Ohne die Frauen und Männer geht nichts

Erntehelfer im Knoblauchsland: So hart arbeiten sie

11.6.2018, 06:00 Uhr
Mit Blick auf Poppenreuth ernten polnische und rumänische Helfer im Knoblauchsland Petersilie.

© Foto: Eduard Weigert Mit Blick auf Poppenreuth ernten polnische und rumänische Helfer im Knoblauchsland Petersilie.

Die Nacht ist kurz in Schnepfenreuth. Schon um vier Uhr morgens klingelt der Wecker, schließlich müssen Roman Gralak und seine Kollegen um fünf Uhr loslegen. Salate, Karotten oder Radieschen müssen geerntet und ins Kühlhaus transportiert werden, bevor ihnen die Sommersonne zu sehr zusetzt. Heute ist aber erst einmal Petersilie dran. Roman bückt sich, schneidet einen dicken Bund ab, zupft die gelben Blätter heraus, wickelt einen Gummi um die Stiele und legt den Bund in die Kiste. Immer und immer wieder aufs Neue muss er sich tief bücken. Die Petersilienernte ist noch eine der leichteren Aufgaben im Knoblauchsland, rückenschonend ist sie aber trotzdem nicht.

Immer weniger Polen

"Von unseren Erntehelfern ist ein Drittel aus Polen, zwei Drittel sind aus Rumänien. Die haben alle daheim Gärten oder Landwirtschaft, sie sind es noch gewohnt, mit der Hand auf dem Feld zu arbeiten", meint Peter Höfler, der bei "Höfler Gemüse" in Schnepfenreuth den Freilandanbau auf 30 Hektar Fläche leitet.

Auch Roman Gralak klagt nicht. Er kennt es nicht anders. Vor 13 Jahren ist der Pole zum ersten Mal nach Schnepfenreuth gekommen – seither kehrt er jedes Jahr zurück. Und noch mehr als das. Gralak ist einer von 15 fest angestellten Helfern. Mittlerweile hat er sich sogar eine Wohnung in Buch im Knoblauchsland gemietet, in der er mit seiner Frau und den gerade geborenen Zwillingen lebt.

"Viele Polen gehen mittlerweile eher nach Skandinavien oder Großbritannien", sagt Gralak. Auch die deutsche Baubranche zieht viele Polen an. Vor allem aber geht es dem Land seit dem EU-Beitritt im Jahr 2004 wirtschaftlich immer besser. Unter den Erntehelfern im Knoblauchsland jedenfalls wird die einstmals größte Gruppe immer kleiner.

Neue Unterkünfte gebaut

"Dafür haben wir aber noch genug Rumänen, die nachdrängen. Das sind dann oft Geschwister, Cousins oder Kinder von langjährigen Mitarbeitern von uns, da läuft viel über Mund-zu-Mund-Propaganda", erklärt Höfler.

250.000 bis 300.000 solcher Erntehelfer gibt es in Deutschland. Die meisten von ihnen kommen aus Rumänien, Polen und Bulgarien. Anderswo bemühen sich Landwirte schon verstärkt um ukrainische Arbeitskräfte, weil von den angestammten Kräften immer weniger kommen.

Erntehelfer im Knoblauchsland: So hart arbeiten sie

© Foto: Eduard Weigert

"Wir in der Region haben da aber noch keine Probleme", betont Ottmar Braun vom Bayerischen Bauernverband in Mittelfranken. In der Region kommen die Helfer auch bei der Spargel- und Hopfenernte sowie teilweise im Weinbau zum Einsatz, auch Äpfel und Kirschen werden vor allem von osteuropäischen Arbeitern gepflückt.

Mittlerweile achten die Arbeitskräfte sehr darauf, wie sie vor Ort untergebracht sind. Bis zum Jahr 2015 hatte Höfler dafür noch ein Haus im Nürnberger Stadtteil Buch gemietet, ein Teil war in einer ausgebauten Scheune untergebracht, ein anderer in Unterkünften, die in ein Gewächshaus integriert waren. In der Hochsaison dienten Container als zusätzliche Schlaf- und Wohnstellen.

2015 waren dann allerdings die neuen Unterkünfte am Ortsrand von Schnepfenreuth fertig, wo die Arbeiter in 23 Doppelzimmern und zwei Vierbettzimmern mit eigenem Bad und Küchenzeile leben können.

"Das Arbeitsklima ist sehr wichtig", betont Höfler. Nicht mehr als zehn Stunden sollen die Helfer am Tag arbeiten, am Samstag ist mittags Schluss. Extrem hart ist die Arbeit natürlich trotzdem, und vielen macht auch die lange Trennung von der Familie im Heimatland zu schaffen.

Deshalb gibt es WLAN in den Unterkünften, drei Satellitenschüsseln ermöglichen den Arbeitern, ihre Heimatsender zu schauen. "Erst haben wir zwei Schüsseln montiert, eine für die Polen, eine für die Rumänen. Dann haben wir gelernt, dass die Rumänen eigentlich zwei brauchen, um alle wichtigen Sender zu empfangen - da haben wir eben noch eine dritte Schüssel montiert", erzählt Peter Höfler.

Körperliche Belastbarkeit

Langjährige Mitarbeiter deponieren im Winter im Keller der Unterkunft Fernseher, Fahrräder oder Bettwäsche, um die Fracht nicht immer wieder aufs Neue durch halb Europa kutschieren zu müssen. Gefeiert werden darf natürlich auch, vor allem Samstagsabend in der Betriebshalle. Einige Mitarbeiter besuchen auch die Kollegen in den umliegenden Betrieben. "Sonntags gehen viele auf Flohmärkte, die polnischen Mitarbeiter auch oft in die Kirche", erzählt Höfler.

"Eine gewisse körperliche Belastbarkeit braucht man für die Arbeit schon, trotz aller technischen Hilfsmittel bleibt es viel Handarbeit. Deutsche wollen solche Arbeiten einfach nicht mehr machen. Alle bisherigen Versuche sind kläglich gescheitert", erklärt Höfler, der als Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands für Nürnberg-Stadt auch weiß, dass an den anderen Höfen im Umkreis nicht anders aussieht. Selbst die Einführung des Mindestlohns hat nichts an dieser Situation geändert.

"In Rumänien ist dieses Geld viel wert, dafür kann man sich dort viel leisten. Wer in Deutschland Erntehelfer ist, ist in Rumänien der King", meint Höfler. Bezahlt werden die Arbeiter nach Leistung und Betriebszugehörigkeit, Roman Gralak zum Beispiel ist mittlerweile eine Art Vorarbeiter und verdient deutlich mehr.

Wirtschaftlich läuft es für die meisten Betriebe trotz des Mindestlohns gut. "Regionale Ware ist derzeit sehr gefragt, obwohl der Handel darauf höhere Margen aufschlägt als auf Billigprodukte", sagt Höfler.

Auch sonntags früh raus

Für den Erfolg muss der Gemüsebauer aber auch für seinen Hof leben. Meist ist die Nacht für ihn um fünf Uhr morgens zu Ende, kurz nach 20 Uhr geht es deshalb schon wieder ins Bett, um am nächsten Morgen wieder fit zu sein.

Den Rhythmus hat Höfler so im Blut, dass er selbst am Sonntag nicht mehr länger als bis sechs Uhr schlafen kann. "Dann setz’ ich mich in mein Auto, fahr die Felder ab und dreh die Bewässerung auf. Das genieße ich richtig. Danach hol ich Brötchen vom Bäcker und es gibt gemütlich Frühstück mit der Familie."

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