dieser Form nicht kommen müssen. Letztlich entscheidet ohnehin die Politik, wann und in welchem Umfang Investitionen in Angriff genommen werden. Der Stadtrat - er ist der Souverän - entscheidet als Vertreter der Bürgerschaft über den Haushalt. Insofern kann ich diese fast schon reflexartige Angst, man knalle finanziell gegen die Wand, nicht verstehen.

Die Stimmung zwischen Ihnen und Bürgermeisterin Elisabeth Preuß (FDP), der Sie nach dem Koalitionsbruch den Rücktritt nahe legten, ist nach wie vor getrübt.

Siegfried Balleis: Wir arbeiten professionell zusammen. Das Vertrauensverhältnis ist allerdings zerstört. Vertrauen kann man wieder aufbauen, aber das dauert.

Ab wann kann der Etat wieder ohne Neuverschuldung auskommen?

Siegfried Balleis: Realistischerweise muss ich davon ausgehen, dass wir 2011 und 2012 nicht ohne eine Neuverschuldung auskommen. Schließlich wird die Finanzkrise erst in der zweiten Jahreshälfte 2010 oder Anfang 2011 voll durchschlagen. Wenn alles optimal läuft und wir extrem sparsam sind, könnten wir frühestens 2013, realistischerweise wohl eher 2014 ohne neue Schulden auskommen.

Stichwort: Externe Berater. Ein Teil der gemachten Vorschläge war nicht umsetzbar, andere Ideen beruhten auf falschen Annahmen. Unter dem Strich wurde aus 4,5 Millionen Euro Einsparpotenzial für den Etat 2010 gerade einmal eine Million. Und: Rund 50 Prozent davon gingen zu Lasten der städtischen Töchter. Hatten Sie sich mehr von den externen Beratern versprochen?

Siegfried Balleis: Nein. Persönlich sind meine Erwartungen sogar übertroffen worden. Wenn der Stadtrat den Mut gehabt hätte und die Vorschläge - wie ich es wollte - eins zu eins umgesetzt hätte, wäre allein 2010 ein Einsparvolumen von 4,5 Millionen Euro möglich gewesen, und ab 2014 jährlich 14 Millionen Euro. Der Stadtrat beschloss aber, nur knapp ein Viertel der Vorschläge umzusetzen. Das heißt es gibt ein Riesenpotenzial, das man - hierfür gab es natürlich gute Gründe - aus Rücksicht auf Vereine, Verbände, Institutionen nicht voll ausgeschöpft hat. Und wenn von knapp 180 Vorschlägen fünf oder sechs mit heißer Nadel gestrickt waren, muss man diese Fehler benennen. Das Verfahren an sich war aber absolut richtig.

Das Gros der Einsparvorschläge - Stichworte: DreiProzent-Einsparvorgabe an die Ämter und die Grundlage für das Gutachten der externen Berater - stammt ohnehin aus der Verwaltung. Haben sich die Ausgaben in Höhe von 50 000 Euro, die die Kommune für das Gutachten ausgeben musste, ausgezahlt?

Siegfried Balleis: Mit Sicherheit. Die Ausgabe hat sich sogar vielfach rentiert, zumal das Gutachten auch die Folgejahre berücksichtigt.

Werden Sie noch einmal externe Berater ins Rathaus holen?

Siegfried Balleis: Der Kämmerer denkt, dass wir externe Berater auch bei den gesetzlichen Ausgaben heranziehen sollten, vor allem im Bereich Jugend und Soziales. Hier explodieren die Kosten förmlich. Auch ich denke, dass wir uns noch einmal externen Sachverstands bedienen sollten, um dann die Standards absenken zu können, ohne Klagen zu riskieren. Über Gesetzesänderungen können wir nämlich allenfalls in zwei, drei Jahren mit Einsparungen rechnen.

Heißt das, dass die Stadt im Bereich Jugendhilfe und -amt überbesetzt ist?

Siegfried Balleis: Nein. Wir haben aber einen hervorragenden Standard, so dass noch Spielraum für eine Absenkung vorhanden ist.

Die CSU-Stadtratsfraktion benötigt seit dem Koalitionsbruch mit der FDP mindestens vier Stimmen aus den Reihen der Opposition, um künftig Beschlüsse fällen zu können. Welche Fraktion oder Gruppierung wäre Ihnen als künftiger Bündnispartner am liebsten?

Siegfried Balleis: Jeder Stadtrat steht in der Verantwortung für seine Stadt. Meine Wunschkonstellation ist, dass wir für die Ziele der Kommune eine große Mehrheit erreichen. Die Scheidung (zwischen CSU und FDP, d. Red.) bietet die Chance, Entscheidungen auf eine breitere Basis zu stellen. Aus Sicht der Opposition verstehe ich, dass es unbefriedigend war, wenn Entscheidungen mit nur einer Stimme Mehrheit fielen.

Gleichwohl betonten Sie in der Vergangenheit »Mehrheit ist Mehrheit». . .

Siegfried Balleis: Das ist doch auch das Natürlichste der Welt. Im Jahr 1996 gab es eine komfortable Mehrheit für CSU, FDP und FWG. Jetzt haben wir hingegen eine offene politische Situation, in der sich alle Stadträte mehr einbringen können und sollen. Die Diskussionen werden künftig länger dauern, der Abklärungsprozess wird mehr Zeit beanspruchen als wenn sich zwei Partner vorher absprechen.

War die CSU-Stadtratsfraktion verärgert, als sie erfuhr, dass Sie als Kandidat für das Amt des Sparkassen-Präsidenten nominiert waren? Immerhin wäre es schwierig geworden, aus den Reihen der Christsozialen einen Nachfolger für Sie quasi über Nacht aus dem Hut zu zaubern . . .

Siegfried Balleis: Begeisterungsstürme hat meine Kandidatur nicht ausgelöst.

Wie wollen Sie das bei den Bürgern eingebüßte Vertrauen zurückerobern?

Siegfried Balleis: Die Kandidatur beziehungsweise der späte Verzicht darauf hat mir einige Blessuren eingebracht. Ich werde jetzt bis 2014 meine ganze Kraft für Erlangen aufwenden. Darüber und über diese Entwicklung ist auch die CSU nicht unfroh (eine ausführlichere Fassung findet sich unter www.erlanger-nachrichten.de, siehe auch EN-Hauptteil).

Interview: KIRSTEN WALTERT/

PETER MILLIAN

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