Auch im Kreis Forchheim geht die Angst vor dem Wolf um
6.3.2021, 07:00 UhrWie berichtet, hat ein Wolf im benachbarten Landkreis Bayreuth 18 Tiere gerissen. Nur wenige Tage zuvor vier Mufflons und drei Rotwild. 20 Kilometer Luftlinie davon entfernt, im Landkreis Forchheim, hat Gisela Herbst in Niedermirsberg ihre 28 Alpakas. Sie züchtet die Tiere und arbeitet mit den Alpakas als Therapietiere für Kinder. „Wir sind in großer Sorge“, gesteht Herbst. Die Angst: Dass der Wolf eben doch ein paar Kilometer weiter läuft und auch ihre Alpakas reißt.
„In den nächsten Tagen sollen sie auf die Weide gesetzt werden und bald kommen die Babys auf die Welt“, erzählt Herbst. Gerade diese Baby-Alpakas sind eine leichte Beute für den Wolf, sollte er ins Gehege eindringen. „Was sollen wir tun“, fragt Herbst, die auch Jäger um Hilfe gebeten hat. Doch die Jäger sind sich einig: „Wir können, dürfen und werden nichts tun“, sagt Erich Fiedler. Er ist der Kreisfachberater der unteren Jagdbehörde am Landratsamt Forchheim, Jagdpächter in Obertrubach, Hegeringleiter im Trubachtal und zweiter Vorsitzender des Bayerischen Jagdverbands Kreisgruppe Forchheim.
Und Fiedler hat selbst ein Damwildgehege, nur sechs Kilometer Luftlinie von dem Ort des Wolfsangriffs entfernt. „Es wäre unfair, Angst vor dem Wolf zu verbreiten. Aber es wäre ebenso unfair, nur pro Wolf zu reden. Wir würden gerne so gut wie möglich mit dem Wolf leben und sind bereit, mitzumachen, was die Naturschützer fordern. Doch so wie es ist, kann es nicht weitergehen“, sagt Fiedler.
Er und seine Kollegen fordern deshalb das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) auf, endlich Klartext zu sprechen: „Wir brauchen klare Linien. Wie sollen wir mit dem Wolf umgehen?“, fragt Fiedler.
Sein Vorschlag lautet daher, mit dem Wolf ähnlich umzugehen wie mit dem Rotwild: Verlässt dieses das Revier, ist es zum Abschuss frei.
Auch für den Bund Naturschutz (BN) hat sich nach den jüngsten Ereignissen die Sicht ein wenig geändert: „Bei extremen Ausnahmesituationen, wenn sich der Wolf in die Nähe des Menschen wagt, sollte die Entnahme des Wolfs erlaubt sein“, sagt Ulrich Buchholz, BN-Vorsitzender in Forchheim.
„Der Wolf kann mit den Menschen leben, wenn man bestimmte Dinge berücksichtigt. Die Einzeltiere hier sind nur auf Durchzug. Eine andere Sache sind die Wolfsrudel. Sie haben Hunger und die Viehzüchter müssen um ihre Tiere fürchten“, sagt Buchholz.
Alternativen zum Abschuss
Herdenschutzhunde und Elektrozäune seien gute Schutzmaßnahmen, betont Buchholz. Beides würde vom Staat finanziert werden. So sieht es auch der Landesbund für Vogelschutz (LBV): Der Wolf sei durch EU-Recht geschützt. Da beide Gatter in keiner Weise „wolfssicher“ waren, bedürfe es keiner Verschärfung der Bejagung, sondern einer frühzeitigen, aktiven Beratung. „Diese hätte durch die zuständigen Behörden schon lange erfolgen müssen, wurde jedoch versäumt“, sagt LBV-Vorsitzender Norbert Schäffer. Mit großer Wahrscheinlichkeit hätten die Vorfälle verhindert werden können.
„Bevor die Jagd auf den Wolf eröffnet wird, wie es Bauernverbands-Vize Günther Felßner und die CSU-Abgeordnete Gudrun Brendel-Fischer fordern, müssen erst mal die im bayerischen Aktionsplan-Wolf vorgesehenen Maßnahmen der Prävention umgesetzt werden, was auch EU-Recht-konform wäre“, fordert Schäffer.
Von dieser Prävention hält der Bayerische Bauernverband (BBV) wenig. Abgesehen vom Unterhalt und Folgekosten für die Landwirte seien diese keine wirklichen Barrieren für den Wolf. Entstehen gerade deshalb erst die Situationen, die den Wolf in eine Art Blutrausch verfallen lassen? Wenn der Wolf in einem Pferch ist, aus dem die Tiere nicht ausreißen können und sich dementsprechend gebärden? Oder ein Wolf, der „nur auf Durchzug“ in einem der kleinen Wäldchen hier in der Umgebung ist, sich nicht zurückziehen kann und wie mit dem Rücken an der Wand stehe, überlegt Friedrich Oehme, Geschäftsführer des BN.
„Wir erleben Tiere, die auf der Suche nach Revieren sind und nicht wissen, dass sie in unseren kleinen Wäldchen in Notsituationen kommen und sich dann so verhalten“, ist Oehmes persönliche Meinung über die besorgniserregenden Situationen.
Doch warum funktioniert das harmonische Zusammenleben von Wolf und Wild im Wildpark Hundshaupten?
„Der Zaun ist wolfsgerecht. Er hat einen Betonring auf mindestens einen Meter Tiefe“, erklärt Holger Strehl, Pressesprecher am Landratsamt. Dass die Landwirte das nicht umsetzen können, weiß Strehl. „Ein normaler Weidezaun ist für den Wolf kein Problem und die Landwirte haben meist temporäre Weiden“, sagt Strehl. Zudem: „Die Wölfe lernen schnell, wo es das Fressen gibt. Der Wolf lernt wie man Hindernisse überwinden kann. Er hat Hunger und die Gehege sind wie ein gedeckter Tisch.“
„Welcher Tierschützer schützt das Nutztier? Viele überleben und sterben einen langen qualvollen Tod. Das Massaker kann man nicht entschädigen“, schimpft BBV-Bezirkspräsident und Kreisrat Hermann Greif (CSU). Nun zu fordern, die Bauern sollen alles einzäunen sei eine „ganz fiese Masche“. Denn: „Wenn diese Tiere gelernt haben, die Barrieren zu überwinden, bleibt nur die Forderung nach Entnahme. Der Wolf muss ins Jagdrecht“, sagt Greif.
Wie verhalten, wenn man auf einen Wolf trifft?
Vor allem fürchten die Landwirte, Tierzüchter und auch Bürger, dass der Wolf die Scheu vor dem Menschen verliert. „Der Wolf ist von Natur aus vorsichtig und weicht dem Menschen aus. Im Einzelfall können besonders Jungtiere dem Menschen gegenüber unerfahren und neugierig sein. Dies stellt aber keine Gefährdung des Menschen dar. Der Wolf reagiert auf den Anblick von Menschen vorsichtig, ergreift aber nicht immer sofort die Flucht. Oft zieht sich das Tier langsam und gelassen zurück“, sagt eine Sprecherin des Landesamt für Umwelt (LfU).
Der Wolf aber reagiert auf Hunde. Falls nun eine Begegnung mit dem Wolf stattfinden sollte, hat das LfU die wichtigsten Regeln zusammengestellt:
- Haben und zeigen Sie Respekt vor dem Tier.
- Laufen Sie nicht weg. Wenn Sie mehr Abstand möchten, ziehen Sie sich langsam zurück.
- Falls Sie einen Hund dabeihaben, sollten Sie diesen in jedem Fall anleinen und nahe bei sich behalten.
- Füttern Sie niemals Wölfe; die Tiere lernen sonst schnell, Menschen mit Futter in Verbindung zu bringen und suchen vielleicht aktiv ihre Nähe.
PETRA MALBRICH
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